April 23, 2024

Das Damengambit – Eine Rezension von Ulrich Sperber

Als im Dezember letzten Jahres das erste Buch vom GM Michael Prusikin erschienen war, schrieb ich in meiner Rezension, dass es hoffentlich nicht einer neuerlichen Pandemie bedürfe, ehe ein weiteres Werk dieses Autors erscheinen würde.

Dies wurde nicht notwendig, da Prusikin sofort sein neues Buchprojekt begann, das mir nun vorliegt. Mit „Das Damengambit“ wurde sicherlich bewusst ein Titel gewählt, der derzeit durch die erfolgreiche Netflix-Serie weltweit in aller Munde ist.

Dieses Buch ist – wie Prusikins Erstlingswerk „Feuer frei!“ – ein Buch speziell für Vereinsspieler, also für Spieler mit einer Wertungszahl zwischen etwa 1500 und 2300. An Anfänger sowie Schachprofis ist dieses Buch daher absichtlich nicht gerichtet.

Obwohl der Untertitel des Buches auf ein reines Repertoirebuch für Schwarz schließen ließe, ist es wesentlich mehr als das. Das eigentliche Schwarzrepertoire inklusive der genauen Varianten und Ideen stellt nur einen, nämlich den zweiten Teil dieses Buches dar. Der erste Teil erläutert ganz allgemein und sehr verständlich die Grundideen der verschiedenen Bauernstrukturen, die sich aus schwarzer Sicht aus den entsprechenden Eröffnungen ergeben können. Hier werden strategische Motive wie entgegengesetzte Rochaden, Minoritätsangriff, Isolani, hängende Bauern, Bauernmajoritäten sowie das Motiv der offenen Linien besprochen. Dies ist meiner Ansicht nach auch der wichtigere und spannendere Teil des Buches, veranschaulicht er doch grundsätzliche Ideen und Strategien, die für das Verständnis der verschiedenen Stellungen wesentlich wichtiger sind als die exakte Abfolge der Theoriezüge. Besonders wichtige Aspekte sowie schwarze Schlüsselzüge werden als Merkregeln in einem grauen Kasten markiert extra hervorgehoben. Zudem ist dieses Kapitel für alle Schachspieler geeignet, auch für jene, denen das Repertoire im zweiten Teil des Buches nicht zusagt, weil sie etwa grundsätzlich einen anderen Aufbau wählen und ihr Repertoire nicht oder nicht mehr umstellen wollen.

Im zweiten Teil des Buches wird die eigentliche Theorie besprochen, die der Autor seinen Lesern empfiehlt. In diesem Teil fällt positiv auf, dass nicht nur die empfohlenen Züge notiert und Varianten angegeben werden, sondern diese auch in Worten ausführlich begründet und die damit verbundenen Ideen sauber herausgearbeitet werden. Es ist also definitiv kein Buch, das nur zum Auswendiglernen von Varianten geschrieben wurde – ganz im Gegenteil.

Es werden sämtliche Eröffnungen besprochen, welche nicht mit 1. e2-e4 begonnen werden, also neben dem titelgebenden Damengambit u. a. auch das Londoner System, die Katalanische Eröffnung oder Königsindisch. Auch auf Exoten wie Grobs oder Orang-Utan wird eingegangen. Letzteres hätte meines Erachtens nicht unbedingt sein müssen, da diese meist wenig ausführlich und ohne die in den Hauptvarianten so nützlichen Ausführungen bezüglich der Pläne und Ideen umgesetzt und wohl nur der Vollständigkeit halber noch hinzugefügt wurden.

Positiv finde ich, dass die Varianten am Ende des Buches noch einmal übersichtlich aufgelistet wurden, was den Freunden des Auswendiglernens von Varianten genauso hilft wie denen, die bestimmte Varianten nachschlagen wollen.

In beiden Teilen des Buches wurde nahezu ausschließlich mit echten Partiebeispielen gearbeitet, was die angenehme Praxisnähe des Buches zeigt. Leider fehlt ein Verzeichnis der im Buch verwendeten Partien.

Am Ende des Buches gibt es einen Abschlusstest mit 36 Aufgaben. Positiv finde ich, dass die Aufgaben weder thematisch noch von der Schwierigkeit her sortiert sind. Dies entspricht der Praxis und macht das Lösen besonders interessant. Praktisch ist, dass bei den Lösungen die Diagramme erneut abgedruckt sind, sodass ein nerviges Hin- und Herblättern entfällt.
Ich persönlich hätte mir bei einem Buch aus der Sicht des Schwarzspielers gewünscht, dass auch sämtliche Diagramme aus der Sicht des Schwarzen gedruckt werden, aber das ist sicherlich Geschmackssache.

Insgesamt liegt hier ein Werk vor, das ich jedem Vereinsspieler nur wärmstens empfehlen kann. Ich freue mich bereits jetzt auf ein weiteres Buch dieses Autors.

Ulrich Sperber, Gauting, Mai 2021

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