April 30, 2024

Schach und Quanten: Die Wellenfunktion(en) eines Schachgedankens / Verschränkungsmatrix

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  • Moderne Bewusstseinsforschung und Quantenphysik

    „Um das Bewusstsein zu ergründen, müssen Sie letztlich Neuronen in Aktion untersuchen. Sie sind die Atome des Bewusstseins“ Prof. Christof Koch, Hirnforscher ( 2013, [www.zeit.de] .) 

    „The important thing about electrons and protons is not what they are but how they behave – how they move. I can describe the situation by comparing it to the game of chess. In chess, we have various chessmen, kings. knights, pawns and so on. If you ask what a chessman is, the answer would be that it is a piece of wood, or a piece of ivory, or perhaps just a sign written on paper, or anything whatever. It does not matter. Each chessman has a characteristic way of moving and this is all that matters about it. The whole game of chess follows from this way of moving the various chessmen.
    Nobelpreisträger Paul Dirac from
    the biography: The Strangest Man: The Hidden Life of Paul Dirac, Quantum Genius, G. Farmelo, 2009).

    „The plot thickens, when we view our brain’s moving particles as a quantum-mechanical system“ (Prof. Max Tegmark, New Scientist 12.4.2014, S. 31).


Bewusstsein & Unbewusstes

Eine umfassende Betrachtung und Diskussion von Bewusstsein und Unbewusstem kann heute nicht darauf verzichten auch Ausführungen der Quantentheorie zu berücksichtigen.

„Die wohl spekulativste Verbindung zwischen Biologie und Quantenmechanik betrifft das Bewusstsein. Ausgehend von Interpretationen der Quantenmechanik, wurde schon früh die Möglichkeit in Betracht gezogen, das Bewusstsein könne über den Messprozess einen Einfluss auf den Zustand der Materie haben.“ Neue Zürcher Zeitung [www.nzz.ch] (2010).

Wellenfunktion eines Schachgedankens

WAHRSCHEINLICHKEITSWELLEN (WELLENFUNKTION) BEIM DENKEN 

Weltmeister Emanuel Lasker bemerkte (Lehrbuch des Schachspiels 1925 / 1977, S. 97): „Die Kombination wird im Kopfe eines Schachfreundes geboren. Viele Gedanken kommen da zur Welt, richtige und falsche, starke und schwache…einer trägt den Sieg davon über die Rivalen und setzt sich in einen Zuge auf dem Schachbrett um.“ 

Ich versuche mit Schachfiguren, Schachzügen – sowie mit mentalen Prozessen in Gehirnen von Schachspielern Quanten und quantenmechanische Vorgänge darzustellen und zu verstehen – und damit evtl. verstehbarer zu machen. Zum Beispiel: Schachzüge als Wellenbewegungen in neuronalen Netzen von Schachspielergehirnen und als Partikel- / Materiebewegungen auf Schachbrett oder Bildschirm.

Quantion und Quantron 

Ich schlage das Konzept Quantion für die Verbindung von Quant und Information vor und das Konzept Quantron für die Verknüpfung von Quant und Neuron – insbesondere auch in neuronalen Netzen (Copyright dafür Dr. R. Munzert 2024). Möglicherweise ist es Quanten bzw. der Evolution gelungen Quantenprozesse, die nur unter extrem kalten Laborbedingungen realisierbar sind im warmen Menschengehirn ablaufen zu lassen!?

Gedanken und konkrete Handlungen im Schach quantenartig verwoben, geht das? Spielen wir mal! Kritik und Hinweise sind willkommen!

1. Annäherung: Die Wellenfunktion eines Schachgedankens – Zugmöglichkeiten überlagern sich im Gehirn des Schachspielers 

Zur „Wellenfunktion: Eine mathematische Funktion, die die Welleneigenschaft eines Systems oder eines Teilchens zum Ausdruck bringt. Die Wellenfunktion sagt alles aus, was in der Quantenmechanik über den Zustand eines physikalischen Systems oder Teilchens bekannt ist…“ (Kumar 2009, S. 469).

Heisenberg betont (1988, S. 283): „… die Wellenfunktion der Quantentheorie stellt das Mögliche und nicht das Faktische dar“. 

Bei der Zugwahl eines Schachspielers überlagern sich oft mehrere Gründe für und gegen einen Zug oder Plan. Ich fand es reizvoll für Auswahl und Ausführung eines Zuges die Quanten“bewegungen“ bzw. Wellenfunktionen aus der Quantenmechanik als Analogie heranzuziehen, was natürlich gar nicht so einfach ist. Die verschiedenen Zugmöglichkeiten eines Spielers / einer Schachfigur bei gegebener Position lassen sich vermutlich auch als Wahrscheinlichkeitswellen – Verschränkungsmatrix – darstellen.

Ich stelle mir das bildhaft vereinfacht so vor, wie es die Abbildung 4.9 auf Seite 131 in Greene, B. Das elegante Universum, 2000 – allgemein, ohne schachbezug -zeigt; copyright?

Analogie oder Fakt?

Die Frage ist, ob dies als allgemeine Analogie allenfalls nützlich ist oder sich tatsächlich im Gehirn, den neuronalen Netzen eines Menschen, real etwas Ähnliches abspielt. Wir werden dies noch ausführlich diskutieren.

Zusammenbruch der Wellenfunktion

Beim Ausführen des Zuges auf dem Brett oder schon bei der Entscheidung des Spielers für den Zug im Gehirn, bricht die Wellenfunktion der Möglichkeiten zusammen.

2. Annäherung an die Wellenfunktion eines Schachgedankens – Realität zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit

Ich habe das erkenntnisreiche Reclam-Büchlein Quantentheorie und Philosophie (Heisenberg 1979/2014) studiert und darin Die Geschichte der Quantentheorie gelesen. Ich fand dort diese einfach-brillante Beschreibung der Wahrscheinlichkeitswelle (Grundlage der Wellenfunktion): „Mit der Wahrscheinlichkeitswelle wurde ein völlig neuer Begriff in die theoretische Physik eingeführt… Sie bedeutete so etwas wie eine Tendenz zu einem bestimmten Geschehen… Sie führte eine merkwürdige Art von physikalischer Realität ein, die etwa in der Mitte zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit steht“ (Heisenberg 2014, S. 17-18). 

Das passt doch genau auf Schach! Auf die mentale (Zwischen-)Realität im Kopf eines nachdenkenden Schachspielers während der Partie. „Tendenz zu einem bestimmten Geschehen…“ und „Realität, die etwa in der Mitte zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit steht“. 

Zur Wahrscheinlichkeitsfunktion schreibt Heisenberg (im Beitrag: Die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, ebenfalls im Reclam-Büchlein, 2014, S. 44-45, vgl. auch S. 50-51): „Sie stellt etwa eine Tendenz zu Vorgängen, die Möglichkeit für Vorgänge oder unsere Kenntnis von Vorgängen dar.“

Gedankenexperimente plus konkrete Studien sind möglich!

Der Nobelpreisträger gibt auch Hinweise für „die theoretische Deutung eines Experiments“ (2014, S. 45) und regt an, wie Gedankenexperimente zur Wahrscheinlichkeitsfunktion in drei Schritten erfolgen könnten (S. 45-47 und 53-56). Meines Erachtens bieten auch das Schach und seine Spieler gut geeignete Möglichkeiten, um dazu wertvolle Beiträge zu leisten. Wobei die Gedankenexperimente bzw. empirische Studien sogar mit möglichen und tatsächlichen Vorgängen auf dem Schachbrett bzw. in Gehirnen von Schachspielern und deren introspektiven Ausführungen (z.B. über Bewusstseinslagen und determinierende Tendenzen) angereichert werden könnten. Informationen für Wahrscheinlichkeitswellen bzw. Wahrscheinlichkeitsfunktionen können hinsichtlich der möglichen Weiterentwicklung von Positionen aus Schachdatenbanken entnommen werden. 

3. Annäherung an die Wellenfunktion(en) eines Schachgedankens – Emergentlement und determinierende Tendenz, Verschränkungsmatrix

Emergentlement und determinierende Tendenz

Entanglement = Verschränkung

Verschränkung und Emergenz

Entanglement & Emergence

Verschränkung & Emergenz = Emergentlement  (Munzert 2013-2015)

Rückblick

Begriff und Konzept Emergentlement hatte ich bereits bei meiner ersten Beitragsserie 2013 – 2015 über Schach und Quantenphysik so eingeführt:

„Quanten als ProStructures (Produkt aus Prozess- und Strukturverschmelzung)

Wenn ich lange genug nachdenke, notfalls ein paar Jahre (mit Pausen versteht sich), erlösen mich meine genervten Neuronennetze und flüstern mir einen Vorschlag zu: Produkt aus Prozess- und Strukturverschmelzung! ProStructures!… Bei uns hast du es doch auch begriffen. Stell dir Quanten eher als Prozesse vor und weniger als Struktur! (Bei neuronalen Netzen ist das Verhältnis in meiner Hinsicht ca. 2/3 Struktur und 1/3 Prozesse und Veränderung, bei Quanten ca. 2/3 Prozesse und 1/3 Struktur).

Emergentlement ?
Und schon suche ich nach Übereinstimmungen zwischen Menschen, Hirnen und Quanten: Ganzheitliches Systemgeschehen, interaktives Zusammenwirken, chaotische Ordnung, emergente Systemeigenschaften. Emergenz bei Quanten? Klar durch Quantenverschränkung (entanglement) bildet sich ein verschränktes System mit emergenten (neu entstehenden) Eigenschaften; könnte man eigentlich Emergentlement nennen! 🙂 Und das geht doch auch bei grösseren Objekten und Lebewesen, oder? Bei einer Kombination von Schachfiguren und Schachspielern geht immer viel.“ Einschubende.

Neuronale Verschränkungen und Transformationen

Daraus kann sich z.B. eine determinierende Tendenz ergeben, Gedanken, Bewusstseinslagen, Info-Partikel / Quantionen, Wissen(sfragmente), Kombinationen, Pläne, Taktiken und Strategien. Auch abhängig von Umfang und Vernetzung der beteiligten Neuroquanten? oder Quantronen? und resultierenden Neuronennetze plus Glia- bzw. Helferzellen durch Quantenverschränkung und Überlagerung.

Und damit kann auch eine Verwandlung von Energie in Informationen stattfinden, zudem eine Umwandlung von Information in Materie (ProStructures) sowie ein Übergang von unbewusster Informationsverarbeitung zu bewusster! 

DETERMINIERENDE TENDENZEN, FÜHRUNGSWELLEN UND NEURONALE NETZE

Bewusstseinslagen und der Verlauf des Denkens

Exkurs nach Würzburg zur vorletzten Jahrhundertwende. Um 1900 als Röntgen jene Strahlung entdeckte, Heisenberg dort geboren wurde – und für uns relevant, eine fast vergessene Gruppe von Psychologen und Philosophen an der Universität höhere Denk- und Willensprozesse mit systematischer experimenteller Selbstbeobachtung erforschte.

Würzburger Schule

Sie entdeckten und beschrieben Bewusstseinslagen der Überlegung, des Verstehens, der Überraschung, des Zweifelns, der Ratlosigkeit, der Verwirrung – bekanntlich kommen diese auch beim Schachspielen vor. Ausserdem erforschten sie Denkverläufe und (unbewusstes) zielgerichtetes Denken (ausführlich dargestellt in Munzert 1984).

Determinierende Tendenz

Meines Erachtens kann man lohnend versuchen, ein Ergebnis und Konzept der Würzburger Schule, die „determinierende Tendenz“ auch auf  Schach und manche Quantenprozesse zu übertragen. Ausserdem behaupte ich, dass der Gebrauch der alt-ehrwürdigen Methode der Selbstbeobachtung hoch aktuell ist und für Quantenuntersuchungen an freiwilligen Denkern und Schachspielern gewinnbringend verwendet werden kann.


An der Universität Würzburg wurden höhere geistige Prozesse des Denkens und Wollens untersucht und die Methode der Selbstbeobachtung erweitert und verfeinert. Neben der Frage, was im Bewusstsein erscheint, wenn wir denken, wurde der Verlauf des Denkens selbst und dessen Zielgerichtetheit zum Gegenstand der Würzburger Forschungen. Diese zeigten, dass zur Beantwortung vieler Fragen oder zur Lösung von Problemen ein Denken mittels Assoziationen (fester Gedankenverbindungen) nicht ausreicht. Vielmehr wird der bewusste Gedankenverlauf durch die Erfordernisse der Aufgaben oder eines Problems und durch sie hervorgerufene (teils unbewusste) Kräfte gesteuert. Diese Kräfte wurden von Narziss Ach als „determinierende Tendenzen“ bezeichnet.

Humphrey beschreibt die Funktion der determinierenden Tendenz auf folgende Weise: Wie ein Schäferhund eine Schafherde in die angestrebte Richtung scheucht, so werden die Gedanken durch diese Tendenz gezügelt und gelenkt (1951, S. 159).


Determinierende Tendenzen beim Schach

Beim Überlegen der Schachspieler während der Partie sind wohl auch determinierende Tendenzen am Werk. Schach haben die Würzburger leider nicht untersucht, aber das geht beim unsterblichen Spiel auch noch ein Jahrhundert später. Hier bietet es sich nebenbei an, verschiedene Interpretationen der Quantenphysik an Hand von Schach durchzuspielen!

De Broglies Führungswelle und Bohms konzeptionelle Weiterentwicklung

Die Sichtweise von David Bohm (nicht zu verwechseln mit Bohr oder Born) stellte eine deterministische Alternative zur Kopenhagener Interpretation auf, bei der er eine Führungswelle, welche die Quanten lenkt, vorgeschlagen hat. „Während die Wellenfunktion in der Quantenmechanik eine abstrakte Wahrscheinlichkeitswelle ist, ist die Führungswelle eine konkrete Welle, die Teilchen leitet. Wie eine Meereswelle, die einen Schwimmer oder ein Schiff dahinträgt, ruft die Führungswelle eine Strömung hervor, die für die Bewegung eines Teilchens verantwortlich ist“ (Kumar 2009, S. 402, dort auch de Broglies Führungswellenmodell).

Meine Idee: Determinierende Tendenz und Führungswelle übertragen auf Gehirn & neuronale Netze! Zielgerichtetes Denken / Informationsverarbreitung TROTZ Quantenzufall und Quanten-Schmetterlingseffekt,  plus Verschränkungsmatrix in neuronalen Netzen

 https://www.chess-international.com/?p=76973

Zum Beispiel: Suche nach einer Mattkombination oder bei Problemlage: wie kann ich den Turm retten…

Determinierende neuronale [Quanten] Tendenz (DNQ)

Neuronenverschränkung im Gehirn durch Quantenprozesse…

Ich bin mir sicher, dass es bald  so etwas wie  Neuro-Quantenphysik geben wird und dass dabei Schach eine wichtige Rolle spielt. Was ich auch in mehreren Beiträgen ausgeführt habe. Neben der Funktion, die Quanten in jeglicher bekannten Materie inne haben, wird die Bedeutung von zufälligen und absichtlich kognitiv-ausgelösten Quantenprozessen diskutiert. Ich bringe dazu weitgehend neue Überlegungen ins Spiel – auch an Schachgedanken von Spielern aufgezeigt: Prozess- und Strukturverschmelzung im Gehirn, Quantenprozesse in neuronalen Netzen Emergentlement, den Quanten-Schmetterlingseffekt, das psychische Betriebssystem und determinierende Tendenzen im Gehirn und beim Schachspielen.

Ich arbeite zudem an Konzepten bei denen determinierende neuronale (Quanten)Tendenzen im Neuro-Computing und bei möglichen zukünftigen Neuro-Quantencomputern wesentlich sind. 

Eine determinierende neuronale (Quanten)Tendenz kann auch als Mit- und Gegenspieler bei Vorgängen des Quanten-Schmetterlingseffekts und der Quanten-Lawine eine Rolle spielen.


Kritik, Hinweise und Zusammenarbeit sind willkommen!

Dr. Reinhard Munzert, 2024

Copyright Dr. R. Munzert, 2024