Mai 12, 2024

22 Jahre voller Einsatz für den Deutschen Schachbund

Uwe Bönsch beim Bodensee-Open 2019 in Bregenz (Österreich) by Harald Amann

Der ehemalige Präsident des DSB, Herbert Bastian, schreibt:

Nach dem Bundeskongress 2011 in Bonn  schrieb mir der damalige Seniorenreferent Dr. Georg Hamm:

„Die Achtung vor dem Anderen und seiner persönlichen Würde beim Ausscheiden aus einem Amt müssen im DSB ein hohes Gut sein! … Gebt den verdienstvollen Verantwortlichen das Gefühl, in ihrem Wirkungsfeld eine positive Spur hinterlassen zu haben.“

Es scheint mir notwendig, diese Worte meiner Würdigung der Verdienste eines Mannes, der über Jahrzehnte Herausragendes für das Schachspiel und für den Deutschen Schachbund geleistet hat, voraus zu stellen. Denn ich habe gemeinsam mit Uwe Bönsch eine Phase erlebt, in der der Zeitgeist ihm gegenüber eine seiner hässlichsten Fratzen gezeigt hat. Doch davon soll hier nicht weiter die Rede sein.

Unsere erste, menschlich angenehme, am Schachbrett für mich eher schmerzliche  Begegnung fand 1992 in der Bundesliga in München statt. Uwe spielte für Bayern München, ich für den Lokalrivalen München 1836. Damals war noch nicht abzusehen, wie viel gemeinsame Zeit wir einmal verbringen würden.

Uwe Bönsch wuchs in der ehemaligen DDR (Halle) auf. Das Schachspiel hatte er im Alter von fünf Jahren von seinem Vater Dr. Ernst Bönsch, einem international renommierten Trainer und Autor gelernt. Sein schachlicher Werdegang, der 1986 zum Großmeistertitel führte und sehr viele sportliche Erfolge mit sich brachte, wurde von André Schulz anlässlich des 60. Geburtstags präzise dargestellt, so dass ich die Details hier nicht wiederholen muss.

https://de.chessbase.com/post/uwe-boensch-zum-60-geburtstag

Uwe Bönsch beim Simultanspiel bei der Bundeswehr 2012

Als Uwe Bönsch 1997 beim Deutschen Schachbund als Nachfolger von Klaus Darga Bundestrainer wurde, brachte er unter anderem Erfahrungen als Trainer in Sachsen-Anhalt mit. Die Trainertätigkeit war eine unserer gemeinsamen Erlebniswelten. Wir sahen uns alle zwei Jahre zur A-Trainer-Fortbildung in Berlin, für die Uwe Bönsch 18 Jahre lang verantwortlich war. Unsere deutschsprachigen Nachbarn sahen unser Ausbildungssystem als vorbildlich an. Außerdem waren wir beide Mitglied der früheren Lehrkommission, in der z. B. Fragen des Rahmentrainingsplans diskutiert wurden. Mehr der Auflockerung diente die wiederholte Diskussion unserer unterschiedlichen Standpunkte hinsichtlich der Fragen, ob es real eine Russische Schachschule gegeben hat, oder ob auch in der heutigen Zeit das Leistungsmaximum eines Topspielers erst zwischen 30 und 40 Jahren erreicht wird.

Bild 1 A-Trainer-Ausbildung 1998 vlnr: Christian Bossert, Lev Gutman, Hans-Jürgen Hochgräfe, Klaus Darga, Uwe Bönsch, Horst Müller, Ernst Bönsch, Jörg Pachow, Lothar Vogt.

Meine Tätigkeit bei der FIDE hat immer wieder bestätigt, dass Uwe Bönsch auf Grund seiner schachlichen wie menschlichen Qualitäten international und vor allem in der FIDE-Trainer-Kommission ein sehr hohes Ansehen genoss. In 2013 wurden seine Leistungen mit der Verleihung des Titels „Trainer des Jahres“ gewürdigt.

Letztlich wird die Qualität eines Trainers daran gemessen, welche Erfolge er bei Ausübung seiner Tätigkeit erzielt hat. In Uwes Bilanz als Trainer der Nationalmannschaft, natürlich sein Haupteinsatzgebiet, stehen zwei Bronzemedaillen bei den Europa-Mannschaftsmeisterschaften 1999 in Batumi und 2001 in Leon sowie die Goldmedaille 2011 in Porto Carras, und als wichtigster Erfolg die Silbermedaille bei der Schacholympiade 2000 in Istanbul. Damit dürfte er unser erfolgreichster Schach-Bundestrainer sein.

Bild vlnr: Uwe Bönsch, Arkadij Naiditsch, Rustam Kasimdzhanow , Jan Gustafsson, Daniel Fridman, …, Georg Meier.

Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Aufbau der FIDE-Trainerakademie in Berlin, den Uwe Bönsch gemeinsam mit Prof. Dr. H.-J. Hochgräfe, Dr. Ernst Bönsch und Horst Metzing vollzogen. Dort fanden unter idealen Bedingungen unzählige nationale und internationale Lehrgänge statt, wodurch die Qualität der Trainerausbildung systematisch verbessert werden konnte. Im Zusammenhang mit der Leitung der Akademie führte Uwe Bönsch zudem Lehrgänge in Äthiopien, Libyen, USA, Schweiz, Österreich,  Ukraine und den VAE durch.

Bild: Ein Schauspiel des Geistes, Kaiserbahnhof Potsdam 2012, am Brett gegen Markus Stangl.

Als 2013 personelle Veränderungen anstanden, wechselte Uwe Bönsch zunächst als Sportdirektor in die Geschäftsstelle. Später kam dann noch die Funktion des Geschäftsführers dazu. Aus dieser Zeit sind mir vor allem Uwes Sorgfalt und Loyalität in Erinnerung. Durchaus mit einer eigenen Meinung ausgestattet, die er auch entschlossen vertrat, konnte man sich dennoch auf ihn verlassen, selbst wenn er des Öfteren mal in einen sauren Apfel beißen musste. Was er anpackte und erledigte, hatte Hand und Fuß. Insofern ergänzten wir uns gut, denn Uwe sorgte für Bodenständigkeit.

Bild: Gruppenfoto von der Schacholympiade in Tromsø 2014.

Eine kleine Episode, die etwas über den Mensch Uwe Bönsch aussagt, will ich hier erzählen. Es ist mir nie gelungen, ihn ernsthaft für Schachgeschichte zu interessieren, dafür war und ist er zu sehr dem praktischen Spiel verbunden. Eines Tages entdeckte er jedoch in einem Regal eine vergessene Mappe mit historischem Inhalt, und sogleich griff er zum Telefon und informierte mich darüber. Der Fund stellte sich als schachhistorisch  außerordentlich bedeutsam heraus. Es handelte sich um den Nachlass von Hermann Römmig (1883 – 1958), Schatzmeister des Deutschen Schachbundes von 1920 – 1933, mit vielen Originalunterlagen, die einmalige Einblicke in Geschehnisse während der Naziherrschaft ermöglichen.

Wolfgang Unzicker (1925 – 2006) sagte etwa 1982 einmal zu mir: „Früher galt es als erstrebenswert, mehr zu sein als zu scheinen, heute habe ich das Gefühl, dass es eher umgekehrt ist.“ Uwe Bönsch ist noch der klassische Typ im unzickerschen Sinne, und das macht ihn mir besonders sympathisch. Nebenbei stellt sich die Frage, wie Unzicker wohl unsere heutige Gesellschaft beschreiben würde!?

Es war ein Schock, als mich 2017 auf einer Fahrt nach Baden-Baden die Nachricht von einer schweren Erkrankung Uwes erreichte, von der er sich zum Glück heute wieder erholt hat. Seine Tätigkeit als Sportdirektor und Geschäftsführer des DSB musste jedoch ruhen. Ende August 2019 ist er nun aus dem aktiven Dienst als Angestellter des DSB ausgeschieden. Dem Schach wird er weiter als aktiver Spieler wie als Ausbilder von Trainern verbunden bleiben. Ende Oktober 2019 ist gemeinsam mit Artur Jussupow ein Lehrgang zur Ausbildung von FIDE Trainern und zur Weiterbildung von DSB A-Trainern geplant.

Zu den großen Erfolgen von Uwe Bönsch gehört der von André Schulz nicht erwähnte Titel eines Seniorenmannschaftsweltmeisters in der Altersklasse 50+, errungen 2016 in Radebeul, wo er am ersten Brett mit 7,5 aus 9 ein Spitzenergebnis beisteuerte.

Ich schließe mit einem herzlichen „Dankeschön“ an Uwe Bönsch und in der Hoffnung, einen Teil der vielen Spuren seiner erfolgreichen Tätigkeit sichtbar gemacht zu haben, auch wenn die Darstellung bei einer so langen und ereignisreichen Karriere, die sicher in anderer Form noch weitergehen wird, nicht vollständig sein kann.

Herbert Bastian