Oktober 11, 2024

Opera Euro Rapid Vorrunde – komische Oper im Internet

Wieder ist es soweit: das Feld eines Schnellturniers im Internet wird nach drei Tagen halbiert. Im Vergleich zum Turnier zuvor, bei dem sich 8 von 12 für die KO-Runde qualifizierten, war es teils dramatischer. Erst ab einem gewissen Zeitpunkt begann bei einigen die Remiserei: ein Spieler begann damit allerdings schon in Runde 3 von 15 und sollte recht behalten, zwei andere Spieler (vorläufig nenne ich sie NN) hatten am Ende ein Remis zu wenig.

Wir sind zurück in der „neuen Normalität“. Tata Steel Chess 2021 ist Geschichte, da hatten einige – ich nicht! – vielleicht Dinge vermisst, die im Internet dazu gehören: mouse slips, grobe Fehler, Spieler die unfreiwillig Nachtschichten einlegen müssen. Immerhin diesmal keine Verbindungsprobleme, nur mitunter ein „brain disconnect“. Am konsequentesten umgesetzt hat das vielleicht Grischuk, aber da er Platz 14 belegte sind in der Kategorie „Spieler für Spieler“ andere vor ihm dran. Der grösste Unterschied in der Abschlusstabelle zwischen Dubov (7.5/15) und Nakamura (7.5/15). Legen wir los:

Magnus Carlsen – Es begann zwar nicht nach Wunsch, aber insgesamt verlief der erste Tag nach Wunsch und das reichte praktisch schon. Ganz zu Beginn blieb ihm ein Najdorf-Debakel wie in Wijk aan Zee gegen Esipenko erspart: So spielte 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+ usw. . Eine Niederlage blieb ihm nicht erspart, aber der Rest des ersten Tages verlief wie gesagt nach Wunsch. Auch mit Weiß hat er zweimal gewonnen, aber ich bespreche nur kurz seine Schwarzsiege. Bluebaum wollte mit Weiß Carlsens „Ähm äh ich mach nichts“ – Ansatz kopieren, aber nur beim Norweger endet das mit „mach Du doch einen Fehler“. Er hat eben viel mehr Erfahrung mit dieser Art, Schach zu spielen. 17.Tc2? war die falsche Art, nichts zu tun, und ab hier hatte Carlsen Oberwasser.

Dann die letzte Partie des ersten Tages aus der Rubrik DD – steht hier nicht für einen Verein aus Den Haag, vielleicht für „Dummkopf Dominguez“ aber vor allem für „Doppeldusel“. Vielleicht schon mit der Eröffnungswahl (sizilianischer Drachen), auf jeden Fall mit 27.-Kh6 wurde Carlsen kreativ, beim Norweger so eine Sache: Nach dem ohrenbetäubend stillen 28.Td4! hätte er wohl wenig später ermattet aufgeben müssen, direkte Schachgebote brachten Weiß dagegen nichts bzw. ein verlorenes Endspiel. Dieses Endspiel – später Läuferendspiel – hat „Endspielgott“ Carlsen dann eigentlich zum Tablebase-Remis vergeigt, aber Dominguez war nicht einverstanden. 

Was kam danach noch? Nur zwei Gegner machten die Fehler, die Carlsen braucht. Auf seinen alten Bekannten Nakamura konnte er sich diesbezüglich verlassen, und Vidit versuchte zweimal, ein Remisendspiel zu verlieren. Der zweite Versuch klappte, zuvor stand der Inder einen kurzen Moment lang auch klar besser bis gewonnen. Gegen Ding Liren funktionierte Carlsen-Kreativität gar nicht, aber diese zweite Niederlage im Turnier konnte er sich leisten. Eventuell auch noch eine dritte direkt danach gegen Dubov – da war Turm und Bauer gegen Läuferpaar und Bauer zweimal nicht mehr in der Remisbreite. Das erste Mal fand Dubov vier richtige Züge, aber dann nicht den fünften, das zweite Mal war seine Chance direkt wieder dahin. Für Dubov hatte es am Ende keine Konsequenzen.

Anish Giri – Auch wenn Carlsen offiziell Turniersieger ist, hinterließ Giri den besseren Eindruck. Fünf überzeugende Siege (einer weniger als Carlsen, aber bei ihm war es teils nicht so überzeugend), nur eine Niederlage – siehe weiter unten bei Nakamura. Etwas unfair, dass ich dazu weniger schreibe als zu Carlsens Dusel, aber qualitativ hochwertiges Schach ist nicht unbedingt Sinn der Sache im Internet.

In der letzten Runde konnte Giri gegen Duda ein Endspiel gewinnen, das Livekommentator Leko bereits als Remis abgehakt hatte – bei Carlsen hätte er da wohl „jetzt geht’s los“ gesagt. Im 26. Zug musste Giri dafür Türme abtauschen und ins Springerendspiel abwickeln. Das hätte aber nur die Paarungen des Viertelfinales beeinflusst, auch mit einem halben Punkt weniger wäre Duda noch in der KO-Phase.

Wesley So musste für seine Verhältnisse ungewöhnlich viele Partien gewinnen, da er auch zweimal das Nachsehen hatte. So konnte er erst ab Runde 9 durchremisieren. Der überzeugendste Sieg gleich am Anfang gegen einen gewissen Magnus Carlsen, die anderen: gegen Dubov stand er zuvor auf Verlust, Bluebaum strandete in Sichtweite des Remishafens, Shankland halluzinierte, Duda machte im Endspiel einen mouse slip. Die Niederlagen gegen Vachier-Lagrave und Dominguez (trotz dessen Schlafwagen-Variante 5.Te1 gegen die Berliner Mauer) waren dagegen glatt.

Levon Aronian am Ende mit mehr Licht als Schatten, aus -1 nach sechs Runden wurde +2 nach fünfzehn. Er spielte mitunter spekulativ – mal funktionierte es und mal nicht. Zweimal auch ein frühes Endspiel – gegen Carlsen keine gute Idee, gegen Nepomniachtchi brachte das den vollen Punkt, und das hatte letztendlich Konsequenzen für den Gegner. Ebenfalls keine gute Idee war 1.e4 gegen Bluebaum, siehe (recht weit) unten.

Anfangs konnte man vermuten, dass er durch Verhandlungen mit Rex $inquefield über $$$$$ vielleicht abgelenkt war. Ob sein Verbandswechsel zustande kommt wird sich irgendwann zeigen. 

Maxime Vachier-Lagrave – insgesamt ein gutes Turnier für den Franzosen – bisher, die KO-Phase kommt ja noch. Zu Beginn übte er Turmendspiele. Das gegen Dubov musste er zweimal gewinnen, das gegen So nur einmal. Später noch ein Endspielsieg gegen Dominguez, und ein Sieg im Mittelspiel gegen Ding Liren. Da zeigte er, was die beste Methode gegen „seinen“ Najdorf-Sizilianer ist: 6.Tg1!!, jedenfalls im Schnellschach gegen einen Spieler, der sein strukturelles Handicap (siehe ganz unten) nicht kompensieren konnte.

Im Soll blieb er gegen die – neben So – direkten Konkurrenten Aronian und Giri. Gegen Aronian auch im Endspiel, nachdem er zuvor im sizilianischen Mittelspiel mehr als prima stand. Und Giri war eben, auch in dieser Partie, gut drauf. Statt Najdorf spielte MVL mit Schwarz die Richter-Rauzer Variante, ich bin nicht beteiligt: nicht mit Kurt verwandt, und kein direkter Kontakt mit dem Franzosen.

Das waren die Spieler, die sich recht sicher qualifizierten, bzw. noch einer schaffte es aber seine Strategie war durchaus riskant. Erst ein Wackelkandidat:

JK Duda – Ende gut, alles gut für den Polen: 2.5/3 in den letzten drei Runden reichte, 2/3 (die letzte Partie gegen Giri hatten wir bereits) hätte auch gereicht. Zuvor Höhen und Tiefen: Gleich zu Anfang wurde gegen Nepomniachtchi am Ende innerhalb weniger Züge aus einer Gewinn- eine Verluststellung – Matt für seinen König wobei der gegnerische ebenfalls unsicher stand. Gegen Ding Liren gewann er, das schafften viele. Gegen So ein fataler mouse slip im Endspiel. Gegen Bluebaum nutzte er seinen Schwarzvorteil (s.u.) bzw. der Gegner fand am Ende nicht den im Turmendspiel vorhandenen Remisweg. Nach Licht wieder Schatten gegen Dominguez, wieder -1 im Turnier.

Und dann das happy end für ihn; Auf Du und Du gewann er – Duda-Dubov 1-0, am Ende profitierte er von einem Dummbov-Moment: Schwarz hatte Dauerschach, wollte mit 48.-b1D?? vielleicht mehr und bekam weniger. Weiß bekam auch eine zweite Dame und stand im Doppeldamenendspiel mit drei Mehrbauern total gewonnen. Schon zuvor war es turbulent, nur in Stichworten: seltenes Abspiel im Meraner, weisses Figurenopfer 14.Sxe6 jedenfalls spielbar, weisses Damenopfer 33.Dxg8+!!? genial und im Prinzip siegbringend aber später war der Vorteil wieder komplett dahin. Duda bedankte sich bei seinem Gegner auf Twitter – nicht für den abschliessenden Lapsus sondern für die gesamte Partie: „Thank you Daniil Dubov for an opportunity to play so mad game“. 

Danach noch ein glatter Sieg gegen Grischuk. Da profitierte er vielleicht davon, dass der Gegner unbedingt gewinnen musste und daher (Königsindisch) viel riskierte.

Teimour Radjabov: sehr professionell, Sieg in Runde 2 gegen Shankland und 14 Remisen. Das reichte, und das muss zu ihm reichen – nur eine Niederlage und er würde zum Wackelkandidat. Diese Erfahrung machten zwei Spieler, die sich am Ende nicht qualifizierten.

Daniil Dubov – 50% bei einer Remisquote von fast 50% (sieben Partien in fünfzehn Runden), es reichte. Generell war für ihn deutlich mehr möglich, vielleicht nur in einer Partie weniger.

Gleich am ersten Tag: vermeidbare Niederlagen gegen MVL und So, Dauerschach in Gewinnstellung gegen Giri, turbulente Partie gegen Nepomniachtchi – mit vier (4) Minusbauern stand er auf Gewinn! Zuvor glaubten Engines allerdings nicht an das schwarze Dubov-Konzept. Ein Lapsus im Endspiel mit inzwischen zwei Mehrbauern kostete dann die Qualität und einen halben Punkt. Abschliessend Sieg gegen Aronian, da diesmal der Gegner (zu) spekulativ agierte.

Tag zwei war insgesamt ruhiger, im Glück war er mit Schwarz gegen Bluebaum: der Russe kannte elementare Turmendspiele nicht, der Deutsche auch nicht, so wurde es Remis. Vielleicht hatte Bluebaum ja beschlossen, mit welcher Farbe (und Eröffnung) er Partien gewinnen will und bestand auf diesem Konzept.

Tag drei begann mit zwei Siegen gegen Dominguez (Endspiel) und Ding Liren (Eröffnungsfalle), dann sass er gegen Duda auf der falschen Seite des Bretts am falschen Monitor. Die Partie gegen Carlsen hatten wir bereits, da war für Dubov mehr als ein halber Punkt möglich aber es fehlte die Präzision, um gegnerische Fehler im Endspiel auszunützen. Auch in der letzten Runde wollte Dubov gewinnen, also mit Schwarz gegen Grischuk Benoni. Er schien eventuell auf der Siegerstraße (Mehrbauer im Endspiel), aber dann wurde es Remis. Das reichte – dank Sam Shankland bzw. dank Hikaru Nakamura. Und das ist gut so, denn:

Hikaru Nakamura war mal wieder tendenziell Pragmatiker, das wurde ihm zum Verhängnis. Ab und zu gewinnen und vor allem nicht verlieren funktionierte, was Teil zwei dieses Plans betrifft, nicht: Gegen Nepomniachtchi zeigte er mit der Eröffnungswahl Remisabsichten und verlor dann ein Berliner Endspiel. Gegen Carlsen patzte er, die taktische Widerlegung von 32.-Te1??! sah auch Magnus Carlsen.

Auf der Habenseite Siege gegen Ding Liren (das schafften viele), Bluebaum (das schafften auch viele) und Giri (das schaffte nur er). Die letzten beiden aus der Rubrik „Arbeitssieg“: irgendwann kam dem Gegner ein Bauer abhanden – das reichte zwar noch nicht, um die Partie zu verlieren, aber weitere Fehler folgten. Gegen Giri zeigte er mit der Schlafwagen-Variante 5.Te1 gegen den Berliner Remisabsichten. 30.Txc6 (Bauerngewinn) war möglich, da Giri seine anderen Bauern am Damenflügel nach vorne geschickt hatte – reaktives Schach mit Weiß. Im Schwerfigurenendspiel (Damen und Türme) war das nicht unbedingt gewinnträchtig. Im 50. Zug konnte Giri, nachdem Nakamura eine Zugwiederholung verschmähte, sofort Remis erzwingen – fand es nicht und verlor. 

In der letzten Runde war Landsmann Shankland durchaus lieb zu Nakamura und landete fast aus der Eröffnung heraus in einer Verluststellung, aber Nakamura vergeigte die Partie noch komplett. Damit konnte niemand rechnen – Sam Shankland nicht, Dubov nicht, Nepomniachtchi auch nicht.

Sam Shankland wird, so sehe ich es, generell überschätzt. Vorübergehend war er top30, hatte dann eine grosse Klappe „ich will in die top10“ – er ist eben Amerikaner. Danach ging es wieder in die andere Richtung. In diesem Turnier gewann er gegen Spieler der unteren Tabellenhälfte, dazu gehörte auch Nakamura aber das war extrem glücklich für ihn (Shankland). Gegen andere konnte er mal Remis halten, fünfmal auch nicht.

Ian Nepomniachtchi hatte drei Tage – gilt ja für alle sechzehn, aber bei ihm waren es sehr unterschiedliche Tage. Am ersten Tag 3.5/5, am zweiten Tag – um die Qualifikation abzusichern? – fünf Remisen, am dritten Tag zwei Remisen … und drei Niederlagen. Am Hui-Tag ein glücklicher Sieg gegen Duda, ebenfalls im Glück beim Remis gegen Dubov, recht souveräne Siege gegen Grischuk und Nakamura und eine glatte Null gegen Giri (der war eben gut drauf).

Der zweite Tag aus der Rubrik „hiermit erwähnt“. Tag drei begann mit Remis gegen den Remisspieler Wesley So – noch war Nepos Welt in Ordnung, das sollte sich drastisch ändern. Gegen Aronian – bereits erwähnt – eine Endspielniederlage aus der Eröffnung heraus. Gegen Bluebaum riskierte er 1.e4 – macht er immer, aber gegen Französisch hatte er das Nachsehen. Beim Schwarzremis gegen Shankland kann man ihm keine Absicht unterstellen, eigentlich war sein Najdorf-Sizilianer misslungen: wenn man 21.-Kd8 spielen muss stimmt etwas rein gar nicht. Shankland wickelte dann ab in ein Endspiel, das aus schwarzer Sicht gerade so remis war. Nun musste er gegen Dominguez unbedingt gewinnen – das dachte er jedenfalls plausibel. Und wohl vor allem deshalb verlor er erneut.

Santosh Vidit kann man wieder kürzer besprechen: nicht engere Weltklasse, erwartungsgemäß nicht unter den besten acht.

Leinier Dominguez wird, so sehe ich es, auch überschätzt. Mit 3.5/4 in den letzten Runden konnte er sein zuvor ziemlich schlechtes Turnier noch einigermassen reparieren. Dabei profitierte er gegen Russen von Grischuks total misslungener experimenteller Eröffnung und von Nepos Siegzwang in der letzten Runde.

Alexander Grischuk machte es am dritten Tag etwas besser als Landsmann Nepomniachtchi (nur zwei Niederlagen), hatte allerdings zuvor kein „Polster“. Für den allerersten Turnierhöhepunkt war er in Runde 1 gegen Giri zuständig: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.Kf1!??!?!?! – Neuerung im vierten Zug! War wohl ein mouse slip. Das wurde danach irgendwie Remis – nicht weil Giri immer Remis spielt, war ja in diesem Turnier nicht der Fall.

Großes Kino auch sein Sieg in Runde 6 gegen Ding Liren – totale Verluststellung, dann hat er das gegnerische 56.Td2??? nicht bestraft – dabei war 56.-Txg7 57.hxg7 g1D (58.g8D Dxg8) recht einfach. Übrig blieb ein remises Turmendspiel, und dann haben die Spieler gemeinsam – wichtige Rolle für den Chinesen – bewiesen, dass Turmendspiele doch nicht immer Remis sind.

Es blieb Grischuks einziger Sieg. Ob er absichtlich viel Remis spielte untersuche ich mal nicht – wäre zumindest riskant, 50% reicht ja nicht unbedingt, und mit schlechtem Tiebreak (Anzahl Siege) schon gar nicht. Mit zwei Niederlagen gegen Dominguez und Duda, jeweils aus der Eröffnung heraus, hatte sich das Thema Qualifikation definitiv erledigt.

Matthias Bluebaum hatte extrem unterschiedliche Turniere – nicht was die Tage betrifft: -2 am ersten, am zweiten und dritten dann jeweils -1. Aber was die Farben betrifft: bei diesen Gegnern sehr respektable 4.5/7 mit Schwarz, und nicht so tolle 1/8 mit Weiß. Mit Schwarz lag es vor allem an Französisch. Damit konnte er Aronian und Nepomniachtchi besiegen. Dominguez und Grischuk konnten mit Weiß immerhin Remis halten, ohne dass mehr wirklich denkbar schien. Und der Franzose Vachier-Lagrave verzichtete nur gegen Bluebaum auf sein übliches 1.e4, konnte mit 1.c4 – daraus wurde Damengambit – aber auch nichts erreichen.

Mit Weiß wirkte sein antitheoretischer Ansatz nicht allzu ambitioniert, so oft verlieren musste er nicht unbedingt – mehrfach konnte er lange mithalten aber halt nicht bis zum Schluss.

Wer ist nun besser, Donchenko oder Bluebaum? Donchenko wurde in Wijk aan Zee sieglos 14., Bluebaum wurde im Internet 15. und hatte dabei auch Erfolgserlebnisse, und ein Spieler landete noch hinter ihm. MVL und Duda hatten in Wijk aan Zee zwar versucht, hinter Donchenko zu landen, schafften es dann jedoch nicht. Beide junge deutsche Spieler haben sich vielleicht etwas „unter Wert verkauft“ – Bluebaum war nominell krasser Außenseiter, Donchenko hatte in Wijk aan Zee einige etwa gleichwertige Gegner. Ob man klassische Bedenkzeit am Brett und Schnellschach im Internet vergleichen kann, überlasse ich dem Leser. 

Dann haben wir noch den Nachtmenschen Ding Liren – sein Arbeitstag begann um Mitternacht und dauerte bis 5:00 morgens. Das kann vielleicht seinen Auftritt erklären, und auch Carlsens Partieanlage gegen den Chinesen – aber alles konnte man mit ihm auch nicht machen. Auch gegen Dominguez und Vidit gewann er, daneben auch acht (8) Niederlagen. Dadurch eine sehr niedrige Remisquote. Gegen Bluebaum wollte Ding Liren wohl mehr – dass Weiß gegen den ein Nachteil ist war ja zu diesem Zeitpunkt (Runde 2) noch nicht bekannt. Gegen Nepomniachtchi, Radjabov und zuletzt So freute er sich vielleicht eher, dass die Gegner ihm eine Pause gönnten. 

Unterschiedliche Zeitzonen im selben Turnier ist für mich ein Grund, warum Schach im Internet nicht ideal ist, und diese Turnierserie keine alternative Weltmeisterschaft. Man könnte das Handicap dabei in einer Turnierserie unterschiedlich verteilen: auch mal ein Turnier in dem Europäer morgens spielen, Asiaten mittags/abends und Amerikaner nachts – oder asiatischer Morgen, amerikanischer Mittag und europäische Nacht. Aber das geht anscheinend nicht, offizielle Begründung ist „TV requirements“ von Eurosport. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass Carlsen kein Nachtmensch ist und auch ein Morgenmuffel – in der deutschen Bundesliga spielt er ja nicht mehr, 10:00 sonntags ist zu früh für ihn. 

Wie geht es nun weiter? Im Viertelfinale Carlsen-Dubov (gab es bereits), Giri-Radjabov (gab es das schon?), So-Duda (gab es jedenfalls mal in der FIDE Grand Prix Serie) und Aronian-MVL (gab es schon öfters, auch mit höherem Einsatz z.B. im Weltcup). Nakamura kann wieder das machen, was er ohnehin am liebsten macht: im Internet streamen. Vielleicht auch wieder Populismus wie zur letzten Runde in Wijk aan Zee: Firouzja war da nicht der einzige, der zählt – Giri und van Foreest sollten nicht endlos auf ihren Stichkampf warten, ein Fernsehteam wartete auch, am Horizont Ausgangssperre in den Niederlanden ab 21:00. Dafür hatten neben Giri auch Emil Sutovsky und Maxime Vachier-Lagrave Verständnis und bezeichneten die Reaktionen im Internet als jedenfalls stark übertrieben.

Ding Liren (und auch Vidit) können wieder zum normalen Tagesrhythmus zurückkehren und es sich – wie vielleicht auch Bluebaum – auf einer Couch bequem machen.