Dr. Anita Stangl
Liebe Schachfreunde und Freundinnen,
ich finde es ganz großartig, dass es jetzt einen Frauen-Newsletter vom DSB gibt! Daher bin ich gerne bereit, mit einem kleinen Text die Aktion zu unterstützen. Eigentlich hatte mich Olga gebeten, etwas zum Abschied von meinem Ex-Mann Großmeister Markus Stangl zu schreiben: https://www.chess-international.com/?p=29279 Ich kann nur sagen, wir alle vermissen ihn ganz fürchterlich, aber ich bin sicher, er passt weiterhin auf uns auf und wird uns auch in Zukunft über die Schulter schauen, wenn unsere Söhne oder ich am Schachbrett spielen. Daher immer gut aufgepasst gegen die Stangls ☺
Viel lieber würde ich ein Plädoyer für die Kunst des Schachspielens vortragen. Was für ein großer Gewinn ist es für jedes Kind ob Mädchen oder Junge, das königliche Spiel zu lernen. Schach ist nicht nur das schönste aller Spiele, sondern bewegt sich an der Grenze zur Kunst und zur Wissenschaft. Mit dieser Behauptung stehe ich nicht allein, jeder begeisterte Schachspieler, jede Schachspielerin wird mir sofort zustimmen.
Ist es daher nicht nur wünschenswert, sondern sogar notwendig, dass Schach schon in frühen Jahren von Kindern erlernt wird? Nicht nur das strategische Denken, das vorausschauende Planen (das war übrigens eine echte Spezialität von Markus, weil sein Lieblingstrainer Mark Dvoretsky immer das prophylaktische Denken gelehrt hat) sondern auch das Kennenlernen von ganz vielen
unterschiedlichsten Menschen aus allen Nationen weltweit ist ein so großer Benefit. Wer Schach spielt, hat eine große Familie. Egal auf welchem Kontinent, überall kann man einen
Schachklub besuchen und wird herzlich willkommen geheißen. Selbst wenn man sprachlich vielleicht nicht perfekt zurechtkommt, die Regeln des Schachspiels sind überall gleich, man
spricht eine gemeinsame Sprache. Ich erinnere mich noch heute genau, wie wir mit der großartigen Aktion „Chess for Africa“ Kindern in Südafrika mit den einfachsten Mitteln Schach beigebracht haben und eine unglaubliche Begeisterung hervorgerufen haben:
Nun im Detail zu den Vorzügen des Schachspiels:
Schach ist eine anerkannte Sportart. Folgende 16 Voraussetzungen sind in Deutschland zur Erfüllung des Begriffs Sport aufgeführt:
- Leistungsprinzip
- Regelgebundenheit
- Wettkampfform
- Organisationsstruktur
- Internationalität
- Körperliche Belastbarkeit
- Zeitlimit
- Wechselbeziehung zwischen Körperlichem und Geistigem
- Überwachung durch Schiedsrichter
- Gleichheit der Voraussetzungen
- Konkurrenzcharakter
- Zugänglichkeit für alle
- Vorbereitung durch Training
- Spielcharakter
- Kondition
- Ringen um das Ergebnis
Schach erfüllt alle genannten Punkte. Zweifler werfen immer wieder den Punkt „körperliche Belastbarkeit“ als nicht erfüllt ins Spiel. Es werden zwar keine speziellen Muskeln direkt bewegt, aber die geistige höchste Konzentration verlangt dem Körper viel Belastung ab. Nach einer sechsstündigen Partie habe ich im Schnitt 1 kg Gewichtsverlust. Belastungstest zeigen, dass Schachspieler/innen genauso viel Energie verbrauchen wie z.B. Leichtathleten.
Aber Schach ist nicht nur Sport, Schach ist etwas Besonderes. Schach hat auch einen starken Anteil an künstlerischen (Schönheit der Kombinationen) und an wissenschaftlichen (Schlussfolgerungen, präzise Analysen) Elementen. Das im allgemeinen Sport viele positive Element der Erziehung enthalten sind, ist einleuchtend. Schach unterstützt jedoch noch wesentlich mehr Erziehungswerte:
- Gutes Gruppenverhalten
- Körperliche Ertüchtigung
- Stärkung des Selbstvertrauens
- Einhaltung von Regeln
- Förderung des sportlichen Geistes, Fairness
- Eingeständnis der Niederlage und Umgang damit
- Persönlichkeitsbildung
- Schulung des Vorstellungsvermögens
- Konzentrationsfähigkeit
- Herausforderung der eigenen Kreativität
- Eigenverantwortung
- Zeiteinteilung
- Vorausplanung (einen Plan fassen, ausführen, Konsequenzen tragen)
- Wettbewerbsaspekt
- Leistungsvergleich auf spielerische Art…
Daher empfehle ich jedem Kind, am besten unter 10 Jahren das Schachspielen zu erlernen. Besonderes freuen würde ich mich natürlich, wenn wir mehr Mädchen für den Schachsport gewinnen könnten. Vielleicht hilft ja dieser Artikel Eltern, Omas und Opas, Trainer und Trainerinnen, Vereinen, den Fokus noch mehr auf Kinder insbesondere Mädchen zu legen ☺ Dafür hätte es sich dann schon gelohnt diese Zeilen zu schreiben. Übrigens zitiere ich relativ viel aus meiner 2. Staatsexamensarbeit „Grundzüge des Schachspiels“ und deren Erprobung in drei parallelen Gruppen eines ersten Schuljahres im Hinblick auf die Optimierung der Methoden von 1993 ☺.
Abschließen möchte ich mit meinem Lieblingszitat von Siegbert Tarrasch:
„Das Schachspiel hat wie die Liebe, die Musik, die Fähigkeit, den Menschen glücklich zu machen. Ich habe ein leises Gefühl des Bedauerns für jeden, der das Schachspiel nicht kennt, so wie ich jeden bedaure, der die Liebe nicht kennt.“
Newsletter der Frauen:
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