Mai 13, 2024

Ralf Schreiber füllt das Schachbrett

Ralf Schreiber

Mit dem heutigen Tag füllt Ralf Schreiber an seinem Geburtstag auch das 64-zigste Feld des Schachbrettes. Er wurde 64 Jahre jung und wir freuen uns, dass er uns an seinem Ehrentag für ein Interview zur Verfügung steht.

Er ist bekannt dafür, dass er ungewöhnliche Wege geht und im Bereich Schach Innovatives und Neues auf den Weg gebracht hat. Ungewöhnlich ist auch, dass er seit über 55 Jahren ununterbrochen ein Ehrenamt ausübt und dies bereits auf allen Ebenen. Er war der letzte Breitensport-Referent der noch im Präsidium des Deutschen Schachbund tätig war. 

Sein Lebenswerk ist sicherlich die von ihm vor über 17 Jahren gegründete pädagogische Initiative „Schach für Kids“ für die er bereits den „Deutschen Schachpreis“, die höchste Auszeichnung des DSB, erhalten hat. Vom Ruhr-Bischof Dr. Overbeck wurde er vor 350 Pädagogen zum „Schutzengel für Kinder“ ernannt, der Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier hat ihn ins Schloss Bellevue eingeladen. Vor genau 2 Jahren, auch an seinem Geburtstag, erhielt er den Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Lieber Ralf, wir kennen uns inzwischen auch schon seit Jahrzehnten. Bevor wir auf Dein Lebenswerk „Schach für Kids“ eingehen, darf ich Dich zu Deinen Aktivitäten beim DSB befragen. Was war aus Deiner Sicht das spannenste aus dieser Zeit?

Lieber Franz, genau genommen war die ganze Amtszeit spannend. Das lag unter anderem daran, dass ich das Glück hatte, während meiner Amtszeit eine auf deutschem Boden stattfindende Schach-Weltmeisterschaft und eine Schach-Olympiade aktiv erleben zu dürfen. Bei der WM in Bonn hatte ich den Stand des DSB geleitet und organisiert. Was die Schach-Olympiade betrifft, so war ich im Olympiaausschuss des DSB tätig. Ich habe dann vor Ort mit einem Team von 13 Schiedsrichtern den Deutschland-Cup durchgeführt. Diese Breitensport-Veranstaltung war mit ca. 900 Teilnehmern damals das größte seiner Art. Das Turnier hat aber auch viel abverlangt. Ich war täglich bis in die Nacht vor Ort mit allen möglichen Aktivitäten, bis hin zur Berichterstattung und Ergebnisveröffentlichungen beschäftigt. Ich war dann der letzte im Kongresshaus, der dann von der in der Nacht eingesetzten Security dann persönlich verabschiedet wurde. 

Aus dem Nähkästchen mal geplaudert, kann ich sagen, das ich diese Veranstaltung sogar gerettet habe. Der eigentliche Hauptverantwortliche hatte leider versäumt, für Partieformulare, Drucker, Orga-Raum und die in der Ausschreibung für jeden Teilnehmer versprochene wertvolle Erinnerung zu sorgen. Die Probleme wurden ein bis zwei Tage vor dem Start erst bekannt und ich konnte mit entsprechendem Einsatz alle Probleme kurzfristig lösen. Für mich ein unvergessener Vorgang.

Du als Marketing-Experte hast sicherlich noch weiteren Aktivitäten auf den Weg gebracht?

So einiges. Mir war anfangs meiner Amtszeit wichtig, eine Analyse durchzuführen um dann entscheiden zu können, welche Maßnahme bezüglich der Schachspieler sinnvoll sind. Daher habe ich eine Mitgliederbefragung durchgeführt. Es gab immerhin über 4.100 ausgefüllte Fragebögen. Meine Auswertung wäre bezüglich Verbandsentwicklung noch heute relevant. 

Daraus entstanden dann 25 Verbandsentwicklungs-Projekte die aber nach meiner Amtszeit leider eingeschlafen sind. Auch habe ich den „Verein des Jahres“ auf den Weg gebracht. Dies sollte nach und nach den „Tag des Schachs“ ablösen. Bereits beim ersten Male hatten über 75 Vereine teilgenommen, erheblich mehr als beim „Tag des Schachs“. 

Dann war mir auch wichtig, dass Personen, die speziell den Bereich Breitensport Hervorragendes geleistet haben, geehrt werden. Hierzu habe ich den Breitensport-Ehrenpreis eingeführt. Dieser wurde an Dr. Helmut Pfleger, Manfred Kalmutzki und vielen Anderen vergeben. Übrigens, Manfred Kalmutzki war der „Erfinder“ der „Deutschen Familienmeisterschaft“. Diese war allerdings inoffiziell. Ich habe ihr damals dann den offiziellen Status gegeben und seitdem wird sie vom DSB umgesetzt. Die Veranstaltung fand immer in Dresden statt. Meine Überlegung damals war, dass sie durch Deutschland wandert.

Und dann wollen wir die „Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft“ nicht vergessen.  Hier habe ich mich über 10 Jahre eingebracht und auch solche Dinge wie „Copyright Design“ umgesetzt. Viele werden sich vermutlich noch an die Springer-Pokale erinnern.

Ich hatte mitbekommen, dass Du für die deutschen Schnell-Schachmeisterschaften diese Logos der schnelle Springer erstellt hast. Warst Du in diesem Bereich auch aktiv?

Ich bin ja kein Designer, aber ich habe dennoch als kleines Hobby sehr viele Logos für das deutsche Schach erstellt.

Hast Du Beispiele?

Ja, das rasende Pferd hast Du schon erwähnt. Ich habe noch das für den „Deutschland-Cup“, die „Deutsche Familienmeisterschaft“, für den „Deutschen Schachpreis“, für den „Tag des Schachs“, die jeweiligen DSB-Qualitätssiegel, das für den „Cup der deutschen Einheit“ und viele andere erstellt.

Gab es in Deiner Amtszeit Dinge, die Dich im Nachhinein noch heute ärgern?

Sicherlich. Ich habe zum Beispiel mit dem Segen des Hauptausschusses das bestehende und viel zu schwierig gestaltete Schach-Sportabzeichen modifiziert. Ich habe dann das bronzene Abzeichen so gestaltet, das Vereine dieses Vergeben können und somit einen direkten Kontakt zu einem potenziellen neuen Vereinsmitglied bekommt. Der dann vor 12 Jahren neu gewählte DSB-Präsident hat die Umsetzung  Ordre de Mufti gestoppt. Seitdem gibt es kein Schach-Sport-Abzeichen mehr.

Ja, und aktuell sind ja beim DSB Dinge wie Satzungsreform und überzogene Ausgaben ein Thema. Man kann es kaum glauben, aber genau das habe ich bereits zu meiner Amtszeit beides erlebt. Man könnte vermuten, dass die neue Satzungsreform auch von Nöten ist, weil die damalige nicht wirklich die gewünschten Lösungen gebracht hat. Einer der größten Fehler aus meiner Sicht war, dass man die Referenten aus dem Präsidium „geworfen“ hat. Die Referenten sind wie die Bauern beim Schach, die Seele des DSB.

Kannst Du was zur geplanten Satzungsreform sagen?

Da mir der aktuelle Stand der Dinge nicht bekannt ist, halte ich mich da zurück. Ich hoffe nur, dass diese sich nicht an Personen, sondern an der Sache orientieren. 

Lass uns einmal über Dein Lebenswerk sprechen. Du hast vor über 17 Jahren „Schach für Kids“ eingeführt. Warum eigentlich und mit welchem Ziel?

Meine Tochter hat ja mit 2,5 Jahren unbedingt das Schachspiel erlernen wollen. Ich hatte es ihr dann beigebracht. Mir ist dann in den Folgejahren aufgefallen, dass sie Entwicklungssprünge gemacht hat, die ich dem Schachspiel zuordnen konnte. Ich habe dann wissen wollen, ist dies ein Einzelfall oder könnte Schach allen Kindern ab einem Alter von 3 Jahren helfen. So ist dann ein Großversuch mit über 3.000 Kindern entstanden. Die Ergebnisse waren extrem gut, die dann auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurden. Die Resonanz war riesig. Ich habe drei Tage lang am Telefon Interviews gegeben und es wurde weltweit berichtet.

Danach folgte doch noch eine wissenschaftliche Studie?

Genau, durch die Berichterstattung wurde eine der größten Stiftungen in Europa darauf aufmerksam und bot an, hier eine wissenschaftliche Studie zu finanzieren. Diese wurde dann mit der Wissenschaftlerin Frau Dr. Bönsch-Kauke und mit über 500 Kindern durchgeführt. Diese Studie ist, auch wegen der Ergebnisse, einzigartig. Die hat dann noch einmal unsere Ergebnisse aus dem Großversuch bestätigt. Und womit keiner gerechnet hat, das durch unsere SfK-Lehrmethode insbesondere das Sozialverhalten und die Sprachentwicklung gefördert wird. Das ist nicht Schachtypisch.

Welche Auswirkungen hat denn Dein Projekt?

Also ich kann voller Stolz sagen, das wir inzwischen die Entwicklung von über 165.000 Kindern haben fördern können. Hierzu haben wir 3.500 Fachkräfte aus dem Bildungsbereich ausgebildet und durch die Förderung durch ca. 80 Sponsoren hatten wir die Möglichkeit, über 3.000 Bildungseinrichtungen mit unseren Lehrmaterialien auszustatten.

Wir sind auch in anderen Ländern aktiv und gerade wurden wir noch von der FIDE eingeladen, auf einer Bildungskonferenz in London, unsere Initiative vorzustellen.

Übrigens haben wir zu Zeiten des Lockdowns über 500 Kindern in 11 Städten ein Schachlernpaket geschenkt. Es war sicherlich hilfreich in dieser trostlosen Zeit. Wir haben dann auch seit Kriegsausbruch mit Hilfe unserer Sponsoren über 700 ukrainischen Flüchtlingskindern ebenfalls ein Schachpaket geschenkt.

Wie Du mir sagtest, bist Du aktuell in Paderborn. Vermutlich wegen „Schach für Kids“?

Das stimmt. Ich habe einen Lehrauftrag an der Hochschule NRW, um unsere Lehrmethode studierenden aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung zu vermitteln. Das habe ich diese Woche umgesetzt. Ich sehe das als eine große Ehre und Bestätigung für unsere Lehrmethode an.

Hat es so etwas schon gegeben, dass jemand an einer Hochschule Schach vermittelt hat?

Ich beschäftige mich seit Urzeiten mit Schach, aber mir ist kein Fall bekannt, das per Lehrauftrag Schach gelehrt wurde. Aber man weiß ja nie.

Was vermittelt man denn den Studierenden in all den Tagen?

Sie lernen zunächst viel über das Schach selbst. Dann schauen wir uns natürlich die Ergebnisse aus dem Großversuch und der wissenschaftlichen Studie an. Aber es wird auch ganz praktisch das Schachspiel und unsere Lehrmethode erlernt.

Kannst Du uns noch kurz über eine Erkenntnis aus der Studie berichten?

Also ein Thema was auch an der Hochschule diskutiert wird, ist das geschlechtsspezifische Verhalten von Mädchen und Jungen. Die Wissenschaft vertritt die Meinung, dass dies anerzogen wird. Also Jungs spielen mit Autos und Mädchen mit Puppen. Unsere Studie hat festgestellt, ich bringe es einfach mal auf den Punkt, Mädchen agieren beschützend und Jungs machen „Beute“. Die Kinder in der Studie konnten zuvor kein Schach und somit wurde dieses Spielverhalten auch nicht anerzogen. Es gibt weiter Verhaltensweisen die vermutlich erklären zu verstehen, warum nicht einmal 10% der organisierten Schachspielenden in den Vereinen, Frauen sind.

Bei der Gelegenheit darf ich erwähnen, dass die von uns ausgebildeten Bildungs-Fachkräfte, fast alles Frauen sind und zuvor kein Schach konnten. Unsere Lehrmethode hilft somit dabei, dass mehr Frauen das Schachspiel für sich entdecken.

Vielen Dank für das Interview.

Die FRagen stellte Franz Jittenmeier