April 18, 2024

Ein Bauernzug für das Geschichtsbuch

In den Spuren des Vaters: Die Erfurterin Elisabeth Pähtz hat als erste Deutsche die Norm eines Schach-Großmeisters der Männer erfüllt

Von Axel Eger

Elisabeth Pähtz bei der Siegerehrung in Riga. BILDSCHIRMFOTO:

Riga. In ihrer an Superlativen schon reichen Schachkarriere hat Elisabeth Pähtz einen weiteren historischen Meilenstein erreicht. Mit dem zweiten Platz beim GrandSwiss-Turnier von Riga erfüllte die 36-Jährige als erste Deutsche die entscheidende dritte Norm für den Titel eines Männer-Großmeisters.

Dank des Schlussrundensieges gegen die Kasachin Bibisara Assuybayeva sicherte sich die Erfurterin nicht nur den für die Norm erforderlichen Punkt, sondern auch die Qualifikation für den  GrandSwiss im kommenden Jahr. In dieser letzten Partie hatte Pähtz eine Art kontrollierter Offensive gewählt, denn für die Grand-Prix-Qualifikation hätte ihr schon ein Remis genügt.

„Es war fürmich einSpiel auf zwei Ergebnisse, Sieg oder Unentschieden, das Verlustrisiko war minimal“, sagte sie. Als sie ihren Bauern erst nach b4 und dann weiter auf b5 nach vorn schob und sich der gegnerische Springer auf a4 an den Rand verirrte, war sie sich sicher, dass alles gut geht.

„Wenn du gewinnst, hast du das Turnier deines Lebens gespielt.Wenn du verlierst, willst du allein in deinem Hotelzimmer sterben“, beschrieb sie anschließend ihre emotionale Gratwanderung.
Natürlich spürte sie Genugtuung, nach zehn Jahren Anlauf mit zwei vorhergehenden Normen 2011 und 2016 und manch knappem Scheitern, es nun endlich geschafft zu haben.

„Doch richtig freuen werde ich mich erst, wenn mir der Titel vom Kongress des Weltverbandes dann tatsächlich verliehen wird“, sagte Pähtz, die in der Weltrangliste den Sprung unter die Top 15 schaffte.

Dass alle Welt aber nur über den Titel redet, irritiert sie fast ein wenig. „Persönlich sind mir meine Medaillen im Grunde wichtiger“, sagte die einstige Jugend- und Junioren-Weltmeisterin und Schnellschach-Europameisterin der Frauen. Doch die historische Dimension ihres jüngsten schachlichen Coups, der mit einem Preisgeld von gut 15.000 Dollar belohnt wird, kann sie nicht bestreiten.

Frauen-Großmeisterin war das einstige deutsche Wunderkind schon mit 16 geworden, nun gehört sie zu dem illustren Kreis jener, die den begehrtesten Titel des Schachs tragen dürfen.In Deutschland hatte das noch keine Frau geschafft, weltweit gibt es gerade einmal 40.

Für Elisabeth Pähtz schließt sich zugleich ein besonderer familiärer Kreis. Vor knapp 30 Jahren war Vater Thomas, damals genauso alt wie die Tochter heute, Großmeister geworden. Anschließend hatte er seine eigenen leistungssportlichen Ambitionen aufgegeben und Elisabeth als Trainer den Weg geebnet – auch für ihn erfüllte sich in Riga ein großer Traum.

Schon in der spanischen Liga im Oktober hatte Elisabeth Pähtz eine spürbar ansteigende Formkurve gezeigt. Dass sie nun gegen die Weltelite in elf Runden fünf Siege einfuhr, nur einmal verlor und überhaupt schwer ausrechenbar war, weil sie fast alle Eröffnungen spielen kann, rechnet sie ausgerechnet auch der Corona-Pause zu. Im

Herbst 2020 hatte sie mit Videotraining begonnen, unterrichtete seitdem online den ein oder anderen Vereinsspieler. „Vieles im Schach ist Mustererkennung, taktische Motive, die es zu erkennen und Strukturen, die es zu beherrschen gilt“, erzählt sie, „wenn man so will, habe ich mit ihnen noch einmal selbst studiert und davon profitiert.

“ Eine Meisterin, die mit ihren Schülern lernt – wahrhaftiger kann der Weg zum Großmeister nicht verlaufen.

Erschienen in der Thüringer Allgemeine