November 7, 2024

Das waren nochmal insgesamt 14 Partien, da kann man zu allen ein paar Worte schreiben. Am Ende gewann dann Carlsen, nachdem er im Halbfinale schon fast ausgeschieden war. Laut chess24 waren alle drei Matches dramatisch und „Thriller“, das schreibt man über sein eigenes Turnier und unterhaltsam war es jeweils schon. Zuerst die Ergebnisse:

Nakamura-Caruana 4-2 (sie mussten also nachsitzen)

Carlsen-Ding Liren 0,5-2,5 und tschüss 2,5-1,5

Carlsen-Nakamura 2,5-1,5

Nakamura-Caruana begann mit einem eher lahmen Remis, und auch die zweite Partie endete remis. Da stand der Spieler, der immer für die USA spielte, lange symbolisch besser. Aber als Nakamura dann endlich den zuvor belagerten Bauern auf b5 verhaftete, kostete dies ihn eine Qualität – hatte er tatsächlich eine simple Springergabel übersehen? Genug Kompensation für die Qualle hatte er, und dann Dauerschach. Die Schlusstellung suggeriert eine aufregende Partie, das war sie über weite Strecken nicht unbedingt.

In der dritten Partie verschmähte Caruana eine mögliche Zugwiederholung, dann entglitt sie ihm komplett – Vorteil Nakamura. In der vierten Partie stand Caruana nun unter Siegzwang mit Schwarz, also ein provokativer Aufbau, der eigentlich nicht funktionierte. Aber erst überschätzte Nakamura die gegnerische Drohkulisse am Königsflügel vielleicht (32.Df1 war offenbar unnötige Prophylaxe), dann war 33.a5? ein taktischer Bauerneinsteller, und dann war er auf dem aus seiner Sicht rechten Auge blind und ließ Caruana am Königsflügel gewähren – Ausgleich und Blitzen.

In der ersten Blitzpartie hatte Nakamura mit Schwarz ab einem gewissen Zeitpunkt Oberwasser. Bei 33.-d4 hat er dann nach eigener Aussage 34.Ld2 übersehen – ja was denn sonst, alles andere kostet Weiß eine Figur? Nun war es wieder unklar und annähernd ausgeglichen, und später halluzinierte Caruana: (46.-Sf8) 47.Txc6???? Dxc6 – das vermutlich geplante 48.Sf6+ Kh8 49.Dh7 „matt“ scheitert an 49.-Sxh7 (für einzige legale Züge keine Ausrufezeichen), Turm und Partie war weg. In der zweiten Blitzpartie hatte Nakamura die Lage jederzeit Kontrolle, am Ende wollte Caruana im Remisendspiel kein Remis, also verlor er nochmals. In diesem Match gewann der Favorit „auf Umwegen“.

Bei Carlsen-Ding Liren gewann dagegen der klare Außenseiter, ebenfalls auf Umwegen. Wie bitte? Im Schnell- und Blitzschach stand es zuletzt +8=2-1 zugunsten des Chinesen: 3-1 im Stichkampf beim Sinquefield Cup, drei Siege bei der Grand Chess Tour in Kolkata und 3-1 in der Vorrunde dieses Turniers. Die erste Partie war pseudo-spektakulär: Carlsen wählte mit Weiß das London-System und Ding Liren konnte den norwegischen Pseudo-Königsangriff (ein paar Bauern am Königsflügel vorziehen, mehr nicht) locker entschärfen. Danach hatte Carlsen ein optisch besseres Endspiel – siegversprechend, wenn der Gegner dann Fehler macht, den Gefallen tat ihm Ding Liren nicht. Er hatte den besseren Läufer, dann war 43.Lxg6!??! eine brilliante Idee im Internet: wenn Ding Liren z.B. 43.-Kd7 bereits als Premove gespielt hätte, dann gewinnt Weiß. Hatte er nicht, also fand er den einzigen Zug 43.-fxg6 – Schwarz hatte weiterhin einen schlechten Läufer, Weiß hatte keinen mehr. Da Carlsen einen Bauern gewonnen hatte und da der schwarze Läufer nur ein „Großbauer“ war, war es materiell ausgeglichen – remis.

In der zweiten Partie zeigte Carlsen, dass er taktisch verwundbar ist: 31.-Kh7??? (nach 5 Minuten!) 32.Txf6! gxf6 33.De3 1-0 – nichts hilft mehr gegen Dxh6 nebst Dg7 matt. Nach eigener Aussage hatte Carlsen mit Dh5 gerechnet (wie die weisse Dame dieses Feld von d3 aus erreichen soll, hat er nicht verraten), aber nicht mit De3 oder auch Dd2.

In der dritten Partie stand Carlsen mit Weiß aus der Eröffnung heraus (wieder London-System) klar schlechter. Aber dann kombinierte der mitunter wie ein Messias verehrte Norweger Weihnachten und Ostern: gegnerische Geschenke und dadurch Wiederauferstehung. Zuerst erlaubte 20.-f6? eine Art weissen Königsangriff, der zuvor nur in Carlsens Fantasie existierte. Dann griff Ding Liren nochmals daneben, kurz vor Schluss bekam er noch eine Chance für fast Ausgleich (in der Partie) und nutzte sie nicht. Also Ausgleich im Match statt „schade Carlsen, alles ist vorbei“. Darauf ein Ave Carlsen Halleluja!

Die vierte Partie war turbulent: beide standen mal besser, beide verschmähten mal ein mögliches Remis durch Zugwiederholung, am Ende gewann Carlsen und stand im Finale.

Carlsen-Nakamura gab es ja bereits in der ersten Runde des Qualifikationsturniers, damals nach dem Motto: Carlsen triumphiert im risikofreien Ähm äh Schach, hat aber in dynamischen Partien das Nachsehen – bevor Nakamura im fälligen Armageddon mit Weiß erfolgreich auf Verlust spielte. Nun war es durchgehend ähm äh und dennoch knapp.

Erste Partie: Carlsen zieht im Endspiel endlos hin und her, bis der Gegner endlich einen Fehler macht – Vorteil Carlsen. Nakamuras Bauernopfer/einsteller war absolut unnötig, und direkt danach griff er nochmals daneben.

Zweite Partie: Carlsen landet aus der Eröffnung heraus freiwillig in einer passiven Stellung, das funktionierte auf Dauer nicht. Der entscheidende Fehler war laut Engines 36.-exf5 (36.-gxf5, nur so) aber das war nicht offensichtlich. Ausgleich im Match.

Dritte Partie: wieder ein Weißsieg im Endspiel, gut ganz ähm äh war es diesmal nicht. Aus der Eröffnung heraus tauschte Carlsen zwei Leichtfiguren gegen Turm und zwei Bauern. Das gab es bereits in einer Partie Wojtaszek-Andreikin – Wojtaszek der jedenfalls mal Anand sekundierte war nun Carlsen-Sekundant, Nakamura hatte seine Hausaufgaben offenbar nicht gemacht. Andreikin suchte und fand Gegenspiel im Mittelspiel (am Ende Dauerschach), Nakamura tauschte fleissig Figuren und landete in einem schlechten, später verlorenen Endspiel.

Vierte Partie: wieder wählte Carlsen einen zunächst passiven Aufbau, konnte sich allerdings mit 16.-c5 befreien – Remis schien sich bereits abzuzeichnen, und das würde ja reichen. Dann gab er einen Bauern – wohl in der Annahme, dass auch das Remis ist aber einige Zeit lang stand er jedenfalls verdächtig. Am Ende Remis, und Carlsen gewann so sein eigenes Turnier.

Was wurde ingesamt, auch in der Qualifikationsphase, geboten? Feinschmeckerkost war es eher nicht, die Spieler bekommen keinen Michelinstern. MacDonalds war es auch nicht, oder nur gelegentlich. Am ehesten deftige Hausmannskost wie auch in Münchner Biergärten – dazu passt, dass der im Münchner Ostpark nun wieder Speisen verkauft, unter Beachtung von Abstandsregeln: vorher 1,5m zum Nachbarn in der Warteschlange, hinterher 50m bevor man in z.B. eine Brezel beissen darf.

Wie geht es weiter? Carlsen hat bereits angekündigt, dass es weitere derartige Turniere geben wird, Details kann er noch nicht verraten. Nun ja, auch im Fernsehen gibt es Wiederholungen, derzeit ja auch von z.B. Fußballspielen aus der Zeit vor COVID-19. Und FIDE hat gerade die April-Eloliste nochmals veröffentlicht, nun ist es die Mailiste aber alle hatten zwischenzeitlich null (0) Partien. Zuerst ist aber die Konkurrenz von chess.com dran, dazu hat der Schachticker schon einen Vorbericht. Das weiß chess24 wohl nicht, chess.com kannte das Carlsen Invitational gar nicht. Schon am Dienstag sitzen einige Teilnehmer dieses Turniers wieder am Computer, vielleicht auch am Montag oder während ich das hier schreibe – sei es Vorbereitung, sei es freie Partien im Internet.