April 27, 2024

Uwe Ritter hört auf

Hallo Franz,
 
wie Du weißt, schreibe ich seit fast 5 Jahren eine Kolumne. Ich weilte im Urlaub, als Du mich mit dieser Idee, dein persönlicher Wunsch, konfrontiert hast. Mein Fazit ist, trotz anfänglicher Skepsis konnte ich mich hiermit anfreunden und erstaunliches Bewirken.
 
Bereits nach 4 erschienen Artikeln, waren die damaligen Organisatoren sowie die Schiedsrichter der DSAM von Anfang an Feuer und Flamme bezüglich dieser Idee. Relativ schnell kannten mich viele Schachspieler und ich nur wenige. Bereit nach einem halben Jahr meldete sich der Schachtherapeut Manfred Herbold bei mir und wollte ein Buch mit mir darüber schreiben, ein Ansinnen, dass ich aus naheliegenden Gründen abgelehnt habe. Ferner habe ich erfahren, dass selbst Großmeister meine Kolumne hin und wieder gerne lesen.
 
Historisch habe ich sehr viel dazu gelernt, konnte Fakten recherchieren, die ich trotz meiner hohen Schachintensität bis dahin noch nie erfahren hatte. Hin und wieder erreichten mich Zuschriften mit Anregungen, die ich zum Teil auch umgesetzt habe. Heute bin ich Besitz von Kasparows Standwerk der Schachgeschichte, ein Werk welches ich zuvor als wenig hilfreich für Amateure eingestuft hatte. Die Anzahl der Biographien ist in meinen Regalen gestiegen, Werke, die ich mittlerweile nicht mehr missen möchte.
 
Chessbase und Fritz waren und sind für die Analyse sehr hilfreiche Instrumente gewesen. Ohne diese Software-Produkte wäre die Qualität meiner Analysen nicht sehr hoch gewesen. Ich habe gelernt, dass viele Kommentare aus der Vergangenheit nicht das Papier wert waren, auf dem diese gedruckt wurden und dass die Beurteilung bekannter historischer Partien zum Teil angepasst werden muss. Die heutigen Software-Produkte sind derart versiert, dass selbst hoch gelobte Analysen von Kasparow oder Botwinnik das Papier nicht mehr wert sind. 
 
Ich erinnere mich lebhaft daran, dass in der von mir gezeigten Partie Uhlmann gegen Botwinnik, eine Remis-Wendung angezeigt wurde, die ein Mensch am Brett nie finden würde, sowie das der Computer-Guru Kasparow eine dynamische Wendung mit Bauernrückgabe bei einer Botwinnik-Partie im Turmendspiel nicht gefunden hat, was einen viel schnelleren Gewinn ermöglicht hätte. Nun die Geschichten ließen sich beliebig verlängern. 
 
Leider ist es mir aus beruflichen Gründen, wiederholte Reisetätigkeit sowie höhere Nachfrage meiner Dienstleistung, nicht möglich die Tätigkeit fortzuführen. Erschwert wird dies zunehmend durch den schlechten Gesundheitszustand meiner Eltern, die mich immer mehr in die Pflicht nehmen. Beide befinden sich im gleichen Alter wie Du.
 
Nun die Umstände legen mir schon seit geraumer Zeit nahe, die Tätigkeit zu beenden, da ich beruflich und privat mehr als ausgelastet bin und gemessen an meinen Ansprüchen, nicht mehr alles zufriedenstellend erledigen kann. So spiele ich zurzeit viel Schach, aber trainieren, hierzu habe ich eigentlich keine Zeit mehr, dies kann man auch an den Turnierresultaten der letzten 6 Monate erkennen. Ich befass mich mehr mit den historischen Eröffnungen und weniger mit den aktuellen Trends. Dadurch verbrauche ich viel Zeit, kann vielleicht 25 Züge auch gegen stärkere Spieler mithalten, muss dann aber dem hohen Zeitverbrauch Tribut zollen.
 
Aus diesem Grunde erhältst Du gleich, nach dieser Mail,  die 230. und damit letzte Kolumne von mir. ich verdanke Dir eine schöne Zeit im Umgang mit den historischen Partien, einen viel höheren Bekanntheitsgrad, den ich mir so nicht hätte vorstellen können, ja selbst im Berufsleben habe ich als Interimer immer wieder erfahren, dass Kollegen aus der Buchhaltung, die zum Teil nicht einmal Schach im Verein spielen, meine Kolumne kannten.
 
In Anlehnung an einen Artikel eines nicht mehr tätigen, aber bekannten Funktionärs, der vor einiger Zeit nicht nur den Schachfreund Negele, sondern auch mich im gleichen Atemzug, wenn auch im geringeren Umfang, würdigte, halte ich hier fest, ich bedanke mich für diese Tätigkeit und Gelegenheit und füge gerne hinzu
 
ich verbeuge mich vor deiner Lebensleistung als ehrenamtlicher Schachjournalist und kann dir nur eines sagen
 
Danke, Danke, Danke, Danke, Danke…
 
mein lieber Franz
 
Bleib gesund!
 

Lieber Uwe!
 
Ich muss mich bedanken. Deine Beiträge kamen wie ein Uhrwerk. Immer pünktlich, ohne auszusetzen. Dir wünsche ich ein frohes und erfolgreiches Jahr 2022 und bleib vor allem gesund. 

Bis bald lieber Uwe und nochmals Danke.