Wie Valerija Naumenko Hemer in der Bundesliga hielt
Etwa vier Stunden waren gespielt, als ihre eigentlich klar favorisierte Gegnerin Valerija Naumenko die Hand zur Aufgabe reichte. Valerija füllte äußerlich ruhig das Partieformular aus. Nur sehr aufmerksame Beobachter konnten erkennen, dass ihre Hand dabei zitterte. Sie blieb noch kurz am Brett sitzen und stand dann auf.
Bis zu diesem Moment hatte sie nur gewusst, dass sie ihre Partie gewonnen hatte, nicht aber, dass dies der entscheidende Punkt zum 3,5-1,5 war, der Hemer den Klassenerhalt sicherte.
Im wichtigsten Spiel der Saison hatte sie ihren ersten Punkt in der Bundesliga erzielt, obwohl nominell (deutlich) stärkere Spielerinnen im Kader standen. Wie kam es dazu?
Etwa vier Stunden waren gespielt, als ihre eigentlich klar favorisierte Gegnerin Valerija Naumenko die Hand zur Aufgabe reichte. Valerija füllte äußerlich ruhig das Partieformular aus. Nur sehr aufmerksame Beobachter konnten erkennen, dass ihre Hand dabei zitterte. Sie blieb noch kurz am Brett sitzen und stand dann auf.
Bis zu diesem Moment hatte sie nur gewusst, dass sie ihre Partie gewonnen hatte, nicht aber, dass dies der entscheidende Punkt zum 3,5-1,5 war, der Hemer den Klassenerhalt sicherte.
Im wichtigsten Spiel der Saison hatte sie ihren ersten Punkt in der Bundesliga erzielt, obwohl nominell (deutlich) stärkere Spielerinnen im Kader standen. Wie kam es dazu?
Rückblende.
Vier Tage bei der Bundesligaendrunde sind ein teurer Spaß. Wenn man die Liga halten will, braucht man seine Spitzenspielerinnen, die aber Flugkosten verursachen.
Auf der anderen Seite sind wir keine Profimannschaft, so dass vor allem unsere jungen Spielerinnen ind er stärksten Liga der Welt spielen sollen.
Der Spagat zwischen diesen Extrempositionen erfordert eine gute Planung.
Unsere sah so aus, dass die jungen Spielerinnen Katharina Ricken und Alessia Ciolacu vier Runden durchspielen sollten. Im wichtigen Auftaktspiel gegen Lehrte sollten Luminita Cosma, Carmen Voicu-Jagodzinsky und Iulia Ionica spielen, die auch bis zum Ende vor Ort bleiben sollten aber nur je zwei bis drei Spiele. Alisa Frey war für die ersten zwei Spiele eingeplant und sollte am Donnerstag abreisen. Lisa-Marie Möller war für die Spiele gegen Baden-Baden und Deizisau vorgesehen und sollte dann gemeinsam mit Valerija Naumenko und Catriona Dartmann Aubanell abreisen.
Doch nachdem Katharina nicht ganz fit von einem Turnier aus Ungarn wieder gekommen war, musste sie am Mittwochmorgen absagen.
Nun war guter Rat gefragt.
Catriona sollte gegen Lehrte spielen. Sie hatte bereits Erfahrung aus wivhtigen Abstiegsspielen und gegen Leipzig und Löberitz gewonnen. Valerija hingegen war noch punktlos und zudem bei ihrer ersten Auswärtsfahrt dabei. Sie sollte sich erstmal an die Atmosphäre gewöhnen und – so der Plan – nach einem Punktgewinn gegen Lehrte ohne ernsthaften Abstiegsdruck dann durchspielen.
Aber es kam anders. Wir unterlagen Lehrte und konnten gegen Baden-Baden nichts holen.
Valerija spielte eine ansprechende Partie gegen Iosefine Heinemann, aber verlor letztlich klar.
Vor dem Spiel gegen Deizisau wurde immer klarer, dass wir vermutlich noch etwas holen mussten, um nicht abzusteigen.
Katharina hatte mittlerweile angezeigt, dass sie zur Not nachreisen könnte, wofür wir sehr dankbar waren. Aber manchmal muss man angeschlagene Spielerinnen auch für sich selbst schützen.
Es blieb dabei: Valerija sollte die letzte Runde spielen. Allerdings nahmen wir sie für das Spiel gegen Deizisau raus, damit sie sich einen ganzen Tag auf die Partie gegen Rodewisch vorbereiten konnte.
Nachdem auch das Spiel gegen Deizisau verloren war, sah es vor der zehnten Runde so aus:
Wir hatten noch eine Chance auf Punkte gegen Rodewisch. Sollten wir verlieren, würden ein Punkt für Löberitz und zwei für Leipzig den Abstieg bedeuten. Da wir am letzten Spieltag spielfrei waren, war dies nicht auszuschließen, auch wenn Hamburg und Harksheide, die nacheinander gegen unsere Konkurrenten spielen sollten, stärker einzuschätzen sind.
Einen Trumpf hatten wir noch in der Hinterhand:
Am Freitagabend um 18.30 Uhr gingen wir zum letzten gemeinsamen Essen vor einem Spiel in dieser Saison: Luminita, Carmen, Iulia, Alessia, Valerija und Lara!
Lara Schulze war von einem erfolgreichen IM-Turnier in Hamburg zu uns gestoßen, um uns im letzten Spiel zu helfen. Lara absolviert ein Schachjahr und hatte bereits vor der Saison gesagt, dass sie vermutlich kaum für Spiele zur Verfügung stehen würde. Da wir einen kompletten Kader für die Saison hatten, aber ein freier Platz noch vorhanden war, meldeten wir Lara.
Leider überschnitten sich dann die Bundesligatermine mit ihren Turnierplänen, so dass es bis zur letzten Runde nicht zu einem Einsatz kam. Als sie auch in ihrer Heimatstadt bei der Endrunde in den ersten drei Runden nicht gesichtet wurde, war es für Rodewisch wohl keine Option, dass Lara plötzlich spielen würde.
Auch psychologisch war Laras Eintreffen für unsere Spielerinnen wichtig. Nach drei Niederlagen bei der Endrunde und insgesamt fünf in Folge tat die Fröhlichkeit von Lara, die sie eigentlich immer ausstrahlt aber nach einem guten Turnier natürlich noch mehr, allen Spielerinnen gut.
Am Morgen des entscheidenden Spiels saß ich noch mit Valerija zusammen, die nach eigener Aussage kein Gefühl hatte, was der Tag bringen würde.
Ich sagte ihr, dass sie in keiner Variante für den Abstieg der Mannschaft verantwortlich sein könne, aber es unter vielen denkbaren Konstellationen auch eine gebe, in der sie den Klassenerhalt sicherstellt.
Und dann gingen die Partien los. Valerija spielte mit Schwarz und bekam erwartungsgemäß Spanisch aufs Brett.
Zu unser aller Überraschung und vor allem zu Valerijas verbrauchte ihre Gegnerin in einer normalen Stellung sehr viel Zeit. Valerija, die sonst regelmäßig in Zeitnot kommt, hatte um den 15. Zug noch eine Stunde und 15 Minuten auf der Uhr, während ihre Gegnerin noch 30 Minuten hatte.
Gegen kurz vor 14.00 Uhr überschlugen sich dann die Ereignisse. Lara hatte Remis gespielt. Iulia stand auf Gewinn. Und Valerija hatte eine Qualität gewonnen. Iulia und Valerija hatten nun aber auch Zeitprobleme.
Als Iulia gewann kam Luminita zu mir, die ein Remisangebot erhalten hatte. Sie nahm an. Alessia bot daraufhin ebenfalls Remis an. Als ihre Gegnerin umgehend akzeptiert hatte, stand es 2,5-1,5.
Und dann entschied Valerija mit einigen präzisen Zügen das Match. Einen Zug vorm Matt gab ihre Gegnerin auf.
Dass beim Stand von 3,5-1,5 Carmen noch zwei Stunden ein schwieriges Endspiel – letztlich ohne Erfolg – verteidigte, ist eine andere Geschichte, die aber hier nicht mehr hingehört.
Valerija hat im fünften Schuljahr bei Carmen in der AG Schach gelernt. 2016 fuhr sie mit ihrer Trainerin und ihren Mannschaftskolleginnen zur DVM U14w, wo sie Platz sieben belegten. Valerija holte das beste Ergebnis. 2017 und 2018 war sie Mitglied in der von mir betreuten U16-Mannschaft bei der DVM. Sie holte jeweils die meisten Punkte der Mannschaft.
2018 wurde sie NRW-Vizemeisterin und qualifizierte sich für die Deutschen Meisterschaften.
2020 wurde sie in der U18w in Willingen Fünfte bei der Deutschen Meisterschaft und verpasste die Bronzemedaille nur um einen halben Punkt, der in der letzten Runde möglich war.
Vor einigen Wochen wurde sie mit der Schulmannschaft NRW-Vizemeister bei den Mädchen.
Aber der Sieg gestern war vermutlich ihr bisher wichtigstes Resultat.
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