Das tschechische AVE Novy Bor sagte sich „was Baden-Baden kann, das können wir auch“ – eine Vereinsmeisterschaft organisieren, die international registriert wird. Es gibt dabei natürlich Unterschiede zwischen den Vereinen und zwischen dem Geschehen in Prag (nun vorbei) bzw. Karlsruhe/Baden-Baden (über Ostern). Nur Baden-Baden hat top10 Spieler, aber nur Novy Bor konnte bereits den Europacup für Vereinsteams gewinnen (was Baden-Baden inzwischen gar nicht mehr versucht). Grenke hat auch ein gut dotiertes und daher stark besetztes Open, Prag hatte ein relativ schwach besetztes, dafür allerdings zwei GM-Gruppen – zu denen sie auch Nicht-Vereinsmitglieder eingeladen haben.
Und warum „gibraltarische Zustände“? Die beiden Sieger fielen zuvor vor allem in Gibraltar positiv auf, wobei der auf dem Titelbild sich auch mal über Grenke Open für Grenke Classsic qualifizieren konnte (das geht dann auch mit dem falschen deutschen Verein). Das war der Endstand bei den Masters: Vitiugov 5.5/9, Vidit, Wojtaszek, Duda, Gelfand 5, Shankland 4.5, Harikrishna, Navara, Rapport 4, Laznicka 3. Fotos ab Turnierseite auf Facebook, fotografiert hat Vladimir Jagr.
Endstand Challenger-Gruppe: Anton Guijarro 6, Krejci 5.5, Ju Wenjun und Michalik 5, Stocek und Shirov 4.5, Nguyen, Praggnanandhaa (ja er schreibt sich mit zwei g), Paravyan 4, Bartel 2.5.
In beiden Turnieren kristallisierte sich der letztendliche Sieger erst relativ spät heraus, zuvor standen andere im Mittelpunkt. Bericht nun nicht „Runde für Runde“, sondern unstrukturiert (bis auf erst Masters, dann Challengers) und anhand relativ vieler Fotos. Einige zeigen auch Ehrengäste mit zeremoniellen Funktionen. Es gab jede Menge, Prag ist offenbar eine Reise wert und leichter erreichbar als Astana wo FIDE kurzfristig eine Konkurrenzveranstaltung ausrichtete – mangelnde Terminabstimmung lag wohl an beiden Seiten. Unter anderem gibt es offenbar Flüge von Amsterdam in die goldene Stadt, und ein Hamburger war auch vor Ort.
Ich beginne mit einem Gruppenfoto der zehn Spieler im Masters-Turnier. Die Krawattenträger – ganz links Gelfand, ganz rechts Navara – sind vielleicht die bekanntesten, wobei Gelfand nach einer Reihe schlechter Ergebnisse Elo-Außenseiter im Turnier war. Zuletzt verlor er ein Match gegen Markus Ragger, der (obwohl Mitglied von Novy Bor) zur Strafe nicht eingeladen wurde – oder er hatte für diesen Zeitraum andere Pläne.
Pressekonferenz in etwas kleinerem und anderem Kreis. Ju Wenjun spielte (wie ganz links der junge Tscheche mit vietnamesischen Eltern Thai Dai Van Nguyen) bei den Challengers. Eher ungewöhnlich, dass Damen im Turnier spielen, das zu ihrer Elozahl passt, aber dem war so in Prag. Ich zeige dieses Foto auch, weil hinten der Sponsor AVE erwähnt wird – sonst kaum.
Vitiugov wurde kaum individuell fotografiert, aber in Runde 2 war es unvermeidlich – für seinen Sieg gegen Harikrishna bekam er den Schönheitspreis. In einer Nebenvariante des Berliner Spaniers war er besser vorbereitet – auch 15.Lh6! fand er nicht selbst am Brett, sondern mit Computerhilfe zuvor am Monitor. Da Harikrishna nicht das vielleicht hässliche aber nahezu erzwungene 15.-Tg8 fand, ging es dann schnell bergab mit seiner Stellung. Dieses war Vitiugovs erster Streich, und der zweite … folgte in Runde 7 gegen einen Spieler, der zunächst im Mittelpunkt stand. Sonst remisierte er immer.
Gemeint ist der Pole JK Duda, der einiges richtig machte (drei Siege) aber auch einiges falsch (zwei Niederlagen) – so war er am Ende einer von vielen auf dem geteilten zweiten Platz. Die Siege waren gegen drei der vier Kellerkinder – Laznicka müsste nach Elo Vorletzter werden aber Gelfand akzeptierte seine ungewohnte Rolle nicht, Navara und Rapport hatten kein gutes Turnier erwischt. Die erste Niederlage war gegen das verbleibende Kellerkind Harikrishna – das alles in den ersten vier Runden und dann entdeckte Duda, dass man auch Remis spielen kann. Es war durchaus Musik in seinen Partien, passend zum Austragungsort Hotel Don Giovanni.
Turnierentscheidend dann, dass er in Runde 7 gegen Vitiugov in ohnehin schwieriger Stellung eine Abwicklung falsch berechnete – so war eine Figur weg und damit die Partie. Warum seine Stellung bereits schwierig war – nun, es lag wohl nicht daran dass 6.a4 die Widerlegung von Najdorf-Sizilianisch ist. Ich bleibe noch einen Moment bei Duda:
Er und Landsmann Wojtaszek hatten schon diverse entschiedene Partien – zuletzt generell Vorteil Duda. Aber diesmal wurde es in der letzten Runde relativ schnell und geräuschlos Remis – Vorteil Vitiugov, der damit als Turniersieger feststand, denn nur diese beiden Polen konnten ihn eventuell noch einholen.
Auch Wojtaszek zeige ich noch individuell, fehlen noch zwei der Spieler auf dem geteilten zweiten Platz.
Das ist allerdings kein gelungenes Foto von Gelfand – wobei der Fotograf es wohl absichtlich machte. In anderem Rahmen war Gelfand kamerafreundlicher:
In diesem Feld konnte Gelfand durchaus mithalten, Elopunkte verloren hatte er zuvor vor allem in Opens gegen schwächere Gegner.
Hier nochmals Gelfand, Duda und zwischen ihnen einer von mehreren Ehrengästen. Wieviel Schach Dirk Jan ten Geuzendam kann ist unklar, 1.Sf3 kann er jedenfalls und den Rest machten die Großmeister dann selbst (remis).
Zu Gelfands entschiedenen Partien: In Runde 2 verlor er gegen Vidit, dabei ist Russisch doch remis? Nicht immer, und in dieser Runde gewann Weiß alle Partien – Ausnahme Shankland-Navara, der Amerikaner denkt wohl, dass er mit Remis spielen das erklärte Ziel Weltmeister erreichen kann. Gelfand kam ein Bauer abhanden, und Weiß gewann dann obwohl sein Mehrbauer verdoppelt war. Das können Inder, siehe auch unten bei den Challengers.
Gelfands Endspielsieg gegen Shankland wurde als „studienartig“ bezeichnet, etwas beleidigend einem anderen Ehrengast gegenüber (s.u.) – Shankland patzte böse, Gelfand musste danach zwei Schachgebote finden (bzw. im Prinzip drei, aber das dritte liess sich Shankland nicht mehr zeigen). Eine Remisstellung so wegwerfen, gibt es Schlimmeres? Ja, in Remisstellung einfach so aufgeben (Giri-Shankland in Wijk aan Zee). Und in der letzten Runde machte Gelfand kurzen Prozess mit Harikrishna.
Vidit wurde bereits erwähnt, nun zeige ich ihn auch – aus mehreren Fotos habe ich das mit Sponsorenlogo ausgewählt. Ich hatte bereits erwähnt, dass er gegen Gelfand einen Mehrbauern verwerten konnte. Tags darauf hatte er gegen Shankland gar drei Bauern mehr, aber seine wacklige Königsstellung war relevanter – einmal hat dadurch auch Shankland gewonnen.
In der letzten Runde hat Vidit dann gegen Navara eine Qualität und später die Partie gewonnen. So konnte er wie auch Gelfand Wojtaszek und Duda einholen. Die jeweiligen Verlierer schafften das natürlich nicht, Shankland (Remis gegen Laznicka) schaffte es auch nicht.
Harikrishna hat ein ähnliches (auch aus der Ölindustrie) aber doch anderes Sponsorenlogo als sein Landsmann Vidit, diesmal hatte er ein schlechteres Turnier.
Das gilt auch für David Navara – mit bekanntem Look.
Und für Richard Rapport – mit neuem Look?
Viktor Laznicka ist wohl der relativ unbekannteste Spieler, also wird auch er fotografiert. Und das war’s zum Masters-Turnier. Nun stelle ich mich der Herausforderung, auch das Challenger-Turnier relativ kurz zu beschreiben.
Auch da zunächst ein Gruppenfoto, und nun erst zum kleinsten und jüngsten Teilnehmer:
In Runde 1 hatte Mateusz Bartel auch bei der anschliessenden Analyse die Initiative. Was war passiert? Mit 18.f5?! gab Pragg einen Bauern und öffnete die g-Linie, dann ging es über diese g-Linie seinem eigenen König an den Kragen. Bartel gelang nach diesem Auftaktsieg fast gar nichts mehr, Praggnanandhaa entdeckte dann, dass statt ihm auch der Gegner einen Bauern einstellen bzw. inkorrekt opfern kann.
Auf diese Art gewann er in Runde 5 gegen die zuvor führende Ju Wenjun – auch das war Russisch mit 5.Sc3 Sxc3 6.dxc3, also ein weisser Doppelbauer. Tags darauf hatte er wieder einen prominenten Gegner:
Nach Elo kann er Shirov vielleicht schon bald einholen, nach Kilo? Wer weiss, wie „GM P.R.“ in Shirovs Alter aussehen wird. Diese Partie verlief nach bekannten Mustern: auch Shirov opferte einen Bauern, hatte danach einen Bauern weniger und verlor im Endspiel. Chess24 lobte im Zwischenbericht neben Duda auch Praggnanandhaa. Noch durften sie das – vielleicht steht im (geheimen) Deal mit PlayMagnus, dass sie zukünftig nur einen Norweger loben dürfen, vielleicht auch nicht. „Der Gegner gibt mir vor dem 15. Zug einen Mehrbauern“ war allerdings auch beeindruckende Eröffnungsvorbereitung.
Tags darauf hat Pragg dann allerdings gegen Krejci früh selbst einen Bauern verdaddelt – scheinbar bekam er dafür eine Qualität, aber das war nur vorübergehend. Dann verlor er auch gegen Michalik, und -1 im Turnier ist zu wenig für Platz eins oder nahe daran.
Nun behandle ich den Tschechen Jiri Stocek wie zuvor Boris Gelfand:
Warum denn so verbissen?
Geht doch!
Einen Schönheitspreis bekam er auch – da kann man geteilter Meinung sein. Aber es bezog sich natürlich auf eine Partie, seinen Sieg gegen Shirov.
Shirov hatte ein mit Gelfand fast vergleichbares Turnier, aber natürlich in der Challenger-Gruppe schwächere Gegner – also kostete 4.5/9 10 weitere Elopunkte. Einmal stand er dabei im Mittelpunkt:
Wobei Ehrengast Vlasti Hort (laut tschechischen Quellen Tscheche) Ju Wenjun gegenüber Kavalier der alten Schule war. Shirov freute sich darüber und ging dann weniger pfleglich mit der Chinesin um – Sturmsieg in 24 Zügen trotz Tempoverlust (4.g3, später 15.g4 und 16.g5).
Das durfte er dann am Demobrett zeigen.
Und er bekam dafür einen Schönheitspreis – die wurden immer tags darauf vergeben.
Einen anderen Preis vergab Ehrengast Yochanan Afek (auch er wohl aus Amsterdam angereist) an Peter Michalik – ein Buch als Belohnung dafür, dass er gegen Stocek am Ende alle seine Figuren einstellte. Das war nicht etwa Anfängerniveau, sondern es gab einen konkreten Grund dafür – Patt.
Und nun endlich zum Turniersieger David Anton Guijarro:
Hier hilft ihm Macauley Peterson (womöglich aus Hamburg angereist) gegen Praggnanandhaa. Der junge Inder hatte später mal wieder einen Bauern weniger, aber entwischte am Ende mit Remis. Anton konnte es verkraften, dieser halbe Punkt reichte für den alleinigen Turniersieg.
Das hatte David Anton davon, außerdem darf er nächstes Jahr bei den Masters mitspielen – dieses Rundenturnier ist wohl eine etwas grössere Herausforderung als Einladungen, die er bereits hatte (Poikovsky und Capablanca Memorial). Wieviel grösser wissen wir nächstes Jahr, erklärtes Ziel ist Weltelite („world’s absolute top players“) was diesmal [noch?] nicht der Fall war.
Ehrengast Jeroen van den Berg (Mitte) hat ihnen vielleicht verraten, wie tief sie für top10-Spieler (oder gar für den top1-Spieler) in den Geldbeutel greifen müssten. Daneben revanchierte er sich bei Pavel Votruba (links) für dessen viele Besuche in Wijk aan Zee, wo er alle Jahre wieder Schiedsrichter ist. Rechts Organisator Petr Boleslav, der war auch mal in Wijk aan Zee. Auch Jeroen van den Berg war offenbar lieber in Prag als in Astana, dabei ist er lange Reisen gewöhnt – er war zuvor auch jedenfalls in Poikovsky und Kolkata.
Noch ein Ehrengast mit kurzer Anreise – der slowakische GM Plachetka.
Eine Art Party gab es auch, da durfte Ju Wenjun im Gespräch mit Harikrishna doch etwas Masters-Luft schnuppern.
Sie redete auch mit Shirov. Im Hintergrund der junge Russe Paravyan – laut russischen Quellen sehr talentiert, diesmal konnte er es höchstens phasenweise zeigen. Immerhin gewann er zum Schluss gegen Bartel das Duell gegen den letzten Platz. Hatte der Pole David (Paravyan) etwa mit Daniil (Dubov) verwechselt? Nur gegen letzteren funktionierte zuvor 1.b3 e5 2.Lb2 Sc6 3.e3 g6 4.h4!??.
Fast hätte ich das übliche Turniersaal-Foto vergessen. Und zum Schluss nochmal Vlasti Hort:
Simultan machte er mit links, die rechte Hand braucht er ja im fortgeschrittenen Alter für den Gehstock.
Wie es mit Prag weitergeht, wissen wir nächstes Jahr. Langfristiges Ziel ist „die Tradition eines Schachfestivals, vergleichbar mit den weltbesten Turnieren betrifft Stärke des Teilnehmerfeldes und Organisation“. Da ist (was Teilnehmerfeld betrifft) noch Luft nach oben. Vitiugov wird wohl wieder eingeladen, auch David Anton dann für die A-Gruppe und sicher auch Spieler von AVE Novy Bor. Damit wird die Chess Tour sagen „mit uns vergleichbar, vergiss es!“ – aber Turniere für die „zweite Garnitur“ mit vielleicht einigen Spielern aus der absoluten Weltklasse sind für mich mindestens ebenso interessant.
Wie es mit Pragg(nanadhaa) weitergeht: Chess24 schreibt „zählt zur Generation asiatischer Talente, die im Weltschach vermutlich in zehn Jahren das Kommando übernehmen“ – so lange geben sie ihm also, so lange müssen wir uns gedulden bis wir Näheres wissen.
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