April 19, 2024

Solingen vorne, Nordclubs straucheln (4. Spieltag)

Conrad Schormann – Fünf Matches, fünf Siege: Die SG Solingen bleibt an der Tabellenspitze der Schachbundesliga. In der vierten Runde besiegten die Klingenstädter den Münchener SC, außerdem haben sie einen weiteren Sieg aus der vorgezogenen siebten Runde auf dem Konto. Auch die Meisterschaftsfavoriten aus Baden-Baden und Viernheim stehen mit weißer Weste, aber einem Match weniger oben. Verkorkst ist der Saisonstart für die Clubs aus dem Norden verlaufen. Bremen, Kiel und Hamburg stehen einträchtig nebeneinander auf den Rängen 11 bis 13.

Großmeister SL Narayanan, von der Mannschafts-WM direkt zur Bundesliga gereist, vermochte die klare Niederlage des Aufsteigers aus Deggendorf nicht abzumildern. Nach dem Match sorgte er mit einem kritischen Tweet zum Vorgehen bei der Anti-Cheating-Kontrolle für Aufsehen. Narayanan hatte sich nach seiner Darstellung kurz vor der Partie mitten im Raum seiner Schuhe und Socken entledigen müssen, bevor sich herausstellte, dass Metall im Fußboden den Detektor der Schiedsrichter hatte piepen lassen. | Foto: Michael Reiß/MSC 1836

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Gerade so hat Titelverteidiger OSG Baden-Baden gegen Aufsteiger Kirchweyhe Flecken auf der weißen Weste vermieden. Das Match begann mit der üblichen Strategie der Badener, dank ihres Elovorteils Schwarzpartien schnell remis zu geben, bevor etwas anbrennen kann, diesmal vorexerziert von Michael Adams und Jan Gustafsson.

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24.Sf5!?, objektiv nicht ganz korrekt, aber mutig und praktisch brandgefährlich.

Das Schwarzremis am ersten Brett war anderer Natur. Ein Springeropfer von Kirchweyhes Velimir Ivic für Königsangriff sollte, unter der Engine-Lupe betrachtet, nicht ganz korrekt sein, aber zwischen den beiden Menschen führte es zu signifikanter Kompensation. Nikita Vitiugov mit den schwarzen Steinen gab das Material zurück, und die Partie trudelte in ein blutleeres Endspiel aus. So nicht eingeplant war auch das Weißremis von Alexander Donchenko, dem die Eröffnung misslungen war, und der per Remisangebot erfolgreich die Luft aus der Partie ließ, bevor ernsthaft etwas schiefgehen konnte.

Wollte Baden-Baden trotz dieser Remisflut gewinnen, musste irgendwo ein voller Punkt her. Anfangs sah es aus, als könnte Sergei Movsesian sein günstiges Endspiel zum vollen Punkt kneten. Aber letztlich war es Rustam Kasimdzhanov, der den nötigen vollen Punkt machte, nachdem Hrvoje Stevic auf der anderen Seite des Brettes ausgangs der Zeitnot die Partie entglitten war.

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Big Point für Werder Bremen in, ungewohnte Konstellation für die Nordlichter, einem Kellerduell. Nach der Niederlage gegen den kleinen Nachbarn aus Kirchweyhe und der folgenden Niederlage gegen Baden-Baden haben die Bremer jetzt vermieden, endgültig unten zu kleben.

Schönaich auf der anderen Seite klebt jetzt unten drin als einzige Mannschaft, die nach vier Spieltagen noch ohne Punkt dasteht. Andererseits dürfen die Schönaicher für sich in Anspruch nehmen, mehr als andere Bundesligateams auf einheimischen Nachwuchs zu setzen. Das Youngster-Trio Tobias Kölle, Nils Richter und Marius Deuer schlug sich mit 1/3 gegen drei arrivierte Großmeister achtbar. Nils Richter war gegen Zbynek Hracek gar nahe dran an seinem zweiten Partiegewinn in der Liga.  

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Punkte für die Tabelle hat der TSV Schönaich noch nicht gesammelt, aber Sympathiepunkte als diejenige Mannschaft, die am konsequentesten heimische Nachwuchsspieler einsetzt, den einstigen Deutschen A-Jugendmeister Nils Richter etwa. | Foto: Slowenischer Schachverband

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Solingen verteidigt die Tabellenspitze, muss aber hart kämpfen. Lange sah es aus, als pendele das Geschehen zwischen 4 und 4,5 Punkten für Solingen. Dann unterlief Michael Prusikin ein Versehen, das dazu führte, dass eine Plus-neun-Stellung plötzlich wieder ausgeglichen war, und der Mannschaftspunkt war für die Münchner außer Reichweite geraten.

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Und jetzt 26…Sxe5, dann fast immer 27…a4, und Weiß kann schon fast aufgeben. Unglücklicherweise unterlief Prusikin ein klassischer Fall von „zweiter Zug vor dem ersten“: Er spielte 26…a4, und nach 27.Txd3 war Weiß plötzlich dem Ausgleich nahe.

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Auch als sich der Sieg längst abzeichnete, wollten die Mülheimer Mannen keine Zugeständnisse machen. Bis in die siebte Stunde zog sich das längst entschiedene Match, weil Alexander Moiseenko gegen Aleksander Delchev partout mit Turm gegen Springer gewinnen wollte.

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Mit einem Springer weniger gewann stattdessen Arturs Neiksans, der sich hinterher auf Twitter freute, nun wieder Mitglied des 2600-Elo-Clubs zu sein.

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Ke4!, ein ziemlich cooler Weg, wieder über 2600 zu kommen.

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Nach einer Reihe mühsamer, knapper Erfolge gelingt der Viernheimer Riege der erste Kantersieg. Auf Seiten der Bayern gelang es zwar der iranischen Doppelspitze Maghsoodloo/Tabatabaei, die Viernheimer WM-Kandidaten Mamedyarov/Duda zu neutralisieren. Aber an den unteren sechs Brettern setzte es für die Bayern ein 0,5:5,5.

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Mit 28…c3 begann der weiße Kollaps in Georgiadis-Korobov. In Lokander-Kovalenko wäre nach 38…gxh5 kein Kollaps nötig gewesen. 39. Th2, und Weiß findet Gegenspiel. Nach stattdessen 39.Lxh5?? Td3 stand Weiß unmittelbar auf Verlust. 

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Der Remis-Reigen an sechs der acht Bretter täuscht darüber hinweg, dass mehr Entscheidungen möglich waren. Gata Kamsky am dritten Brett etwa profitierte von Elovorteil und Legendenstatus, als er im Mittelspiel in kritischer Lage ein Friedensangebot über den Tisch sandte, das Antonios Pavlidis akzeptierte. Matthias Blübaum hingegen wird sich mächtig ärgern, dass er den vollen Punkt nicht nahm, obwohl der quasi vor ihm lag.

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…und jetzt 35…Dxf6, und Schwarz gewinnt. Blübaum zog stattdessen 35…Te1+ und gewann nicht. Auch das mag, siehe Prusikin-Diagramm oben, ein Fall von „zweiter Zug vor dem ersten“ gewesen sein.

Auf Deizisauer Seite hat Neuzugang Adam Kozak einen blendenden Einstand gefeiert: 2,5 Punkte aus 3 Partien. Er bleibt mit seiner Truppe dank des vorab absolvierten Siebtrundenmatches Tabellenzweiter hinter Solingen.

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Deizisaus Neuzugang Adam Kozak. | Foto: Angelika Valkova

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Das Match hätte so oder so ausgehen können. Anfangs hatten die Berliner mit dem Rücken zur Wand agiert, nachdem Andrey Esipenko am ersten Brett Jan-Christian Schröder in einem Vorstoß-Caro-Kann mit 3…c5 ausgetrickst hatte. Aber dann wendete sich nach und nach gerade so viele Partien zugunsten Berlins, wie die Hauptstädter zum Matchgewinn brauchten.

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Das Geschehen wendete sich bald zugunsten der Sachsen. Am dritten Brett veropferte sich Hamburgs Gabor Papp und musste feststellen, dass ihm Material fehlte, um den ins Freie gezerrten König von Grzegorz Gajewski zu erlegen. Frederik opferte nach misslungener Eröffnung auf Chance Material in Ermangelung einer guten Alternative, fand aber keine Gegenchancen. Diesen beiden verlorenen Punkten liegen die Hamburger vergeblich hinterher. Nun finden sie sich auf dem ungewohnten Abstiegsplatz 13 wieder.