April 23, 2024

Geschrieben am 01.01.2020 von Bernd Rosen

… würde es sich verdammt gut anfühlen. Woher wir das wissen? Na, weil unsere U14 genau das geschafft hat: Bei der Deutschen Vereinsmeisterschaft in Magdeburg wuchs unsere Mannschaft im Laufe des Turniers immer weiter über sich hinaus und besiegte in der letzten Rude mit Gera sogar den Dritten der Setzliste, der fette 200 DWZ-Punkte mehr an die Bretter brachte – im Durchschnitt, versteht sich!

Der Erfolg hat viele Väter, heißt es im Sprichwort. In unserem Fall ist da zunächst die Pflegeagentur 24 zu nennen, die das Team mit neuen Hoodies extra für das Turnier ausstattete. Zweitens haben sichbestimmt auch die Vorbereitungslehrgänge für die DVM-Truppe ausgezahlt, für die neben Ihrem Berichterstatter die U20-Coachs Jan Dette und Martin Grünter viel Zeit und Mühe aufwandten. Drittens wurden unsere Jungs vor Ort auch von Vater Marco Jahrke, Mutter Anke Berresheim und ab der zweiten Turnierhälfte von Familie Rasch unterstützt. Viertens sind unsere Sponsoren, der Essener Schachverband und die vielen Mitgieder zu nennen, die es uns ermöglichen, die mir dem sportlichen Erfolg unweigerlich verbundenen Kosten zu stemmen.

Moment – habe ich jemand vergessen? Richtig – die Spieler sind ja auch nicht ganz unwichtig. Irgendwer muss ja die Punkte holen! Unser Team bestand diesmal neben den erfahrenen Jonas Jahrke und Luca Zamhöfer, die bereits vor zwei Jahren in Verden an der Aller dabei waren, aus dem erst 11jährigen Nils Berresheim und dem Newcomer Lukas Rasch, der erst im Sommer 2018 mit dem Turnierschach angefangen hat. Dass wir überhaupt nach Magdeburg fahren durften, das haben wir natürlich auch Daniel Klaus und Samuel Becker zu verdanken, die bei den NRW-Turnieren für den verhinderten Lukas in die Bresche sprangen und mithalfen, die Qualifikation erfolgreich zu meistern.

Nun aber der Reihe nach: Auf Anregung unserer Jugendspieler legten wir schon ab Oktober eine Serie von Tageslehrgängen auf, die vom Trainerstab der DVM (Martin Grünter, Jan Dette und ich) zusammen organisert und durchgeführt wurden und an denen natürlich auch die Spieler der U20-Mannschaft teilnahmen. Hier schauten wir uns einige Eröffnungen näher an, lösten knifflige Aufgaben (teil unter erschwerten Bedingungen wie bei den Wendeschachaufgaben), wiederholten die Grundlagen der wichtigsten Endspiele und spielten typische Endspielstellungen aus.

Kurz vor Weihnachten überreichte dann Marco Jahrke die von der Pflegeagentur 24 gesponsorten Hoodies:

Am 26. Dezember – auf so Kleinigkeiten wie das Weihnachtsfest kann ein echter Schachspieler natürlich keine Rücksicht nehmen – hieß es dann „Auf nach Magdeburg“, wo wir uns diesmal für die komfortablere Unterbringung im Hotel Maritim entschieden hatten. Vor allem das reichhaltige Frühstücksbuffett hatte es unseren Jungs angetan – hier fand wirklich jeder etwas nach seinem Geschmack.

An das Turnier konnten wir ganz entspannt herangehen: Dass unsere U14 und erstmals auch die U20 überhaupt bei der DVM vertreten waren, betrachteten wir schließlich schon als Riesenerfolg für unsere Jugendabteilung. Die Startrangliste führte uns an Positon 12, was nun wirklich kein Grund war, sich unter Erfolgszwang zu sehen.

Die ersten beiden Tage

Der Verlauf der ersten Runde kann ja schon meinem Zwischenbericht entnommen werden.Zunächst war es eine DVM, wie ich schon einige erlebt habe: Gegen die starken Mannschaften gute Ansätze, aber am Ende doch höchstens mal ein Unentschieden. Gegen schwächere Teams durchaus mal ein Sieg, der aber ebenfalls nie leicht fällt. Mit dem Kampf gegen Münster in Runde 4 ändert sich dieses Bild: Jonas spielt plötzlich sehr präzise, sein Gegner brütet gefühlt eine ganze Stunde über der Stellung die ihm nicht gefällt – Remisschluss fast bei vollem Brett, was bei dem Stand der übrigen Partien aus Münsteraner Sicht nicht gefallen kann. Denn Luca hat schon eine Figur und danach die Partie gewonnen:

Mit 20.Dc6! Tad8 21.c5! nutzt Luca die unglückliche Aufstellung der schwarzen Leichtfiguren aus. Und wenig später setzt Lukas in der nachfolgenden Stellung sogar in zwei Zügen Matt (29.Sh6+ Kf8 30.Txf7):

Da ist zu verschmerzen, dass Nils in schwieriger Stellung den Faden verliert und erneut leer ausgeht. Wir haben gegen das nominell stärkere Team aus Münster 2,5 Punkte geholt und stehen bei 4:4 Mannschaftspunkten.

Tag 3

Tag 3 bringt den Sonnenschein nach Magdeburg, den ich zu einem kleinen Ausflug in die wirklich sehenswerte Altstadt mache. Zu mehr als einigen wenigen Schnappschüssen hat es aber nicht gereicht – die Neugierde zieht mich zurück in den Turniersaal. Außerdem ist es doch ganz schön kalt – vermutlich hat deshalb ein mitleidiger Zeitgenosse dieser unbekannten Schönen sein letztes Hemd spendiert:

Drinnen kämpft unser Quartett unterdessen gegen Erlangen. Die sind an Brett 1 und 4 deutlich favorisiert, an den übrigen Brettern halten sich die Zahlen etwa die Waaage. Aber weil Lukas gefühlt minestens 200 Punkte stärker spielt, muss sich nur Jonas eines wirklich stärkeren Kontrahenten erwehren. Zu allem Unglück landet Jonas auch noch in einer ihm unbekannten Variante, in der sich ein Qualitätsgewinn als vergiftetes Geschenk erweist. Schon bald zappelt sein König in einem Mattnetz, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Doch Luca sorgt für den Ausgleich. Auf Kosten eines Bauern hat er bei heterogenen Rochaden zumindest optisch den gefährlicheren Angriff entfacht. In komplizierter Stellung greift sein Gegner fehl und stellt den Springer nach b4, wo der wegen einer Fesselung einfach geschlagen werden kann:

Man beachte die schwache weiße Grundreihe…!

Es kommt noch besser, denn Nils hat bereits ein aussichtsreichses Springerendspiel mit Mehrbauer auf dem Brett, als sein Gegner die Zeit überschreitet. Den dritten Punkt steuert „Topscorer“ Lukas bei, der sich aus einer sehr schlechten Stellung wieder zurück in die Partie gekämpft hat, was seinen Gegner sichtlich nervös macht. Bei der ersten Ungenauigkeit schnappt Lukas sofort zu:

Der Einschlag 49…Txe3 gewinnt in allen Varianten mindestens die Qualität und lässt Weiß mit einem Scherbenhaufen zurück. Die Partie endet wenig später mit Matt.

Danach heißt es erst einmal warten: Zwei Partien in der U16 laufen gefühlt endlos, weshalb die Runde um eine halbe Stunde verschoben werden muss. Dann sitzen wir gegen Berlin Nordost erneut einem Gegner in Schlagdistanz gegenüber: Die Berliner haben an den Brettern 2 und 4 deutliche DWZ-Vorteile, und prompt verlieren Luca und Lukas ihre Partien. Luca gab allerdings auf, nachdem sein Gegner eine Gewinnstellung einzügig eingestellt hatte:

Es folgte 47.g6?? Beide Spieler hatten offenbar übersehen, dass der scheinbar uneinholbare Freibauer nach 47…Txf6 48.g7 mit 48…Lb3 gestoppt wird, weil der Tf6 die Verteidigung des gefesselten Sc6 übernimmt. Auch 49.Lh7 Kd7 50.g8D hilft nicht, denn nach 50…Lxg8 51.Lxg8 Tg6+ verbleibt Schwarz im Mehrbesitz einer Figur.

Diesen entgangenen Punkt holte sich Jonas in einem Bandwurmendspiel zurück, in dem er ursprünglich klar auf Gewinn stand, dann mehrmals am Rande der Niederlage, weil sein Gegner die viel gefährlicheren Freibauern in Verbindung mit einem brandgefährlichen Läufer hatte. Am Ende gelang es ihm auf wundersame Weise, mit seinem König auf einer Route, die über das Feld a2 führte, den schwarzen Freibauern auf h3 noch rechtzeitig abzufangen. Leider ist diese Partie nicht eingegeben worden und deshalb auf der DVM-Seite nicht herunterzuladen – eine Analyse dieses komplexen Endspiels werden wir im Jugendtraining aber bestimmt noch nachholen.

Zuvor hatte Nils den Übergang in ein Bauernendspiel korrekt berechnet:

Es folgte 44.Lxc6 Kxc6 45.b7! Kxb7 46.Kxd5, und am Ende gewann Weiß den Bh5 und später die Partie. Insgesamt also wohl ein leistungsgerechtes Unentschieden am Ende eines langen Tages.

Tag 4

Außer gegen Magdeburg in der ersten Runde hatten wir noch keine absolute Topmannschaft erwischt, aber auf Dauer kann man beim Schweizer System natürlich nicht erfolgreich spielen ohne starke Konkurrenten zugelost zu bekommen. Uns bleiben in der letzten Runde zwar die Hamburger erspart, die das Turnier mit 14:0 Punkten souverän gewinnen werden, aber dafür bekommen wir Gera vorgesetzt, immerhin den Dritten der Setzliste. Die bringen im Schnitt 200 DWZ-Punkte mehr an die Bretter und haben in der 6. Runde zudem das starke Porzer Quartett mit einem hohen 3,5:0,5 – Sieg aus allen Medaillenträumen gerissen. In der Tat geraten wir auch zunächst in Rückstand, weil Lukas seine Neigung zu interessanten, aber schädlichen Bauernzügen nicht länger im Zaum halten kann. Doch Luca spielt gegen den nominell stärksten Gegner eine couragierte Angriffspartie und kann am Ende wieder eine Fesselung zum Partiegwinn nutzen:

Nach 31.Sxh5! Df8 32.Dh7+ Ke8 33.Sf6+! dauerte die Partie nicht mehr lange: 1:1!

Und das war noch längst nicht Alles: Jonas hat endlich einmal einen Sahnetag gegen einen der Topspieler erwischt. Mit seinem geliebten Wolgagambit hat er früh die Initiative ergriffen, den geopferten Bauern auf d5 zurückgewonnen und mit seinen aktiven Figuren Qualitätsgewinn erzwungen. Dann gelingt ihm auch noch dieser Hieb:

Na – haben Sie schon gesehen, dass Schwarz hier mit 28…Dxf1+! noch einen ganzen Turm mitnehmen kann, weil 29.Kxf1 sich wegen Ta1 nebst Matt verbietet? Jonas ließ sich die Chance nicht nehmen – wenig später also 2:1.

Den Schlusspunkt setzt Nils – unser Jüngster, der zwischenzeitlich in einigen Partien schwächelte, sich nach zwei Weißsiegen aber wieder gefangen hat. Für die Partie gegen Gera habe ich ihm kurz vor der Partie einen giftigen Aufbau gegen Englisch gezeigt – die dort in 10 Minuten kurz skizzierten Ideen setzt Nils mustergültig um und zeigt sich dann auch noch taktisch auf der Höhe:

Auch hier entscheidet eine Fesselung: Die weiße Dame ist nach dem letzten Zug (Dc4-a2) nicht mehr gedeckt, und das nutzt Nils schlagfertig zum Figurengewinn: 33…Sf1+! 34.Kg2 (auch 34.Kg1 Sxe3 gewinnt für Schwarz) 34…Sxe3+! nebst 35…Dxd5. Auch diese Partie dauerte nicht mehr lange, und das Endergebnis von 3:1 war perfekt.

Ein Blick auf die Abschlusstabelle zeigt, dass wir uns mit unserem DWZ-Schnitt auf dem 4. Platz in illustrer Gesellschaft befinden. Zudem sind wir bestes NRW-Team geworden, nachdem wir in der Qualifikation ja „nur“ Platz 3 belegt hatten:

Das Team

Abschließend noch ein Blick auf die Einzelergebnisse, der unterstreicht, wie homogen und kompakt unsere Mannschaft diesmal war:

  • Jonas verteidigt das stark besetzte Spitzenbrett mit 3,5:3,5 Punkten.
  • Luca bekommt seine anfänglichen Zeitprobleme immer besser in den Griff und holt dank seiner taktischen Stärke ausgezeichnete 4:3 Punkte.
  • Nils wackelte zwischendurch bedenklich, siegt dann in den letzten drei Runden dank taktischer Stärke und guter Endspieltechnik und kommt ebenfalls auf 4:3 Punkte.
  • Lukas lässt vor allem in den ersten Runden vergessen, dass er vor 18 Monaten noch nicht einmal im Verein spielte. Taktisch bereits sehr stark, ist er positionell verständlicherweise noch nicht so weit. Trotz zwei Niederlagen zum Schluss hat auch unser zweitweiliger Topscorer am Ende hervorragende 4:3 Punkte auf dem Konto.

Weitere Informationen zum Turnier gibt es auf der Seite der Deutschen Schachjugend, die – das muss unbedingt erwähnt werden-  das Turnier perfekt ausgerichtet hat: https://www.deutsche-schachjugend.de/2019/dvm-u14/