Oktober 11, 2024

Fluch oder Segen für das Schach? Das Schachspielen im Internet

Noch vor wenigen Jahren lockte ein Schnellschach- oder Blitzturnier nicht selten zwischen 150 und 200 Teilnehmer an. Ganze Schachkarawanen zogen Woche für Woche von Turnier zu Turnier. Man kannte sich, oder man lernte sich kennen. Der Reiz, seinen Gegner leiden und in die Augen zu sehen war groß und das war sicher auch einer der Gründe, warum diese Turniere so erfolgreich waren. Doch dann begann der Siegeszug im Onlineschach.

Jetzt konnte man Zuhause spielen. Nicht nur am Wochenende, sondern täglich. Zu jeder Zeit! Das man seinen Gegner nicht sieht, hat ja auch gewisse Vorteile. Man kann des Gegners Züge laut kritisieren, sich lustig über ihn machen und seinen menschlichen Bedürfnissen nachgehen. Dazu eine Flasche Bier in der Hand.

Sieht ja keiner. Auch gegen das Rauchen hat kein Schiedsrichter etwas einzuwenden. Man kann auch seinen Gegner beschimpfen, ohne Sorge, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt.

Heute werden täglich ein, oder gar mehrere Turniere, auf den Schachservern angeboten. Ohne Startgeld und ohne Fahrtkosten. Kleine Preise sind ausgesetzt. Aber das hat ja den Durchschnittschachspieler ohnehin nie interessiert.

Es wird sicher durch das Onlinespielen viel mehr Schach gespielt. Auch kann man nicht bestreiten, dass die Spielstärke durch das viele Spielen gesteigert wird. Doch im zwischenmenschlichen Bereich werden Defizite aufgebaut. Das Familienleben leidet, weil das dauernde Spielen im Internet zur Sucht wird und für andere sinnvolle Dinge, wie z. B. Bewegung, keine Zeit mehr da ist.

Man kann die Entwicklung nicht aufhalten. Die Vereine müssen nach neuen Wegen suchen und das Spielen im Verein und bei Turnieren attraktiver machen. Die Konkurrenz ist nicht der Nachbarverein, sondern das Spielen im Internet.

Text: Franz Jittenmeier