Dezember 6, 2024

Ein Lebenszeichen im Abstiegskampf

(Ein Bericht von Andreas Jagodzinsky, 14.11.2022)

Nach dem katastrophalen ersten Wochenende, an dem wir lediglich einen Brettpunkt erzielen konnten und erstmals auf dem letzten Platz in der Bundesliga standen, führte uns die Reise am zweiten Wochenende nach Rodewisch.

Dieses Mal musste bei der Aufstellung nicht improvisiert werden.

Carmen Voicu-Jagodzinsky meldete sich einsatzbereit. Sie hätte auch noch weiter pausieren können, wollte aber spielen. Auch wenn sie selbst etwas unglücklich agierte (dazu später), war es für die anderen Spielerinnen ein klares Signal, dass wir trotz schwieriger Ausgangslage weiter das Ziel Klassenerhalt anpeilen.

Erstmals in dieser Saison stand uns auch die Deutsche Meisterin Lara Schulze zur Verfügung, die in dieser Saison am ersten Brett spielt.

Ihr Debüt in der Bundesliga und für Hemer stand für Honorata Kucharska aus Polen an.

Unsere Jugendspielerin Catriona Dartmann Aubanell war von Anfang an fest für Brett sechs eingeplant, da sie in der vergangenen Saison gerade in den engen Spielen im Abstiegskampf mit 3/3 überzeugt hatte.

Die routinierten Großmeisterinnen Luminita Cosma und Eva Kulovana sollten den jungen Spielerinnen die nötige Sicherheit geben.

Ein Teil der Mannschaft reiste am Freitag erst bis Leipzig, um dann am Samstagmorgen nach getaner Vorbereitung bis Lengenfeld, wo wir übernachteten, weiterzufahren.

Dort trafen wir Lara und später am Spielort Honorata.

Auftaktgegner am Samstag war die Gastgebermannschaft aus Rodewisch. Diese waren mit nur einem Punkt gegen Aufsteiger Erfurt ähnlich schlecht in die Saison gestartet wie wir. Offenbar sollten gegen Hemer und unsere Reisepartnerinnen aus Solingen unbedingt Punkte erzielt werden, so dass Rodewisch mit einer sehr starken Aufstellung an die Bretter ging und insbesondere am letzten Brett deutliche Elovorteile aufwies. Insgesamt sassen eine IM, zwei WGM und drei WIM gegenüber.

Allerdings hatten wir unseren Klassenerhalt in der vergangenen Saison gegen Rodewisch mit einem Sieg gesichert.

Und in Anbetracht unserer Tabellensituation war verlieren ohnehin verboten.

Um es vorwegzunehmen: das Match war von Anfang bis Ende extrem spannend. Jede einzelne Partie war umkämpft.

Am besten entwickelte sich die Lage im Duell der beiden Kaderspielerinnen Lara Schulze und Fiona Sieber für uns. Lara setzte Fiona von Beginn an unter Druck.

Am zweiten Brett war Luminita sehr schnell unterwegs, spielte in kurzer Zeit fast 20 Züge in einer theoretischen Variante und strebte ein Endspiel an, das eine hohe Remiswahrscheinlichkeit aufwies.

Carmen war erkennbar und nachvollziehbarerweise nicht in Bestform. Zwischendurch drohte ihre Partie, eine ungünstige Richtung einzunehmen. Aber unsere Spielerin kämpfte.

Völlig undurchschaubar war für mich Honoratas Partie. Objektiv hatte sie wohl in einer Modevariante Vorteil, aber irgendwie sah das alles sehr gefährlich aus.

Hingegen schien Eva an Brett fünf besser zu stehen.

Catriona wehrte sich mit Schwarz tapfer, nachdem wir morgens bei der Vorbereitung so ziemlich jede mögliche gegnerische Spielerin kurz angesehen hatten, dabei 1.d4 und 1.e4 ansehen mussten und ich auf ihren Hinweis, dass noch eine Spielerin 1.c4 spielt, mit der Bemerkung abbrach, dass die wohl höher als Brett sechs spielen würde. Tat sie natürlich nicht.

Und dann stand es plötzlich 1-2 gegen uns. Honorata gelang es nicht, die gegnerischen Drohungen abzuwehren, so dass sie aufgeben musste. Luminita und Carmen hatten Remis gespielt.

Zum Glück hatte Lara Material gewonnen und schickte sich an, den Kampf wieder auszugleichen.

Jetzt hing das Schicksal an den beiden hinteren Brettern.

Aber irgendwie war Eva die Stellung entglitten. Mittlerweile befand sie sich in der Defensive.

Was machte Catriona? Gegen eine erfahren WIM hatte sie nicht nur alle Drohungen abgewehrt, sondern mittlerweile einen Bauern gewonnen. Sollte sie etwa schon wieder in einem entscheidenden Spiel gewinnen können?

Die nächsten Stunden gehörten zu den spannendsten in der bisherigen Bundesligageschichte des Vereins (ich ahnte nicht, dass es am nächsten tag noch schlimmer werden sollte). Eva verteidigte sich zäh und setzte bei Minusmaterial auf einen eigenen Freibauern. Dieser erschien ihrer Gegnerin irgendwann so gefährlich, dass sie eine Zugwiederholung anbot. Mit Blick auf Catrionas Stellung nahm Eva das Remis.

Catriona gewann wenig später eine Figur im tausch gegen ihren gefährlichen Freibauern auf f2. Allerdings hatte auch ihre Gegnerin mittlerweile einen Freibauern auf h6.

Wie schon letzte Saison gegen Leipzig beeindruckte mich erneut die Präzision unserer Jüngsten, die bei knapper Bedenkzeit den genauesten Weg zur Realisierung ihres Vorteils suchte und fand.

Als die Gegnerin aufgab, war der Jubel auf Hemeraner Seite groß.

Der Kontakt zu den Nichtabstiegsplätzen war nach einer großartigen kämpferischen Leistung wieder hergestellt.

Das Abendessen schmeckte nach diesem Sieg natürlich besonders gut.

Quelle SV Hemer