April 19, 2024

Schrödingers Schachzug (2. Teil) in der HeisenbergRealität

Schrödingers Schachzug (2. Teil) in der HeisenbergRealität

Verschränkung im Schach: Zuerst mental, dann real; aber ist mental nicht auch schon real?

 

Mit seinem Gedankenexperiment – bekannt als „Schrödingers Katze“ – verdeutlichte der Nobelpreisträger seine Einschätzung der Quantentheorie als unzureichend oder fehlerhaft.

 

Schrödinger hielt ja nichts von einer unklaren, verschwommenen Realität, die er in seinem Katzenexperiment darstellte. Ein unscharfer Zustand in dem eine Katze gleichzeitig tot und lebendig sein könnte.

SchrödingerRealität

Diese „Wirklichkeit“ fand Schrödinger als weltfremd. Er verstand Quantenmechanik als Beschreibung sichtbarer, beobachteter, tatsächlicher Dinge und Vorgänge, wie diese auch in der klassischen Physik beschrieben werden. – Mir hat es bei meinen Überlegungen geholfen diese Position als SchrödingerRealität zu bezeichnen.

HeisenbergRealität

Eine alternative, besser gesagt, umfassendere theoretische Einstellung betrachtet auch mögliche Entwicklungen als zur Realität gehörend. Heisenbergs „Zwischending“:

„Die mathematischen Symbole…stellen eher das Mögliche als das Faktische dar. Vielleicht könnnte man sagen, sie stellen ein Zwischending zwischen Möglichem und Faktischem dar…“ (1930-1932 / 2014, S. 71-72). 

Auch was möglich ist, ist realistisch! Diese Betrachtungsweise passt natürlich ausgezeichnet zum Schach.

Figuren und Züge statt Katzenjammer

In Anlehnung an Schrödingers Gedankenexperiment versuche ich die wesentlichen Aspekte mittels des Indische Schachproblems handfest mit Figuren, Zügen und Brett darzustellen -ohne imaginäre Katzen zu beunruhigen 

Indisches Schachproblem meets Quantentheorie

Meines Erachtens eignet sich das Indische Schachproblem (von Rev. H. Loveday, 1845) dazu, wichtige Konzepte der Quantentheorie zu verdeutlichen: Verschränkung, Überlagerung, Heisenbergs Zwischending und Tendenz, Wellenfunktion / Wahrscheinlichkeitswelle, ganzheitliches Zusammenwirken. Ebenso können von mir in die Quantentheorie eingebrachte Konzepte wie ProStructures, Emergentlement, determinierende Tendenz (N. Ach /  Würzburger Schule), Verschränkungsmatrix usw.aufgezeigt werden.

Quantenprozesse im Gehirn

Möglicherweise entsprechen manche Prozesse der  Informationsverarbeitung beim  Problemlösen sogar der Quantenrealität im Gehirn.

https://www.chess-international.com/?p=70036

 

       Was bisher geschah:

https://www.chess-international.com/?p=70531

 

 

Schach und Quantenphysik: Das Indische Schachproblem quantenmechanisch betrachtet (II)

 

Wer die obigen Beiträge nicht gelesen hat, kann gleichwohl direkt in die Thematik einsteigen:

Ich beziehe mich auf den „Inder“, in der Version, wie er als Matt in drei Zügen in Schubirz und Brinckmann (1968, S. 94-95 & 100) zu finden ist. Die Problemstellung und die richtigen Lösungszüge sehen wie folgt aus:

Weiß: König b5, Turm d1, Läufer g2 und Läufer h6, Bauer f2 und Bauer g4.
Schwarz: König e4, Springer f3, Bauer b7 und Bauer e5.

Parallele zu Schrödingers Katze

Die Ausgangslage für Beobachter und Problemlöser ist ungewiss: Noch weiss niemand, ob der Schachspieler das Problem (in einer Stunde) gelöst haben wird oder nicht.

Die Züge zum Matt:

1. Läufer h6-c1, dieser Zug ist schwer zu finden, weil er zunächst sinn- bzw. wirkungslos erscheint. Doch er ist die Weichenstellung, der kritische Zug. Wird er nicht ausgeführt, ist die Problemlösung in drei Zügen nicht möglich.  – Der erfolgreiche Problemlöser jedoch sieht den Zug Läufer h6-c1 wahrscheinlich schon gedanklich in Wechselwirkung (mental verschränkt) mit seinem nächsten Zug – nachdem Schwarz gezogen haben wird.

Der nächste Zug ist also mental vorhanden! Aber noch nicht ausgeführt!

Kein Beobachter kann nun mit Sicherheit sagen, ob der Zug ausgeführt wird. Er ist wie die Katze lebend & tot oder weder tot noch lebend beziehungsweise nicht ausgeführt & ausgeführt in der HeisenbergRealität.

Ist Läufer h6-c1 ein Kandidat für Schrödingers Schachzug? Durchaus möglich, aber es gibt einen geeigneteren um Schach-Verschränkung zu demonstrieren.

Erzwungener Zug

Schwarz kann nur mit dem Bauern b7 ziehen, 1…b7-b6, der Springer ist gefesselt, der König hat kein Feld, auf dem er nicht im Schach stehen würde und kann momentan nicht ziehen.

Schrödingers Schachzug: Turm d1-d2

Der folgende Zug verdient es Schrödinger gewidmet zu werden. Hier waren zunächst im Gehirn die beiden Züge verschränkt, bevor diese auf dem Brett verschränkt werden!

2. Turm d1-d2, der Turm verstellt dem eigenen Läufer auf c1 damit die Wirkung auf Feld f4. Dieser Zug macht nur Sinn, durch den vorhergehenden intuitiv sinnlos erscheinenden Zug Läufer auf c1. Meines Erachtens kann man dazu sagen: die beiden weißen Züge und Figuren wechselwirken miteinander und sind real / faktisch verschränkt.

Zugzwang

– Jetzt kann und muss Schwarz den König nach f4 ziehen (sein einziger Zug) 2…e4-f4. 

Überlagerung von Möglichkeiten

In dieser Position wird Schwarz im nächsten Zug von Weiß matt sein, falls Weiß 3. Turm d2-d4 zieht, bei allen anderen Zügen von Weiß ist Schwarz (noch) nicht matt. –

Hier sei für Quantenversteher ergänzt: Man kann nach dem 2. Zug von Weiß zusätzlich eine Überlagerung von Möglichkeiten im quantenmechanischen Sinne sehen: Je nachdem, ob Weiß Turm d2-d4 zieht oder nicht, bricht die Zustands- bzw. Wellenfunktion der Problemlösung zusammen oder besteht weiterhin.

Mattzug

3. Turm d2-d4, öffnet die Wirkungsdiagonale für den Läufer auf c1 wieder und gleichzeitig bietet der Turm auf der 4. Reihe Schach, also doppeltes Schach und matt!

Wenn man genau nachdenkt: Bei der gesamten Problemlösung fand eine doppelte Verschränkung statt: Im Gehirn / neuronalen Netzen und auf dem Brett!

Verschränkung

Schrödinger hat neben seinen Katzen-Gedankenexperient auch die Konzepte, Verschränkung, Wahrscheinlichkeitswelle, Quantensprung in die Quantenphysik eingebracht.

  Wissen und Verschränkung

Interessant ist, dass Nobelpreisträger Schrödinger nicht nur Teilchen oder Körper verschränkt sieht, sondern auch unser Wissen um die jeweilige Verbindung (Wechselwirkung): „Wenn zwei getrennte Körper, die einzeln maximal bekannt sind, in eine Situation kommen, in der sie aufeinander einwirken, und sich wieder trennen, dann kommt regelmäßig das zustande, was ich eben Verschränkung unseres Wissens um die beiden Körper nannte“ (1935/1996, S. 28)

Bringen wir nun Schrödingers Aussage von 1935 mit dem von mir durch Schach angereicherten Beispiel zusammen: Es sei gestattet, dass ich die entsprechenden Figuren und Züge jeweils so 》  《 in das obige Zitat von Schrödinger einbaue: 

„Wenn zwei getrennte Körper 》die Schachfiguren weißer Läufer auf h6 und weißer Turm auf d1《 die einzeln maximal bekannt sind, in eine Situation kommen, in der sie aufeinander einwirken 》nach den Zügen Läufer h6-c1 und dann Turm d1-d2《 und sich wieder trennen 》durch Turm d2-d4 《 , dann kommt regelmäßig das zustande, was ich eben Verschränkung unseres Wissens um die beiden Körper nannte“ (mit unserem Schachbeispiel angereichertes Zitat von Schrödinger 1935/1996, S. 28).

Die Verschränkung (der Figuren) beginnt im Kopf des Schachspielers bzw. Problemlösers. in welcher Wirklichkeit ist ein mentaler Zug?

Dr. Reinhard Munzert

Copyright Dr. R. Munzert 2023