April 25, 2024

Eindrücke vom Bunratty-Chessfestival 2020

Erlebnisbericht von Sandra Schmidt

Rainer Knöchel – Sandra Schmidt

Wenn ich um ein Jahr zurückblicke, erinnere ich mich an einen ausgelassenen fröhlichen irischen Abend in Blumenthal. Zusammen mit anderen Folks lauschten wir mit heiterer Stimmung den Erzählungen von Rainer Knöchel vom SC Wittstock, dem Organisator des 8. „‘ran an den Turm“ in Blumenthal. Im Jahr 2019 flog er kurz entschlossen nach einem ausgiebigen Telefonat mit dem Schachfreund Uwe Walschus vom SV Motor Wolgast nach Bunratty. Voller Euphorie berichtete er uns von den schachlichen Erlebnissen und fesselte uns förmlich mit seiner Begeisterung. Ohne weiter unseren Terminkalender zu prüfen, wussten Uwe Schmilinsky und ich zu diesem Zeitpunkt, dass wir nächstes Jahr unbedingt bei diesem Spektakel dabei sein wollten.

Und so kam es auch. Vom 21.- 23. Februar fand das Bunratty Chessfestival zum 27. Mal (wenn ich jetzt richtig gezählt habe) statt. Ich (Sandra Schmidt vom SC Wittstock) freute mich bereits sehr auf ein Zusammentreffen mit GM Simon Williams aka Ginger GM. Seine schachlichen Lernvideos sind unglaublich unterhaltsam und humorvoll gehalten, sodass das Gelernte unvergessen bleibt. Weitere Idole wie GM Nigel Short und Vlastmil Hort waren ebenfalls hier anzutreffen. An dieser Stelle möchte ich kurz an die sehenswerte Partie von GM Nigel Short – GM Jan Timman von 1991 aufmerksam machen. Diese sorgte damals für viel Aufsehen, denn N. Short gewann auf eine sehr ungewöhnliche Weise.

Finale Blitzturnier

Auf einem nahezu vollen Brett marschiert der König los, um einen Mattangriff zu starten. So etwas hatte es zuvor noch nicht gegeben. Auch der 1944 geborene GM Vlastimil Hort wollte sich das Festival nicht entgehen lassen. Er stellte einst viele Rekorde auf, beispielsweise 1977 im Blindschach und 1985 spielte er ein Simultan gegen 636 Gegner. Eine weitere deutsche Größe IM Elisabeth Pähtz, seit vielen Jahren die Nr. 1 der deutschen Spielerinnen, ist ebenfalls angereist.

Die Anreise war zwar lang dafür aber aufregend und entspannend zugleich. Nach der Landung in Dublin mussten wir lediglich unsere zuvor gebuchten Mietwagen abholen. Eigentlich hatten wir zwei Wagen gebucht, durch kleinere Komplikationen mussten wir uns am Ende doch zu fünft einen Wagen teilen. Durch meine Auslandserfahrung in Australien bin ich an den Linksverkehr gewöhnt und wurde als Fahrerin auserkoren. Wir waren ja gut versichert und mein Versicherungsmakler saß ja für alle Fälle ebenfalls auf dem Beifahrersitz :-P. Gegen 22:00 Uhr erreichten wir unser Hotel und ich fühlte mich erschöpft von der Reise, sodass ich mich bereits auf mein Bett freute. Rainer war da ganz anderer Meinung, voller Euphorie und Feierstimmung zog er nochmal los, um sich an der Hotelbar mit den anderen Organisatoren zu treffen.

Sandra Schmidt - Simon Williams

Unsere Tagesplanung am nächsten Morgen führte uns quer durchs Land zu den Cliffs of Mohen. Es war unglaublich regnerisch und stürmisch, Irland von seiner authentischsten Seite. Es war sogar so stürmisch, dass wir schon über einen Abbruch nachdenken mussten. Wir nahmen die Ungemütlichkeit von Nässe und starken Böen in Kauf. Allein der Anblick wie Uwe Schmilinsky die Treppe förmlich runtergepustet wird und dabei mit seinem Regenmantel kämpft, der in alle Richtungen flog nur nicht mehr vor Regen schütze, war es wert.

Am Freitagabend wurden die ersten Partien angesetzt. Als nominell Stärkste in meiner Gruppe spielte ich am ersten Brett, welches auch live im Internet übertragen wurde. Meine sehr sympathische Gegnerin WCM Gearoidin Ui Laighleis schien sehr konzentriert und voller Siegeswillen. Niemand von uns beiden wollte sich blamieren. Mit etwas besserer Stellung ihrerseits, aber auch mit zunehmender Zeitnot bot sie mir ein Remis, welches ich dankend annahm. Uwe Schmilinsky konnte in der stärkeren Gruppe einen vollen Punkt erzielen und Rainer Knöchel patzte in der ersten Runde. Um den Abend nach irischer Manier abzuschließen, trafen wir uns an der Hotelbar wieder. Noch nahm ich das Turnier ernst, sowie ich es bei jedem anderen normalen Turnier auch tue. Aber Bunratty ist kein normales Turnier!

Das was Rainer schon lange wusste, sollte ich erst noch am nächsten Tag lernen. Die Großmeister und Idole, die auf mich immer einen unerreichbaren Eindruck machen standen auf einmal neben uns, ausgelassen mit einem Bier in der Hand. Dennoch, nach nur einem Getränk verabschiedete ich mich für den Abend. Am nächsten Tag standen drei weitere Partien an und ich wollte diese auch gewinnen. Mit zwei Siegen und einem weiteren Remis lief es auch weiterhin sehr gut und ein vorderer Platz auf dem Treppchen war nicht undenkbar. Aber wie bereits gesagt, Bunratty ist kein normales Turnier. Rainer nullte erneut drei Mal hintereinander und Uwe Schmilinsky freute sich über zwei Remis und einen Sieg bei nominell stärkeren Gegnern. Am Abend trafen wir uns wieder an der Hotelbar. Nach einem Guiness holte ein Schachfreund aus Greifswald ein Schachspiel und wir blitzten ein paar Runden runter. Nach einem weiteren Guiness wurden wir von einem älteren Herrn mit einem Glas Whisky in der Hand interessiert beobachtet, ganz unverfroren forderte ich ihn heraus.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es sich dabei um den englischen internationalen Meister Chris Baker handelt. Er zeigte mir schnell meine Grenzen auf, aber der Spaß blieb nicht auf der Strecke. Nach weiteren Blitz Partien und der Spielvariante Hand & Brain mit den irischen Organisatoren Ted & Brian und einem norwegischen Schachfreund, verkürzte sich die Nacht sehr schnell, sodass ich mich mit lediglich zwei Stunden Schlaf zufrieden stellen musste. Rainer bekam Spielfrei und hatte sich seinen ersten Punkt förmlich im Schlaf verdient. Die sechste Runde patzte er allerdings wieder gegen Uwe Walschus. Meine fünfte Partie hingegen verlor ich nach einem abgelehnten Remisangebot meines Gegners. Ich verstand endlich worum es wirklich geht. Es geht um simples Zusammensein, fröhliche Ausgelassenheit, Momente des Überdrehtseins, vorlaute und freche Bemerkungen, aber auch um Nähe und neue Bekanntschaften aus denen sich internationale Freundschaften mit gemeinsamen Interessen entwickeln können.

Ein weiterer persönlicher Höhepunkt war für mich das Zusammentreffen mit GM Simon Williams beim anstehenden Blitzturnier am Abend. Unser Brett war an der Stirnseite eines Tisches aufgebaut. Ich gönnte mir frecherweise einfach die weißen Figuren. Nach ungefähr 20 Zügen, hatte Simon mich so breit gespielt, dass er nun mehrere Mattkombinationen ausspielen hätte können und meine Dame stand auch im Spieß zu meinem König. Diverse weiße Figuren fehlten ebenfalls bereits. Mit Kommentaren wie „Irgendwas müsse doch aus der Stellung rauszuholen sein“ unterhielt er alle umstehenden Leute. Mir hat das Spiel sehr viel Freude bereitet und letztendlich habe ich ja „nur“ auf Zeit verloren ;-P. Für das 8. „‘ran an den Turm“ in Blumenthal hat er bereits zugesagt und wird als ein weiteres schachliches Highlight unser Turnier bereichern. Das nächste Chessfestival in BoozeBunratty findet erneut vom 19.-21. Februar statt. Wir sind vor Ort und wer mitkommen möchte, kann sich auch gerne mit uns zusammenschließen!

Bunratty Chess Festival – Elisabeth Paehtz auf dem 2. Platz

Turnierseite


When I look back a year, I remember an exuberant, happy Irish evening in Blumenthal. Together with other folks, we listened cheerfully to the stories of Rainer Knöchel (Chessclub SC Wittstock), the organizer of the 8th chess tournament “‘ ran an den Turm ”in Blumenthal. In 2019 he decided to fly to Bunratty after an extensive phone call with chess companion Uwe Walschus from the chess club SV Motor Wolgast. Full of euphoria, he told us about the chess experiences he made and literally captivated us with his enthusiasm. Without further checking our schedule, Uwe Schmilinsky and I (Sandra Schmidt – SC Wittstock) knew at the time that we absolutely wanted to be part of this spectacle next year. And so, it happened. From February 21st-23th, the Bunratty Chess Festival took place for the 27th time (if I counted correctly). I was really looking forward to meet GM Simon Williams aka Ginger GM. His chess learning videos are incredibly entertaining and humorous, so it is easy to apply what you have learned. Other idols such as GM Nigel Short and GM Vlastmil Hort were also to be found here. At this point I would like to briefly draw attention to the game by GM Nigel Short - GM Jan Timman from 1991 that is really worth to go through. Back then, it was a huge sensation because GM Nigel Short won in a very unusual way. The king marches on an almost full board to start a matt attack on his own. There has never been anything like this before. GM Vlastimil Hort, born in 1944, did not want to miss the festival either. He once set many records, for example in 1977 in blind chess and in 1985 he played simultaneously against 636 opponents. Another German star IM Elisabeth Pähtz, who has been the No. 1 German player for many years, has also arrived.

The journey was long but exciting and relaxing at the same time. After landing in Dublin, we only had to pick up our previously booked rental cars. We had actually booked two cars, but due to minor complications, five of us ended up sharing one car. Due to my experience abroad in Australia I am used to driving on the left and was chosen as a driver. We were well insured and my insurance broker was also sitting beside me in the passenger seat just in case :-P. We reached our hotel around 10 p.m. I felt exhausted from the trip, so I was already looking forward to my bed. Rainer had a completely different opinion, full of euphoria and party spirit, he went out again to meet the other organizers at the hotel bar.

Our daily schedule the next morning took us across the country to the Cliffs of Mohen. It was incredibly rainy and stormy, Ireland at its most authentic. It was so stormy that we had to think about to cancel our excursion. But we won’t melt, so we accepted the uncomfortability of wetness and strong gusts. Just the funny sight of Uwe Schmilinsky being blown down the stairs and fighting with his raincoat, which just flew in all directions, was worth it.

The first games were scheduled for Friday evening. As the nominally strongest in my group, I played on the first board, which was also broadcast live online. My very likeable opponent WCM Gearoidin Ui Laighleis seemed very concentrated and eager to win. Neither of us wanted to embarrass ourselves. With a slightly better position for her, but also with increasing time constraints, she offered me a draw, which I accepted thankfully. Uwe Schmilinsky scored a full point in the stronger group and Rainer Knöchel failed in the first round. To end the evening in the Irish manner, we met again at the hotel bar. I took the tournament seriously, as I do as well with every other normal tournament. But Bunratty is not a normal tournament! What Rainer had known for a long I didn’t understand until the next day. The grandmasters and idols, who always make an unattainable impression on me, suddenly stood next to us, boisterous with a beer in hand. Still, after just one drink, I said goodbye for the night. The next day three more games were to play and I wanted to win them too. With two wins and another draw, things continued to go very well and a front place on the podium was not inconceivable. But as I said, Bunratty is not a normal tournament. Rainer again zeroed three times in a row and Uwe Schmilinsky was happy about two draws and a win against nominally stronger opponents. In the evening we met again at the hotel bar. After a guinness, a chess friend from Greifswald brought a chess game and we flashed down a few rounds. After another Guiness we were watched with interest by a gentleman with a glass of whiskey on ice in his hand, I dared to challenge him. At that point, I didn't know he was the English International Master Chris Baker.

He quickly showed me my limits, but the fun didn't fall by the wayside. Personally I really hope to see him again playing at our upcoming tournament. After further blitz games and the variation Hand & Brain with the Irish organizers Ted & Brian and a Norwegian chess companion, the night shortened very quickly, so that I had to be satisfied with just two hours of sleep. Rainer got no play and had earned his first point in his sleep. The sixth round he failed again against Uwe Walschus. I lost my fifth game as well after my opponent's offer a draw which I rejected.

I finally understood what it was really about. It's simply about to get-together, happy exuberance, moments of over-the-top frenzy, cheeky and perky remarks, but also about closeness and new acquaintances to develop international friendships with common interests.

Another personal highlight for me was the meeting with GM Simon Williams at the upcoming blitz tournament in the evening. Our board was set up at the front of a table. I just cheekily treated myself with the white pieces. After about 20 moves, Simon had played me so wide that he could have played several mate combinations and my Queen was also pinned to my king. Various white pieces were already beside the board. He entertained all the people around with comments like "I think there is something in that position, maybe I should develop a piece”. I really enjoyed the game and in the end I lost "just" on time ;-P. He has already agreed for the 8th "ran to the tower" in Blumenthal and will enrich our tournament as another chess highlight. The next chess festival in BoozeBunratty will take place again from 19th to 21st February. We will be there and if you want to come along, join us!