Schach und Klassische Physik (III): Felder
Abbildung aus Binet, A. 1894
„Feld: Etwas, das Ausdehnung in Raum und Zeit besitzt…“ (Stephen Hawking 1988, S. 226)
Braucht man für die Wirkungen der Steine auch die Schachfelder? Versuchen Sie’s ohne! Wenn es um Bewegung und Wirkung der Schachsteine geht, sind natürlich die Felder, auf denen die einzelnen Steine stehen sowie die Felder auf die sie einwirken und zu denen sie ziehen können, höchst relevant.
Bobby Fischer sagt’s knapp: „Ein Zug ist das Bewegen einer Figur von einem Feld auf ein anderes“ (1974/1981, S. 3).
Verständlicherweise richtet sich die Aufmerksamkeit der Spieler auf die Figuren. Im Gegensatz zu den Figuren kann man ja die Felder nicht bewegen. Trotzdem läuft bzw. zieht ohne Felder gar nichts im Schach.
Im Vergleich zu den verschiedenen Figuren mit ihren diversen Möglichkeiten sind Felder eher unspektakulär. Was soll man auch schon sagen, es gibt 32 weiße und 32 schwarze quadratische Felder auf dem Brett, die abwechselnd aufeinander folgen und auf acht senkrechten Linien sowie acht waagrechten Reihen angeordnet sind. Doch dabei übersieht man leicht ihre enorme Bedeutung – das wird bei uns anders sein.
Eine Figur hat nur Wirkung, wenn sie auf einem Feld steht. Während sogar leere Felder für eine Partie entscheidend sein können. Ein Brett völlig ohne Steine hat wiederum keine Information, weder Dynamik noch Wirkung.
Benjamin Franklin bezeichnete das Geschehen auf dem Brett als „scene of action“ (1779/1986, S. 233), Am besten stellt man sich Felder und Steine als Einheit vor. Beim Brett auf dem Tisch oder auf dem Bildschirm oder im kognitiven Spielfeld Gehirn.
In der Physik ist das Feldkonzept zentral
Einstein brachte bei seinem Versuch Relativitätstheorie mit Quantenmechanik zu verbinden das Konzept „Feld“ ins Spiel. „Ein neuer Begriff taucht in der Physik auf, der bedeutendste Gedanke seit Newton: das Feld“ (Einstein & Infeld 1950/1987, S. 216).
[Bedauerlicherweise meinten die beiden Physiker damit nicht das Schachfeld 🙂 . Interpretiert man die Namen der zwei Autoren kreativ, kann man eine Anspielung auf Schach nur relativ unscharf ausschliessen. ]
Aber im Ernst: Einstein wollte mit dem Feldbegriff „zu einer reinen Feldphysik“ kommen (S. 218), was ihm nicht gelang. Als er dies noch hoffte, schrieb er zusammen mit seinem Mitautor „vorläufig müssen wir also noch beides als gegeben hinnehmen: Feld und Materie“ (Einstein & Infeld 1950/1987, S. 218). Schachbrett und Steine (Material) hören sowas gerne!
Im Hinblick auf Einstein schreibt Physikprofessor Rovelli zum elektromagnetischen Feld: „Das Feld ist eine allgegenwärtige reale Entität, die die Radiowellen trägt, den Raum füllt, wie die Oberfläche eines Sees wogen und schwanken kann, und die Elektrizität ‚ringsum verteilt‘ “ (2017, S. 15).
Damit nähern wir uns wieder der Quantenphysik / Quantenmechanik. Hier könnte ich noch Relativität im Schach behandeln –
siehe Lasker,E. & Munzert,R.: Gesunder Menschenverstand & Relativität im Schach (1999, 2. Aufl. 2004, nicht jedoch die sog. 3.Aufl. ohne Relativität)
aber mich ziehts wieder zur Quantenphysik, wohl durch spukhafte mentale Verschränkungen.
Exkurs: Schachpartienartiges Buchprojekt von Heisenberg
Bei meiner Ausarbeitung der Thematik Schach und Quantenphysik habe ich einen aussergewöhnlichen Fund gemacht, der meines Wissens in Schachkreisen bislang kaum bekannt ist.
Zum 70. Geburtstag von Nobelpreisträger Heisenberg veröffentlichten frühere Mitarbeiter und Fachkollegen ein Buch mit dem Titel Quanten und Felder.
Ein Beitrag hält fest, dass Heisenberg zusammen mit C. F. v. Weizsäcker ein philosophisches, wissenschaftstheoretisches und quantenphysikalisches „Schach“buch schreiben wollte – und warum es nicht dazu kam:
“ Notizen über die philosophische Bedeutung der Heisenbergschen Physik
C. F. v. Weizsäcker
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-322-83700-4_2
Zusammenfassung
Werner Heisenberg hat mich in den letzten zwei Jahrzehnten mehrfach gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm ein Buch zu schreiben, dem er den Arbeitstitel „Schachmeisterpartien“ gab. Er wollte darin die philosophische Relevanz der modernen Physik — die in ihr sich andeutende radikale Änderung unseres Denkens — in einer Anzahl von „Schachpartien“ gegen Anhänger der verschiedenen traditionellen Denksysteme durchdiskutieren; also z. B. gegen einen Materialisten, einen Thomisten, einen Positivisten, einen Kantianer, einen Hegelianer, einen Platoniker. Ich habe ihn enttäuscht durch ein konstantes „Noch nicht“. Mir wäre in einer Reihe der Partien ja wohl die Führung der gegnerischen Steine zugefallen, in der unbequemen Rolle dessen, der etwas präzise vertreten soll, was er selbst nicht glaubt. Dies leisten zu können, hätte mich brennend interessiert, aber ich bin trotz einigen Fleißes im Studium der klassischen Positionen nicht schnell genug vorgerückt. Ihm ist schließlich die Geduld gerissen, und er hat etwas geschrieben, wozu nur er allein fähig war, eine Art Lebenserinnerungen in der Form platonischer Dialoge, unter dem Titel „Der Teil und das Ganze“.
Dazu bald mehr!
Dr. Reinhard Munzert
Bin überwältigt. Herzlichen Dank!
Herrlich!
„… was bleibet aber, stiften die Dichter“ (Friedrich Hölderlin 1808).
Lieber Schachfreund,
wollen Sie dieses Gedicht nicht als Beitrag beim Schach-Ticker einbringen!
Reinhard Munzert
SCHACH UND PHYSIK
verschränkt mit etwas Lyrik.
Das Feld, Objekt in Raum und Zeit –
von Feld zu Feld im Schach nicht weit.
Rotverschiebung ist kein Schachzug,
dunkle Materie hat nichts mit
schwarzen Steinen zu tun und diese
nichts mit dem Schwarzen Loch.
Grünsteinvariante und Gambit
sind keine Versionen des Orbit.
Die Parallaxensekunde
ist kein Maß der Blitzschach-Runde.
Schach spielt man in Raum und Zeit,
doch nicht mit Lichtgeschwindigkeit.
Dunkle Materie ist rätselhaft,
dunkle Energie nicht minder.
Das Wissen ist noch lückenhaft,
man kommt nicht recht dahinter.
Es braucht wohl wieder ein Genie,
gar eine neue Theorie.
Da ist beim Schach klarer das Feld,
Schwarz und Weiß setzt die ganze Welt.
Wer dabei die Würfel vermisst,
dem fehlt etwas, das ist gewiss.
Könige liebten dieses Spiel,
Schach dem König des Spieles Ziel.
Newtons Gesetze sind phänomenal,
Einstein modernisierte sie genial.
Nobelpreis und stets für den Frieden,
solche Leute bräuchte es hinieden.
Einstein und Hawking, diese beiden
wird man rühmen zu allen Zeiten.
Ein relativ unscharfes Gedicht
über Einstein, Raumzeit und Licht.
EINSTEIN RELATIV LYRISCH
Zeit ist relativ,
man hat sie leider nie.
Einstein forschte intensiv,
offenbarte sein Genie:
Konstant bewegt sich das Licht,
schneller geht es nunmal nicht.
Ein weiteres Resultat: E = m c ²
Er brachte die Raumzeit ins Spiel,
eine Feldgleichung war das Ziel.
Masse krümmt umgebenden Raum –
Revolutionäres war gedacht,
Wissenschaft vorangebracht.
Noch ist nicht Schachmatt angesagt,
darum noch ein paar Verse gewagt.
Stephen Hawking ist entschwunden,
hat sein Schwarzes Loch gefunden.
Auf der Erde bleibt sein Platz leer,
die Wissenschaft vermisst ihn sehr.
Fehlte ihm auch die Körperkraft,
sein Geist ist niemals erschlafft.
DAS SCHWARZE LOCH
Ein kosmisches Schwergewicht,
zu keiner Diät bereit;
Sternenstaub das Hauptgericht,
verschmäht wird keine Mahlzeit.
Die Materie superdicht,
stark verbogen die Raumzeit;
dem Monster entkommt kein Licht,
Gefängnis für die Ewigkeit.
Der Ereignishorizont ist Grenze,
dahinter ist einfach Sense.
DUNKLES UNIVERSUM
Am Anfang war der Urknall,
um uns herum der Nachhall.
Das Weltall in Expansion
Milliarden Jahre nun schon.
Es sind dabei die Galaxien
einander rasant zu entflieh’n.
Ob wir nun schlagen oder rochieren,
der Kosmos wird weiter expandieren.
Da ist keine Wende in Sicht,
irgendwann geht aus das Licht.
Bis dahin wird noch viel Zeit vergeh’n,
die Schachuhren werden sich weiterdreh’n.
Rainer Kirmse , Altenburg
Trotz aller Krisen dieser Zeit,
verlier’n wir nicht die Heiterkeit.
Bleiben Sie gesund und munter!
Herzliche Grüße aus Thüringen