Mai 2, 2024

Schach und Quantenphysik (4) – Das Denk- und Spielmaterial (IV): Quanten als Informationsträger / Ganzheitliche Quantensysteme

QUANTEN UND INFORMATION

„In chess, as elsewhere, we live in the age of information“  (Cary Utterberg 1994)

„…dass Information eine zentrale Rolle in der Quantenphysik spielt,…dass Quantenphysik eine Wissenschaft der Information ist….“ (Prof. Zeilinger 2005a, S. 46).

Ein wichtiger Pionier des Quanteninformation-Ansatzes war der Princeton Physiker John A. Wheeler. Er verband die Quantenphysik mit der damals entstehenden Informationstheorie.
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Das BIT, als Quant der Informationstheorie

Nach Wheeler ist die binäre Einheit, das bit, das Quant der Informationstheorie (vgl. Horgan 1997, S. 136). „Wheeler began to draw his colleagues‘ attention to some intriguing analogies between physics and information theory… Just as physics builds on an elementary, indivisible entity that depends on the act of observation —namely, the quantum— so does information theory. Its ‚quantum‘ is the binary unit, or bit, which is a message representing one of two choices: heads or tails, yes or no, 0 or 1“ (Scientific American).

Information matters

Die Existenz aus der Information: ‚the it from the bit‘

„Wheeler glaubte, dass alle materiellen Objekte sich aus Informationsbits zusammensetzten, und er drückte seine Idee durch diesen Slogan aus: ‚It from bit‘. – Das Seiende beruht auf Information“ (Susskind 2010, S. 161). Der Wissenschaftsautor Horgan, der ein ausführliches Interview mit Wheeler führte, schreibt zu dessen Sichtweise: „Gemass dem Slogan ‚the it from bit‘ (‚das Es aus dem Bit‘) erzeugen wir mit den Fragen, die wir stellen, nicht nur die Wahrheit, sondern sogar die Wirklichkeit selbst – das ‚It‘ “ (Horgan 1997, S. 140). Ich übersetze das Motto meist mit ‚die Existenz aus der Information‘; in manchen Kontexten kann man es auch treffend als ‚Existenz aus der Frage‘ oder ‚Fakt durch Fragen‘ interpretieren.


Quantensysteme als Träger von Information und Realität

Der moderne Quanteninformation-Ansatz (quantum information theory) betrachtet Quantensysteme als Träger von Informationen. Wobei wir wieder bei der Quantenverschränkung / entanglement sind: „At the heart of this field is the phenomenon of entanglement, where the information about the properties of a set of quantum particles becomes shared between all of them… One implication of quantum information experiments seems to be that information held in quantum particles lies at the root of reality“ (Brooks 2011, S. 32).

Kurzkritik des Quanteninformation-Ansatzes
Obwohl mir der Quanteninformation-Ansatz sehr gut gefällt und für die Thematik Schach und Quantenphysik nahezu optimal ist, sei hier dennoch eine kurze kritische Anmerkung vorgebracht: Besteht der Mond wirklich (nur) aus Information? Kann man sich auf einen Stuhl setzen, der lediglich als Information existiert? Wenn Informationen alles wären, was existiert, könnte man die Speisekarte mit den Speisen verwechseln und über Geschmack und Nährwert enttäuscht sein. Treffender ist vielleicht, Information als Beschreibung einer bestimmten / relativen  Wirklichkeit zu verstehen. Quanten besitzen Information; Menschen besitzen Quanten, Information, Wissen und Gehirn – mehr dazu später.

GANZHEITLICHES QUANTENGESCHEHEN

Quantentheorie als Physik der Beziehungen – Prof. Görnitz (im Buch Quanten sind anders, 1999): „Im Gegensatz zur klassischen Naturwissenschaft, die ich als Physik der Objekte gekennzeichnet habe, soll die Quantentheorie als eine Physik der Beziehungen vorgestellt werden… Üblicherweise spricht man, wenn ‚das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile‘, von einer holistischen Struktur. Dies trifft auf die Quantenphysik zu!“ (S. 106-107), siehe auch die Abbildung „Charakterisierung eines Quantensystems“ auf S. 108 dieses Buchs von Görnitz. 

Ebenfalls zum „ganzheitlichen Charakter der Quantenphysik“ führen Davies & Brown (Der Geist im Atom 1993, S. 23) aus: „Das Teil hat…für sich allein keine Bedeutung, sondern nur in Verbindung mit dem Ganzen.“ 

Quanten treten selten als Einzel“Wesen“ auf, meist in größeren Ansammlungen, Strahlen und Feldern.

Dr. Reinhard Munzert