Vier Bundesligisten waren im Europacup der Vereine vertreten: SC Viernheim, Werder Bremen, die SG Solingen und der SV Mülheim-Nord. Eine Bilanz des Bundesliga-Quartetts nach dem Kräftemessen mit den besten Teams Europas und einer hartnäckigen Magen-Darm-Malaise, die kaum ein Team verschont ließ. Informationen von Collin Colbow (Bremen), Oliver Kniest (Solingen) und Patrick Zelbel (Mülheim).
SC Viernheim
Der Deutsche Vizemeister SC Viernheim vermochte die Bronzemedaille des Vorjahres nicht zu wieder holen: Als Fünftgesetzte wurden die Viernheimer Neunte mit 10:4 Punkten. Nach einer knappen und umkämpften Niederlage gegen das topgesetzte 2700er-Team Superchess aus Rumänien in der vierten Runde durften die Viernheimer nichts mehr abgeben, um noch auf dem Treppchen zu landen.
Kritisch war das Match in der sechsten Runde gegen den nominell etwas schwächeren Gokturk Chess Sport Club. Die 2,5:3,5-Niederlage beraubte die Viernheimer ihrer Medaillenchancen. In der siebten und letzten Runde gegen den Silla Chess Club (Spanien) ging es darum, eine möglichst ordentliche Platzierung zu erreichen. Das 5,5:0,5 zum Abschluss werten die Viernheimer „als Mutmacher für die anstehende Bundesligasaison“.
Einige Medaillen gehen nach Viernheim, allen voran die goldene für Dinara Wagner. Als Gastspielerin des rumänischen Clubs „Superchess“ trug Wagner entscheidend zum Gewinn der Rumäninnen im parallel ausgespielten Europacup der Frauen bei.
Dazu kommen zwei Brettpreise. Anton Korobov (5 Punkte aus 6 Partien, Performance 2777) gewann die Silbermedaille für die zweitbeste Leistung am dritten Brett. David Anton, der in Albanien für den Titelverteidiger Novy Bor (Tschechien) spielte, gewann nicht nur mit seinem Team Silber. Mit 5 Punkten aus 6 Partien (Performance 2842) sicherte er sich obendrein Gold für die beste Leistung am vierten Brett.
SV Werder Bremen
Eine „starke, junge Mannschaft“ hatte Bundesliga-Teamchef Spartak Grigorian als Werder-Vertretung im Europacup nominiert. Unter 84 Teams waren die Bremer an 22 gesetzt – und wahrscheinlich die Einzigen, die ihre Aufstellung ausblitzten. Die nominell etwa gleichstarken 2400er klärten am Brett, wie die Mittelachse zwischen Roeland Pruijssers (Brett 1) und Sven Charmeteau (Brett 6) besetzt sein sollte.
Untergebracht waren die Bremer nicht im Haupthotel, in dem gespielt wurde, sondern etwas abseits. Zwar mussten sie nun 40 Minuten vor Partiebeginn aufbrechen, aber im Lauf des Turniers zeigte sich, dass sie dafür bessere Chancen hatten, von der grassierenden Magen-Darm-Krankheitswelle verschont zu bleiben.
Nach einem Auftaktsieg gegen den Ennis Chess Club (Irland) ging es in der zweiten Runde gegen Titelverteidiger Novy Bor mit Vincent Keymer am ersten Brett. Zwar setzte es ein 2:4, aber Nikolas Wachinger glänzte mit einem Sieg über den fast 2700 Elo schweren Schweden Nils Grandelius, glatt herausgespielt nach einem feinen Bauernopfer für Initiative in der Eröffnung.
Nicht nur über Wachingers tollen Sieg freuten sich die Bremer, auch über einen prominenten Kiebitz. Vom Nebentisch kam gelegentlich Magnus Carlsen herüber, um zu schauen, wie sich die Werderaner schlagen.
Für Nikolas Wachinger war der Sieg der Auftakt zu einem tollen Turnier. In der letzten Runde brauchte er nur noch einen halben Punkt für eine GM-Norm – allerdings mit Schwarz gegen einen GM, der keine Geschenke zu verteilen hatte. Die Partie ging verloren.
In der Abschlusstabelle lagen die Bremer als 31. mit 8:6 Punkten etwas unter ihrem Setzlistenplatz. Die Bilanz von Collin Colbow: „Insgesamt haben wir ein im Schweizer System übliches Turnier gespielt: gegen stärkere Teams verloren und gegen schwächere Teams gewonnen.“
Mit einer Blitzschachsession am Strand ließen die Bremer ihren Europapokal ausklingen. In einer Bar hatten sich einige Schachspieler versammelt, darunter Shakhriyar Mamedyarov, der jegliche Herausforderungen im 2+0 akzeptierte. Nikolas Wachinger und Collin Colbow waren nahe dran, dem ehemaligen WM-Kandidaten eine Bulletpartie am Brett abzunehmen, verzettelten sich aber nach eigener Aussage.
SG Solingen
Die Mannschaft der SG Solingen musste über das Turnier hinweg nicht nur mit den Gegnern am Brett, auch mit der grassierenden Krankheit kämpfen, „was leider dazu führte, dass wir sogar dreimal ein Brett kampflos abgeben mussten“, berichtet Vorsitzender Oliver Kniest. Weiter schreibt er über das Solinger Europapokal-Abenteuer: „Wir sind in diesem Jahr ausschließlich mit Spielern aus der 2. Bundesliga angetreten und hatten gehofft, dass Alexander Krastev am Spitzenbrett vielleicht seine erste GM-Norm schaffen kann, die er im letzten Monat beim GM-Turnier in Erkenschwick um einen halben Zähler verpasst hatte.
Für ihn lief es – trotz ebenfalls zwischenzeitlicher Erkrankung – zunächst sehr gut, doch leider verpasste er in der 6. Runde nach einem Zeitnotpatzer in Gewinnstellung gegen Alvar Alonso Rosell (2574) den Sieg. Dies war doppelt bitter, da so der Kampf zum 2,5:3,5 verloren ging und er in der letzten Runde keinen hinreichend starken Gegner am Spitzenbrett mehr erhielt.
Zu allem Überfluss stellte er dann auch noch in der Schlussrunde eine sehr gute Stellung gegen das Luxemburger Team aus Schifflange zum Verlust ein und ruinierte dadurch sein eigentlich starkes Turnier. Ähnlich ging es der Mannschaft, die durch die schwache Leistung in der Schlussrunde erstmals im Turnier mit 6:8 Zählern ein negatives Punktekonto besaß und dadurch etwas unter Wert geschlagen wurde, weil in den vorherigen Duellen gegen die stärkeren Teams aus Riehen (Schweiz) und vom Silla Chess Club (Spanien) durchaus Siegchancen bestanden, die aber nicht genutzt wurden.“
Als einziges deutsches Team waren die Solinger auch mit einer Mannschaft im Europacup der Frauen vertreten. Dazu Kniest: „Die sehr junge Mannschaft (Durchschnittsalter 18 Jahre) hat ein ausgezeichnetes Turnier mit 9:5 Zählern und Platz 7 gespielt. Dabei waren die Unentschieden gegen das drittplatzierte serbische Team SK Crvena zvezda Data Driven Lab und das 2:2 in der Schlussrunde gegen Tayfun Ljubljana (das den vierplatzierten Sloweninnen die Silbermedaille kostete) sowie der knappe Sieg gegen das albanische Team Teuta (mit Stefanova, Socko, Cifka) die Highlights.
Sehr schade war, dass die exzellent aufspielende Annmarie Mütsch ausgerechnet in der letzten Runde ihre einzige Partie gegen Nataliya Buksa verlor und dadurch sowohl IM- als auch WGM-Norm verpasste. Auch Machteld van Foreest fehlte mit 4/7 am Spitzenbrett ein halber Zähler zur WGM-Norm. Topscorerinnen waren Mütsch und Luisa Bashylina mit 4,5/7.
Die Damen wurden – aus für uns nicht ersichtlichen Gründen – am Anreisetag in einem anderen Hotel als die Herrenmannschaft untergebracht, was ihnen einen täglichen 25-minütigen Bustransfer zum Spielort bescherte, aber sie dafür rückblickend betrachtet vor der Krankheitswelle schützte, die nahezu ausschließlich die Mannschaften betraf, die im Haupthotel residierten, wo auch gespielt wurde.“
SV Mülheim-Nord
Patrick Zelbel berichtet, wie es der Mannschaft des SV Mülheim-Nord erging: „Wir waren mit einem reinen Amateurteam vor Ort, und hatten immerhin 3 Spieler aus dem Bundesligakader dabei. Der Start war vielversprechend, gegen ein starkes Team mit 6 Titelträgern verloren wir in der ersten Runde nur knapp 2,5 – 3,5.
Doch dann wurden wir von den gesundheitlichen Problemen, wie man am Ergebnis sieht, heftig getroffen. Mir ging es tagelang wirklich schlecht, Theo Gungl an Brett 3 spielte gar nicht mehr, sodass wir einige kampflose Partien verloren. Kampflos verlor ich bis dahin eine Turnierpartie noch niemals, also so schnell lasse ich mich wirklich nicht umhauen. Da rächte es sich dann dass wir nur mit 6 Spielern in Albanien waren.
Also ein gutes Mannschaftsergebnis war natürlich hinfällig. Immerhin konnten wir in der letzten Runde Weilheim schlagen, und so noch ein deutsches Team hinter uns lassen. Und individuell war es von mir an 1 (4,5/5 der gespielten Partien) und Valentin Buckels an 2 (4,5/6) gar nicht schlecht.“
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