April 24, 2024

GABRIELE HÄCKER IST DIE ERSTE DEUTSCHE INTERNATIONALE SCHIEDSRICHTERIN

Erfreulicherweise engagieren sich mehr Frauen als Schiedsrichter. Im letzten Jahr wurden auch Maria Graf, Estelle Morio und Claudia Münstermann zu FIDE-Schiedsrichterinnen ernannt.

Internationale Schiedsrichterin Gabriele Häcker (Foto von Oliver Köller)

Die Schiedsrichterkommission ist sehr erfreut über diese Entwicklung und möchte auf einem Workshop am 9.3.2021 darüber diskutieren, wie dies noch weiter beschleunigt werden kann.

Gabriele Häcker konnte auf dem letzten Meisterschaftsgipfel ihre letzte von vier benötigten Normen erfüllen und wurde dann Ende 2020 von der FIDE zur ersten deutschen Internationalen Schiedsrichterin ernannt. Mit freundlicher Genehmigung des Frauenreferats drucken wir hier ein Interview ab, welches Olga Birkholz mit Gabriele Häcker geführt hat. Das Original ist im Newsletter 2 des Frauenreferats zu finden.

Seit 1994 kennt Olga Birkholz Gabriele Häcker persönlich, und freut sich ihr ein paar Fragen zu stellen. Gabriele ist ein Vorbild für Mädchen und Frauen: Mehrfache Mutter, Mannschaftsführerin, Jugendleiterin, Schachspielerin und einfach nett und hilfsbereit.

Olga Birkholz:Liebe Gabriele,
herzlichen Glückwunsch zum Titel! Nicht jede Frau und Mädchen darf auf dem Schachfeld pfeifen. Sie darf und kann!  Danke für Deine Zeit! Wann hast Du angefangen, Schach zu spielen?

Gabriele Häcker: Ich habe mit vier Jahren beim Zusehen Schach gelernt und dann in der Familie gespielt. Mit 14 bin ich in einen Schachverein eingetreten.

OB: Als kleines Mädchen hättest Du lieber mit den Jungen oder mit Mädchen gespielt?

GH: Ich habe grundsätzlich lieber mit Jungs gespielt, nicht nur beim Schach.

OB: Welche Schachfigur magst Du am besten?

GH: Da gibt es keine, die ich bevorzugen würde.

OB: Seit langer Zeit engagierst Du dich für deinen Verein und Frauenschach. Warum und/oder wer waren Deine Vorbilder und Schachfreunde?

GH: Ich hatte keine Vorbilder, mir macht es einfach Spaß Dinge zu organisieren. Schon in der Oberstufe des Gymnasiums war ich Spielleiterin meines früheren Vereins, dem Schachklub Bietigheim-Bissingen. Seit 1982 bin ich Jugendleiterin des SV Stuttgart-Wolfbusch 1956 e.V.

OB: Du bist auch ausgebildete Schachtrainerin. Welche Altersgruppe trainierst Du, Mädchen
und Jungen zusammen?

GH: Ich trainiere Mädchen und Jungen ab vier, sonst Jugendliche jeden Alters jeweils zusammen. Auch im Erwachsenen Schachabend mache ich gelegentlich Trainingseinheiten.

OB: Welches Thema findest Du in der Ausbildung der ehrenamtlichen TrainerInnen am Wichtigsten?

GH: Den kindgerechten Umgang mit den ganz Kleinen.

OB: Seit wann spielt ihr in der Frauen-Bundesliga?

GH: Seit Gründung der Frauen-Bundesliga 1991 ist der SV Stuttgart-Wolfbusch 1956 e.V. dabei, meist in der 2. Bundesliga, mit gelegentlichen Ausflügen in die 1. Bundesliga.

OB: Als Mannschaftsführerin bist Du viel unterwegs. Habt ihr Sponsoren?

GH: Nein

OB: Spaß, Erfolg, Kommunikation…Was verbindet euch? Wer spielt alles mit? Damen und
Mädchen, oder mehr Damen.

GH: Unsere Mannschaft ist als ganz überwiegend junges Team zusammen gewachsen und hat mit einem Altersschnitt von knapp 20 Jahren 2011/12 1.FBL gespielt. Unsere Mannschaft ändert sich von Saison zu Saison nur punktuell, da wir niemanden anwerben, der mit Verein oder den bisherigen Spielerinnen nichts zu tun hat, insbesondere kein Honorar zahlen. Das gemeinsame Erlebnis steht immer im Vordergrund (z.B. mit Trainingswochenende, Abendessen und gemeinsame Vorbereitung bei Doppelrunden).

OB: Wie bekommst Du Schach, Familie und Deine Verpflichtungen gut geregelt?

GH: Ich bin mit einem Schachspieler verheiratet, der voll hinter meinen Aktivitäten steht und selber im Schach seit vielen Jahren ehrenamtlich aktiv ist.

OB: Was spielst Du lieber Blitz, Schnellschach oder die Partien im Fischermodus?

GH: Da hab ich keine Vorlieben.

OB: Wie groß ist Deine Familie? Spielen alle Schach?

GH: Bis auf meinen Schwiegersohn, der aber die Regeln durchaus auch kennt, spielen alle drei Kinder und zwei der Enkel Schach.

OB: Du bist eine der ersten Schiedsrichterinnen in Deutschland.

GH: Das stimmt so nicht. Ich werde wahrscheinlich in den nächsten Tagen die erste internationale Schiedsrichterin in Deutschland, eine der ersten überhaupt war ich nicht.

OB: Welche Eigenschaften sind in dieser Rolle deiner Meinung nach wichtig?

GH: Genaue Regelkenntnis, Fingerspitzengefühl und Fairness.

OB: Gibt es Unterschiede bei Frauen- und Männerturnieren?

GH: Mir sind keine aufgefallen.

OB: Welcher Fall blieb für dich in Erinnerung besonders erhalten?

GH: Ein Betrugsfall im Kinderbereich, den der Trainer angestiftet hatte. Da ging es um die Ausnützung der Berührt/Geführt Regel. Der Gegner wurde aufgefordert zu schauen ob sein König einen blauen Punkt auf der Unterseite hat und dann wurde er aufgefordert ihn wegen der Regel zu ziehen. Das Ergebnis wäre ein einzügiges Matt gewesen. Diese Forderung habe ich natürlich abgelehnt.

OB: Was gefällt Dir am Schach?

GH: Dass man es mit jedem Alter, Geschlecht und fast überall spielen kann.

OB: Warum ist Schach für Mädchen gut oder nicht gut?

GH: Es ist für alle Kinder und Jugendlichen gut, weil man viel Positives dabei lernt. Z.B. sich an Regeln zu halten, Konzentration, zielgerichtetes Denken usw.

OB: Soll Schach in der Schule unterrichtet werden oder sind AGs ausreichend?

GH: Schach als Schulfach fände ich gut.

OB: Wieviel Stunden (2-4-6) in der Woche soll trainiert werden?

GH: Das kommt entscheidend darauf an was man erreichen will.

OB: Oder soll Schach als Freizeitspiel betrachtet werden?

GH: Schach ist Sport. Aber wie jede Sportart kann man es als Leistungs- oder Breitensport ausüben.

OB: Wo soll das Frauenschach hin?

GH: Nachdem in den vergangenen 10 Jahren der Frauenanteil im DSB von 6% auf 8% stieg, muss dieser Prozess weiterentwickelt werden. Wir benötigen hochwertige Turniere für die Spitzenspielerinnen und Vereinsspielerinnen. Die hohe Qualität der Frauenbundesligen und Regionalligen ist zu festigen und auszubauen. Dabei bin ich Fan von gemeinsamen Endrunden, weil hier das Gemeinschaftserlebnis für die Spielerinnen da ist.

Jürgen Klüners