Gehirn, Neuronale Netze, Neurocomputing im Schach:
(K)Ein Computer arbeitet wie ein Gehirn (alte Erkenntnis)
Das neue künstliche Wunderkind ChatGPT weiss von sich selbst, dass es auf künstlichen neuronalen Netzen basiert (siehe unten). Es lernt nebenbei auch Schach. Ist es schon aufgeklärt über die Ahnenreihe des Neurocomputing im Schach?
Munzert, R. 1988, – 2023;
Lai M. 2015 / 2016
30 Jahre vor AlphaZero: Nachdenken über neuronale Schachmaschinen
„Schon 1988 ging es mir um neuronale Architektur, künstliche neuronale Netze, Musterkennung nach Menschenart, selbstständiges Lernen, assoziatives Gedächtnis und künstliche Intuition im
Schach“, schreibt uns jetzt Dr. Reinhard Munzert, den Schachspieler in erster Linie als Autor des 1989 erstmals veröffentlichten und seitdem mehrfach neu aufgelegten Buchs „Schachpsychologie“ kennen. Seinerzeit waren neuronale Netze in erster Linie eine Idee, um Computern zum Beispiel die Gesichtserkennung zu erleichtern. Dass sich mit einer neuronalen Architektur auch ein künstlicher, gleichwohl dem Menschen naher Schachautomat schaffen lassen müsste, darüber dachte 1988 außer Reinhard Munzert wahrscheinlich niemand nach.
Sein Nachdenken mündete in einen Beitrag in Europas größter Fachzeitschrift für Computerschach, die Computerschach und Spiele: „Neuro-Schachcomputer – Spekulationen über zukünftige Generationen schachspielender Automaten“ hieß der Text Munzerts, der Mitte 1988 erschien. Wer den heute liest, glaubt kaum, dass er von 1988 stammt. „Dieser Artikel nahm einiges vorweg, was DeepMind und Google/Alphabet Jahrzehnte später beeindruckend verwirklicht haben“, schreibt Munzert.
Ob das stimmt, kann jeder selbst nachschauen. Als 27 Jahre nach der Erstveröffentlichung erste Versuche mit Schach und neuronalen Netzen öffentlich wurden, erschien der Text erneut in dem ansonsten brach liegenden Blog, das der längst eingestellten „Computerschach und Spiele“ folgte.
https://www.heise.de/hintergrund/Schachcomputer-bringt-sich-das-Spielen-bei-2817558.html
„Eine Künstliche Intelligenz untersucht und bewertet die Stellungen von Schachfiguren auf dem Spielbrett. Das System lernt mithilfe eines neuronalen Netzwerks. …
(Der) Ansatz verfolgt die Künstliche Intelligenz, die Matthew Lai vom Imperial College London entwickelt hat. Sein lernfähiges System ähnelt dem Aufbau nach den Neuronen im menschlichen Gehirn und hat sich innerhalb von 72 Stunden das Schachspiel selbst beigebracht….“.
Hier kommt mir vieles bekannt vor,
meine Grundlagen & Perspektivenhinweis zu Neuronalen Netzen und Neurocomputing
werden nicht erwähnt. Dr. Lai ging zu DeepMind und durfte seine Aktivitäten mit Giraffe nicht fortsetzen. Das übernahm jetzt DeepMind unter Führung von Dr. Demis Hsssabis.
Wieder zu AlphsZero
Heute geht Munzert der Frage nach, ob und wie AlphaZero denkt:
„Its construction is based on the way our brains are wired…“
(Natasha Regan in Game Changer 2019, S. 404).
Das Gehirn ist schwer zu fassen. Milliarden verknüpfter Neuronen (Nervenzellen) können Erstaunliches leisten. Sie können sogar andere “Gehirne” erfinden, elektronische: von klassischen hirnfreien Rechnern zu Neuro-Computern. Manche Computer haben kaum Ähnlichkeit mit unserem biologischen Wundergewebe. Andere schon, diese rechnen/„denken“ mittels künstlicher neuronaler Netzwerke.
Neuronale Netze und Schach
Eine wesentliche Grundlage für den Erfolg von AlphaZero ist die Verwendung von neuronalen Netzen beim Schachspiel. AlphaZero und Vorgänger AlphaGo werden als „neural network based system“ beschrieben (S. 19; vgl. S. 70).
An vielen Stellen des Buches finden sich Ausführungen zu neuronalen Netzen. So zur Positionsbetrachtung, Mustererkennung und Bewertung aktueller und möglicher Entwicklungen mittels gemachter „Erfahrungen“ (S. 96-97): „AlphaZero uses a neural net…We have found time and time again that given enough capacity and training time the neural network will eventually figure out automatically which patterns are useful and which ones are not.“
(S. 91): „In order to process a given chess position, the neural networks in AlphaZero turn the position into a long vector of numbers. These numbers are then processed through the many layers of the neural network.“
Und wo sind diese künstlichen Neuronen – real oder als Algorithmus? Hier kommen wohl TPUs ins Spiel:„Tensor Processing Units – specialist computer chips that were developed by Google specifically for machine learning“ (S. 412). Superprozessoren also, bei denen Google verständlicherweise manches geheimhält.
Viele kreative Denker sowie Teams in Forschungseinrichtungen, Universitäten, Konzernen (und Garagen?) arbeiten an innovativen Neuro-Computing-Realisierungen und Anwendungen. Mancher Gebrauch von künstlicher Intelligenz ist leider nicht so harmlos wie beim Schachspiel. Der allgemeine Siegeszug von künstlichen neuronalen Netzen ist mittlerweile unaufhaltsam.
Wie AlphaZero “denkt”
„How AlphaZero thinks“ (S. 68)
Sadler & Regan schreiben: „AlphaZero’s thought processes are more human-like than traditional chess engines…“ (S. 69).
An anderer Stelle sprechen sie von widerspiegeln: „…mirrors a human thought process…“ (S. 95). DeepMinds Chef Demis Hassabis, Computerwissenschaftler und Hirnfachmann, hingegen setzt ‚think‘ in Anführungszeichen (S. 15).

Denken Neuro-Computer?
Denken oder nicht denken, das ist hier die Frage. Fest steht, AlphaZero beherrscht grandiose Informationsverarbeitung. Aber rechnet der Neuro-Champ noch oder denkt er schon? Hängt natürlich davon ab, was man unter Denken versteht.
Wie denken Menschen: Vor allem sprachlich und bildlich – sequenziell, parallel, wechselwirkend und teilweise unbewusst. Wie ist es bei Ihnen?
Was die Bild- und Musterverarbeitung anbelangt, sind Neuro-Computer nach entsprechendem Training meist ausgezeichnet. Viele Neuro-Computer können bekanntlich auch Spracherkennung, -verarbeitung und -produktion (auch ihre kleinen Geschwister im Smartphone, siehe “Siri”).
Meine Meinung: Künstliche neuronale Netze sind wohl eine Schnittstelle zwischen Rechnen und „Denken“. Für Künstliche Intelligenz sind sie unentbehrlich.
„…ChatGPT: Ich bin ein maschinelles Lernmodell, das auf künstlicher neuronaler Netze (ANN) basiert. ANNs sind eine Art von algorithmischem Modell, das versucht, die Strukturen und Funktionsweisen des menschlichen Gehirns nachzuahmen…“
„Forscher messen in künstlichen neuronalen Netzen ähnliche Aktivität wie im menschlichen Gehirn
Künstliche Sprachintelligenz arbeitet nach den gleichen Prinzipien wie das Sprachzentrum im menschlichen Gehirn. Was bedeutet das für die weitere Forschung?
Eveline Geiser 26.02.2023
Dazu haben die Wissenschafter die Aktivität im künstlichen neuronalen Netz gemessen. Erstaunlicherweise stimmten die Aktivitätsmuster gut mit der gemessenen Aktivität im menschlichen Hirn überein. Das menschliche Gehirn arbeitet also ähnlich wie die KI – und umgekehrt….“
Wird fortgesetzt… / einige Links funktionieren noch nicht
Dr. Reinhard Munzert
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