April 19, 2024

Grischuk gewinnt Finale nach Fehlstart

Für einen besser alliterierenden Titel (dreimal F) hätte zum Beispiel Fedoseev mitspielen und gewinnen müssen. Generell ist KO-Finale nach Rundenturnier, mit eventuell Ergebnissen entgegen der vorigen Turnierlogik, eine Nebenwirkung von COVID-19, die man aus meiner Sicht „hinterher“ gerne wieder abschaffen kann – China ist dabei unschuldig, die Idee stammt offenbar aus Norwegen.

Dass Kramnik letztendlich nur den dritten Platz teilte, war dabei keine Überraschung – warum hatte ich schon im vorigen Bericht angedeutet und es wird auch in diesen einfliessen. Die drei KO-Matches endeten so: Grischuk-Kramnik 2-1 (Entscheidung im Armageddon), Tomashevsky-Svidler 1.5-0.5, Grischuk-Tomashevsky 3-0 (laut Grischuk selbst hatte er dabei Glück, Details später).

Grischuk-Kramnik 2-1 begann mit einem Fehlstart des späteren Turniersiegers. Zwar konnte Grischuk mit Weiß nach misslungener Eröffnung doch ausgleichen, aber dann hat er einfach so eine Qualität eingestellt – Kompensation Fehlanzeige, im Gegenteil. Kramnik gewann im Stil von Magnus Carlsen, König des groben gegnerischen Fehlers. Es blieb aber sein einziger Sieg an diesem Tag, und Grischuks einzige Niederlage.

In der zweiten Partie war 20.Dxb7 der Anfang vom Ende aus weisser Sicht – den Bauern bekam Schwarz (Grischuk) sofort zurück und hatte danach sehr gute Kompensation für keinen Minusbauern. Nach und nach wurde daraus der volle Punkt – Ausgleich und Armageddon.

Da hatte Kramnik Schwarz und war vielleicht optimistisch – in unseren Partien gewinnt ja immer Schwarz, und notfalls reicht mir ein Remis. In diesem Turnier gewann zuvor immer Schwarz – zweimal Kramnik-Grischuk 0-1, zweimal Grischuk-Kramnik 0-1. Längerfristig (seit 2003) gab es in Partien zwischen Kramnik und Grischuk allerdings keinen Schwarzvorteil, auch eher keinen Weißvorteil aber mit verkürzter Bedenkzeit durchaus einen Grischuk-Vorteil (Bilanz +14=12-6 zugunsten von Grischuk). Grischuk gewann recht glatt und stand im Finale.

Zu Tomashevsky-Svidler 1,5-0,5 zwei Fragen und zwei Antworten: Wer hatte etwas aus dem Nichts heraus ein klar besseres Endspiel auf dem Brett? Der Weißspieler, in beiden Partien. Wer konnte seinen Vorteil verwerten? Nur Tomashevsky in der ersten Partie, dabei war er in diesem Match tendenziell Außenseiter.

Grischuk-Tomashevsky 3-0 passte bedingt bis gar nicht zum Verlauf der drei Partien – das sagte Grischuk danach selbst (Kramnik, der ja laut Kramnik immer besser bis gewonnen steht, hätte sich nicht so geäussert). In der ersten Partie riskierte Grischuk mit Schwarz Königsindisch, darauf hatte Tomashevsky (s)eine Antwort: die Stellung nach 8.g4 hatte er bereits sechsmal und erzielte daraus zuvor 5,5/6 – das Remis schaffte Ivan Saric, nicht etwa Grischuk (FIDE Grand Prix 2015), auch nicht Nakamura oder Morozevich (zum Zeitpunkt der Partie 2012 Weltklasse) oder Kamsky (zum Zeitpunkt der Partie 2019 nicht mehr Weltklasse) und auch nicht der zum Zeitpunkt der Partie noch sehr junge Bogdan-Daniel Deac. Und auch diesmal stand Tomashevsky zunächst klar besser, aber dann passierte, was im Königsinder manchmal passiert: Weiß steht am Damenflügel überlegen, passt nicht auf und es knallt am Königsflügel.

In der zweiten Partie gewann Grischuk im Turmendspiel. Das Mittelspiel war lange ausgeglichen, im Endspiel hatte er wohl von Anfang an Oberwasser.

In der dritten Partie hatte dann Tomashevsky klaren Endspielvorteil, dann war dieser dahin und dann überschritt er offenbar die Bedenkzeit. Oder war es ein mouse slip, wie bei einem meiner Vereinskollegen? In einem vereinsinternen Lichess-Turnier schrieb er in den Chat „ich wollte remis anbieten, offenbar habe ich aufgegeben“.

Im anschließenden Interview sagte Grischuk, neben dem bereits Erwähnten, dasselbe wie tags zuvor: Am wichtigsten ist, dass das Turnier stattgefunden hat.

Wie geht es weiter? Grischuk und Svidler sitzen schon morgen wieder am Computer, nun beim Steinitz Memorial. Tomashevsky muss dagegen pausieren, und Kramnik will sicher wieder pausieren. Danach beginnt dann – jedenfalls laut einer Carlsen-freundlichen Quelle – eine neue Ära im Schach, bzw. sie hat bereits begonnen: Carlsen verteilt noch mehr Geld an sich selbst und ausgewählte andere Weltklassespieler. Woher insgesamt eine Million (Dollar, nicht Rubel) eigentlich stammt, das wird nicht verraten.

Die Grand Chess Tour pausiert ja, diese „neue Ära im Schach“ gibt es anno 2020 nicht. Aber Rex $inquefield hat laut Kommentaren auf chess24 gekontert und veranstaltet sein eigenes Turnier für vier amerikanische Spieler. Alternative wäre ein COVID-19 Benefizturnier in den USA, dafür fehlt im plötzlich vollen Internetschach-Terminkalender wohl die Zeit.