Mai 14, 2024

Lothar Maximillian Lorenz Schmid wurde in Radebeul bei Dresden geboren. Seine Eltern waren Miteigentümer der Carl May Press, die Abenteuer-Romane veröffentlichte. Während des Zweiten Weltkriegs entging die männliche Hälfte der Familie Schmid wie durch ein Wunder der Mobilmachung und der Einberufung an die Front. Lothar schrieb später, dass er aus der Liebe zur Literatur, die ihm von seinen Eltern eingeflößt wurde, der Besitzer der größten Schachbibliothek wurde (über 15.000 Exemplare), darunter auch die Lusena-Traktate.

1941 gewinnt Lothar die Dresdner Meisterschaft, zwei Jahre später wird er Zweiter bei der Juniorenmeisterschaft von Deutschland und seinen besetzten Gebieten. Infolge der Schlacht um Dresden zwischen den sowjetischen und deutschen Streitkräften, begleitet von alliierten Luftangriffen, wurde die schöne Stadt und ihre Umgebung praktisch ausgelöscht. Auch das Verlagshaus von Schmids Eltern wurde zerstört. 1947 gewinnt der junge Schachspieler die Meisterschaft der Sowjetischen Besatzungszone, ein Jahr später gelingt ihm die Übersiedlung in den Westen nach Bayern.

Schmid erweist sich schnell als einer der stärksten Spieler in der BRD und belegt den 3. Platz bei der gesamtdeutschen Meisterschaft, wo seine Hauptkonkurrenten Bogolyubov und Unzicker waren. 1950 wurde Lothar in die westdeutsche Nationalmannschaft für die Olympiade in Dubrovnik aufgenommen, und vor allem durch das hervorragende Spiel von Schmid, der am zweiten Brett Zweiter wurde, konnte Deutschland „Bronze“ holen. Später nahm Lothar noch 10 Mal an den Nationenturnieren teil und gewann dabei zweimal im Einzel- und einmal im Mannschaftswettbewerb eine Medaille am Brett. Bei den Olympischen Spielen 1974 führte Schmid das Team Deutschland an. Viermal nahm er an Mannschafts-Europameisterschaften teil und jedes Mal stand er auf dem Podium, wenn sich Spieler im Einzelwettbewerb auszeichneten.

Er gewann eine Reihe von internationalen Turnieren: Travemünde 1951, Zürich 1954 und 1964, Göteborg 1956, Malaga 1963, Mar del Plata 1970, 1973 und London 1979. Trotz seiner beeindruckenden Turniererfolge und des errungenen Großmeistertitels war Lothar Schmid, anders als Unzicker oder Uhlmann, kein Schachprofi. Er leistete viel Organisations- und Schiedsrichterarbeit, und unter seiner Mitwirkung bestritt die westdeutsche Nationalmannschaft zahlreiche Freundschaftsspiele sowohl gegen die UdSSR als auch gegen andere Großmächte. Im Jahr 1956 erreichte er das Finale der Weltmeisterschaft im Fernschach, wo er den zweiten Platz belegte, und drei Jahre später wurde ihm der Titel eines Großmeisters der IKChF verliehen.

Lothar Schmid hatte große Schachkompetenz. Als sich das Schachspiel in einer Ära der Konfrontation zwischen der UdSSR und dem Westen befand, fungierte er oft als Schiedsrichter für die schwierigsten Partien, da ihm auch die hartnäckigsten Gegner passten. Er war Hauptschiedsrichter bei den Weltmeisterschaftskämpfen Fischer-Spassky 1972, Karpow-Kortschnoi 1978 und Kasparow-Karpow 1986, den Herausfordererkämpfen zwischen Fischer und Petrosian 1971 und Kortschnoi und Polugajewski 1977, der 24. Olympiade (1980), der Juniorenweltmeisterschaft (1980) sowie dem „Rematch des Jahrhunderts“ zwischen Robert Fischer und Boris Spassky (1992).

Lothar Schmid starb am Vorabend seines 85. Geburtstages in Bamberg, der Stadt, in der der Großmeister nach seiner Übersiedlung aus der DDR sein Leben lang gelebt hatte.

Foto: Frank Hoppe