Markus Angst – Seit dem «Fall Carlsen – Niemann» wird das leidige (und offensichtlich unendliche) Thema Betrug im Schach nach einigen ruhigen Jahren plötzlich wieder heiss diskutiert – nicht nur in der weltweiten Schach-Community, sondern auch in zahlreichen Print- und Online-Medien. Doch wie gross ist das Problem wirklich? Und schadet es dem Image des Schachs? Markus Angst, Mediensprecher des Schweizerischen Schachbunds, sprach darüber mit SSB-Zentralpräsident André Vögtlin, den drei Nationalspieler(inne)n GM Nico Georgiadis, GM Yannick Pelletier und WIM Lena Georgescu sowie den beiden Online-Turnier-Organisatoren Lars Balzer (Swiss Team Battle) und Anton Brugger (Schweizer Schach Senioren).
Das Positive vorweg: In der Schweiz wurde bisher kein einziger Betrugsfall an einem Over-the-Board-Turnier aufgedeckt – auch wenn es schon diesbezügliche Verdachtsmomente gab (doch davon später). Und es war auch noch nie ein(e) Schweizer Spieler(in) bei einem OTB-Anlass im Ausland in einen Cheating-Fall verwickelt. So weit, so gut.
Weltweit grosses Echo in den Medien
Weniger erfreulich ist allerdings, dass nach drei Jahren relativer Ruhe – zuletzt sorgte der «Fall Igors Rausis» 2019 für negative Schlagzeilen – das Thema Betrug am Brett nach den Vorwürfen von Weltmeister Magnus Carlsen an die Adresse des amerikanischen Grossmeisters Hans Niemann urplötzlich wieder in aller Munde ist. Von der «New York Times» bis zum «Oltner Tagblatt» und von der ChessBase-Website bis zum Schach-Ticker schreiben Tageszeitungen ebenso über Cheating beim königlichen Spiel wie die bekanntesten Schachportale. Dass das Thema auch in Schweizer Medien ein grosses Echo findet, beweisen mehrere Anrufe aus den letzten Wochen beim SSB-Mediensprecher und bei der Geschäftsstelle des SSB.
Natürlich haben Missbrauchsvorwürfe wie vor wenigen Jahren im Schweizerischen Turnverband oder bei den amerikanischen Turnerinnen eine weit gravierendere Qualität als «Bschiss» im Sport. Und natürlich gibt es in der Kommunikation die Theorie «bad news are good news» («schlechte Neuigkeiten ergeben gute Meldungen»). So findet beispielsweise Anton Brugger, Präsident der für ihre Mitglieder regelmässig Online-Turniere organisierenden Schweizer Schach Senioren, «dass auch eine negative Nachricht für das Schach gut sein kann. Wenn von Schach geredet wird, ist per se schon mal nicht so schlecht.»
Wenn Kollegen über Schach reden
Und auch für SSB-Zentralpräsident André Vögtlin hat diese Geschichte durchaus auch eine positive Seite. «Ich werde regelmässig von Kollegen angesprochen: ‘Hey, was passiert denn bei Euch? Ich habe gelesen, dass… – wie ist das nur möglich?’ Die Leute sind rein technisch davon fasziniert und wollen mehr über Schach erfahren. Wie läuft eine Turnierpartie ab? Wie kann überhaupt betrogen werden? Schon bin ich mitten in Diskussionen und kann meinen Sport ‘verkaufen’.»
Trotzdem werfen die jüngsten Negativmeldungen kein gutes Licht auf den Schachsport – und dies ausgerechnet nach den vielen positiven Berichten (Stichworte «The Queen’s Gambit», Online-Boom, Zulauf in die Vereine während und nach der Corona-Pandemie. André Vögtlin relativiert den Schaden allerdings: «Es ist bezüglich des Images im Schachsport ähnlich wie beim Doping in der Leichtathletik. Einerseits lernten wir, mit Doping zu leben. Andererseits wurde zu dessen Bekämpfung viel unternommen, damit dieser Sport wieder clean wurde. So ist es auch im Schach: Es wird es auf Stufe des Weltschachverbands FIDE, der Europäischen Schach-Union ECU und des SSB darum gehen, mehr zu unternehmen.»
Der «Fall Niemann» liegt anders als der «Fall Rausis»
André Vögtlin erinnert allerdings daran, dass der «Fall Niemann» wesentlich anders gelagert ist als der «Fall Rausis». «Dort wurde der Täter in flagranti auf der Toilette überführt – punkt. Hans Niemann hingegen wird aktuell nur verdächtigt, und es ist eine Untersuchung durch die FIDE im Gange. Niemann hat das Recht auf Anhörung, und der Ausgang der Untersuchungen muss unbedingt abgewartet werden. Immerhin steht seine Schachkarriere auf dem Spiel.»
André Vögtlin ist überzeugt, «dass Cheating am Brett nur in Einzelfällen vorkommt. Mittlerweile wurde schon viel dagegen unternommen, und die Schiedsrichter sind darauf sensibilisiert. Und trotzdem, es wird und muss in Zukunft ein Thema bleiben. Ich habe es deshalb für unsere nächste Zentralvorstandsitzung wieder auf die Traktandenliste gesetzt.»
Zwei Handy-Nuller an der SEM 2022 in Samnaun
Dass bei OTB-Turnieren des SSB die Handy-Regel durchgesetzt wird, bewiesen beispielsweise die diesjährigen Schweizer Einzelmeisterschaften in Samnaun. Dort nullte Nationalturnier-Schiedsrichter IA Bruno Bosco gleich zwei Spieler, weil sich ihre Mobiltelefone während der Partie in der Hosentasche befanden. Nicht nur die beiden Spieler fanden diese Sanktion zwar etwas überzogen – und tatsächlich unterstellte ihnen niemand, sie hätten betrügen wollen. Aber im Sinne von «Wehret den Anfängen» war der Entscheid des die FIDE-Regel 11.3.2.1. («Während der Partie ist es einem Spieler verboten, ohne Zustimmung des Schiedsrichters irgendein elektronisches Gerät im Turnierareal bei sich zu haben») anwendenden Schiedsrichters nicht mehr als konsequent.
Das ist auch ganz im Sinne von GM Nico Georgiadis. Dem Schweizer Nationalspieler geht es nicht primär um schärfere Massnahmen oder Kontrollen bei den Turnieren, «sondern um den Mut, einen verdächtigen Spieler auch zu kontrollieren.» Der zweifache Bundesmeister wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit selber mal Opfer eines Betrügers – und das in Zürich!
Wie GM Nico Georgiadis in Zürich offensichtlich betrogen wurde…
Er spielte vor einigen Jahren am Weihnachts-Open gegen einen Israeli, der keinerlei Schachhistorie hatte und im Alter von etwa 30 Jahren im Nu rund 2300 ELO erreichte. An jenem Weihnachts-Open verlor er lediglich eine Partie – bezeichnenderweise wegen Klingelns des Mobiltelefons!
Nico Georgiadis erinnert sich noch gut an seine Partie gegen den Nobody. «Sie endete nach kuriosem Verlauf unentschieden. Mein Gegner spielte mich erst mit ausnahmslos Computerzügen an die Wand, ehe er mit wenig Zeit einen groben Fehler beging und Remis anbot, das ich in starker Zeitnot (und im Wissen seiner theoretischen Übermächtigkeit) sofort annahm.»
Nach der Partie meldete Nico Georgiadis seinen Verdacht an das Schiedsgericht und bat dieses, den genannten Spieler in der letzten Runde zu beobachten und zu durchsuchen. «Doch das passierte leider nicht. Der Spieler schlug danach mit einer weiteren perfekten Partie prompt noch einen starken Grossmeister und kam in die Preisränge.» Er beendete kurz darauf seine Schachkarriere und gilt in Israels Schachszene als Cheater, der aber niemals erwischt worden ist.
«Kein Wunder, haben wir in der Schweiz noch nie einen Fall aufgedeckt, wenn wir den Verdachtsfällen gar nie nachgehen», sagt Nico Georgiadis mit leicht ironischem Unterton – und legt noch einen drauf: «Neben meinem persönlichen Fall ist mir ein weiterer bekannt, in dem das Cheating noch offensichtlicher war und ebenfalls bis heute nichts unternommen worden ist.»
…und GM Yannick Pelletier das Gleiche in Biel passierte
Auch Yannick Pelletier wurde einmal nachweislich Opfer eines Betrugs am Brett. «Das war 2010 am Bieler Schachfestival gegen den französischen GM Arnaud Hauchard. Er war Teil des französischen Trios, das bei der Olympiade in Khanty-Mansisk betrogen hatte, dessen Schuld aufgedeckt und vom französischen Schachverband bewiesen wurde.»
Der Fall wurde damals in den Medien breit diskutiert, und die Protagonisten wurden verurteilt. Das Bieler Schachfestival und andere Turniere dienten als Probe für die Einführung ihres Systems. Yannick Pelletier kannte die drei Spieler gut, und einer entschuldigte sich Jahre später bei ihm, dass er Hauchard geholfen hatte, mich zu besiegen. «Ohne diesen unwiderlegbaren Beweis würde ich mir sonst nicht erlauben, so etwas zu behaupten. Denn Beschuldigungen ohne Beweise sind ein ebenso grosses Problem wie Betrug.»
Am Brett ist die Hemmschwelle grösser…
Trotzdem ist Nico Georgiadis überzeugt, «dass Cheating am Brett äusserst selten vorkommt. Die Hemmschwelle und der Aufwand sind im Vergleich zum Online-Schach viel grösser – abgesehen davon, dass man seinem Gegner, den man betrügt, in die Augen schauen muss.» Für ihn ist klar: «Wenn der Verdacht auf Cheating einmal da ist, ist es sehr schwer, Verdächtige zu beschuldigen, da eine grosse Angst vor einer fälschlichen Anklage besteht. Auch bei Schiedsrichtern und Schiedsrichterinnen in der Schweiz habe ich eine Tendenz festgestellt, dass man wegen ebendieser Angst lieber wegschaut. Das ist bestimmt die grösste Schwierigkeit in dieser Thematik.»
Auch WIM Lena Georgescu hat den Eindruck, dass Schiedsrichter bei verdächtigen Spielern oft gehemmt sind, Fair-Play-Kontrollen durchzuführen. «Das Problem ist, dass man die Betrüger auf frischer Tat ertappen muss – im Nachhinein kann man die Spieler in aller Regel nicht mehr überführen. Handelt also der Schiedsrichter im Verdachtsfall nicht, kann ein Betrug kaum je aufgedeckt werden. Würde man Kontrollen routinemässig durchführen, so gäbe es eine deutlich tiefere Hemmschwelle, im Verdachtsfall zu handeln.»
…und erfordert kriminelle Energie
Dennoch vermutet auch die amtierende Schweizer Meisterin, «dass Computerbetrug wohl nicht sehr verbreitet ist, da es Planung voraussetzt und deshalb ein gewisses Mass an krimineller Energie erfordert. Allerdings ist die Beweishürde hier sehr hoch, da man die Betrüger in flagranti erwischen muss – beispielsweise mit dem Handy auf der Toilette. Deshalb ist die Dunkelziffer sicherlich deutlich grösser als die Anzahl aufgedeckter Fälle.»
Eine gute Massnahme im Kampf gegen Cheating findet sie die zeitversetzte Übertragung von Live-Partien. «Diese erschwert die Kommunikation mit einem möglichen Komplizen erheblich.»
Finden Metalldetektoren auch Mini-Kopfhörer?
Das sieht Yannick Pelletier auch so. Er befürwortet bei grösseren Turnieren auch weitergehende Massnahmen wie Metalldetektoren, welche die Spieler daran hindern sollen, elektronische Gegenstände zu benutzen. «Ich bin mir jedoch nicht sicher, wie effektiv diese Massnahmen sind, wenn es um Mini-Kopfhörer oder andere Geräte geht, die in den Körper eingeführt werden könnten.»
Yannick Pelletier kritisiert, «dass noch nichts unternommen, um die Brillen der Spieler oder sogar die Kontaktlinsen zu kontrollieren. Habe ich zu viele James-Bond-Filme gesehen, oder könnte man sich einen Mini-Computer in einer Brille vorstellen? Generell befürchte ich, dass ein cleverer und gut ausgestatteter Betrüger immer einen Schritt voraus sein wird.»
Trotzdem findet GM Yannick Pelletier, «dass bei manchen Turnieren so viele Massnahmen ergriffen werden, dass es fast unmöglich ist, zu betrügen. Kleine private Open haben jedoch nicht die finanziellen Mittel, um echte Massnahmen durchzusetzen. In diesen Fällen ist das Risiko zu betrügen deutlich höher.»
Wenn die Dame von c2 nach h6 zieht…
Viel verbreiteter als Computerbetrug ist laut Lena Georgescu, dass sich Spieler(innen) während der Partie gegenseitig helfen – etwa bei Teamwettkämpfen. «Allerdings lässt sich dies nur schwer unterbinden, da Massnahmen wie beispielsweise ein komplettes Redeverbot von vielen Spieler(inne)n abgelehnt würden und auch nur schwer umzusetzen sind.»
Cheating mit Computerhilfe hat Lena Georgescu an Turnieren, an denen sie mitgespielt hat, nie mitbekommen. «Allerdings habe ich an Turnieren teilgenommen, wo Spieler bewusst regelwidrige Züge gemacht haben, um die Partie zu gewinnen. Ich kann mich beispielsweise an einen Fall erinnern, wo ein Spieler Dame c2–h6 gezogen hat, mit undeckbarem Matt auf g7 – der Gegner gab sofort auf.» In diesem Arten von Regelverstössen sieht sie allerdings kein grosses Problem, «weil sie sich mithilfe des Partieformulars sehr leicht beweisen lassen – so auch im obengenannten Beispiel.»
Neue Technologien vereinfachen Cheating
Wenig überraschend ist für Nico Georgiadis, dass das Betrugs-Thema just jetzt aufkommt. «Die neuen Technologien ermöglichen viel ausgeklügeltere Methoden des Cheatings, als das bisher der Fall war. Einige Methoden sind wohl so gut, dass es in Zukunft sehr schwer wird, die Betrüger in flagranti zu erwischen.» Er plädiert deshalb für das Anwenden des gesunden Menschenverstands – mit einem interessanten Vorschlag: «Meiner Meinung nach können starke Schachspieler und Schachspielerinnen die Hilfe von Computer bei einer Anhäufung von offensichtlich unmenschlichen Zügen und dem Zeitverbrauch erkennen.»
Nico Georgiadis zeigt sich erstaunt, wie dieses Argument teilweise kleingeredet wird. «Denn es ist abgesehen von statistischen Analysen die mit Abstand beste Methode, um Cheater ausfindig zu machen. Klar ist aber, dass bei äusserst cleverer Ausführung des Betrugs auch diese Aufklärungsmethode an ihre Grenzen stösst.»
Dass wieder verstärkt über Cheating diskutiert wird, ist auch für Lena Georgescu eine Folge der stetigen Verbesserung von Schachcomputern. «Früher hat der Mensch die Maschine geschlagen, heute haben auch starke Spieler keine Chance gegen ein Handy. Wenn jeder einen starken Schachcomputer besitzt, ist Betrug natürlich deutlich einfacher.»
Eine ganze Reihe von Fällen
Für Yannick Pelletier ist die Problematik jedoch nicht neu und hat in letzter Zeit auch nicht besonders an Bedeutung gewonnen. «Der ‘Fall Carlsen – Niemann’ ist einfach viel stärker in den Medien präsent. Wenn ich mich nicht irre, geht der erste Fall von Computerbetrug auf Kasparows verlorenes Spiel gegen Deep Blue im Jahr 1997 zurück. Ironischerweise beschuldigte der damalige Weltmeister den Computer anschliessend, von Menschen unterstützt zu werden! Es folgten Verdächtigungen gegen Topalow, dann das Toiletten-Gate während des WM-Kampfs Kramnik – Topalow 2006, der ‘Fall Feller’ 2010, die Verurteilung von Rausis 2019 – kurzum, eine ganze Reihe von Fällen.»
Trotzdem hat das Problem der neuen Technologien für den Schweizer Nationalspieler eine sehr ernste Dimension. «An dem Tag, an dem ein Betrüger unabhängig von jeglicher Hilfe von aussen und ohne das Schachbrett zu verlassen agieren kann, wird der Kampf eine völlig neue Dimension annehmen. Oder bin ich naiv, wenn ich denke, dass das noch nicht passiert?
«Bestmögliche Kontrollen, jedoch kein Polizeistaat»
Nico Georgiadis tönte es bereits an: Im Online-Schach ist die Hemmschwelle zum Cheaten naturgemäss wesentlich tiefer. Der SSB ist sich dieser Problematik laut seinem Zentralpräsidenten durchaus bewusst. «Schon vor der Corona-Pandemie hatten wir uns intensiv mit dem Cheating am Brett auseinandergesetzt und bei der Schweizer Jugend-Einzelmeisterschaft (SJEM) mit dem Scanning der Teilnehmenden begonnen. Während der Lockdowns wurde das Thema beim Online-Schach aktuell. Bei einer Jugend-Online-Weltmeisterschaft war ich beim Vorbereiten der Spieler und Spielerinnen dabei und habe miterlebt, wie professionell die Abklärungen sowohl am Computer und via Zoom für die Überprüfung des Raums vorgenommen wurden.»
Laut André Vögtlin ist es wichtig, das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten. «Wir müssen bestmöglich Kontrollen durchführen, ohne jedoch einen Polizeistaat aufzuziehen.»
Mehrere Cheating-Fälle in der Swiss Team Battle
Das bekannteste Schweizer Online-Turnier ist die Swiss Team Battle. Lars Balzer, der diesen Mannschaftswettbewerb während des ersten Lockdowns 2020 auf der Lichess-Plattform ins Leben gerufen hat, bestätigt, dass es mehrere zweifelsfrei aufgedeckte Cheating-Fälle gegeben hat. «Jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Aber im Verhältnis zur Anzahl gespielter Partien sind Cheater in der Swiss Team Battle Gott sei Dank nur eine unbedeutende Randerscheinung.»
Aufgedeckt wurden die Betrugsfälle primär direkt durch die Anti-Cheating-Mechanismen von Lichess – manchmal aber auch dadurch, dass Lars Balzer Lichess-Moderierende um Überprüfung von Verdachtsfällen gebeten hat. «Ich halte die Lichess-Algorithmen zusammen mit der wenn nötig menschlichen Überprüfung durch deren Moderierende für ein ziemlich starkes Instrument zur Identifikation von Cheatern. Natürlich hat man nie völlige Sicherheit, aber es ist beeindruckend, was mittlerweile möglich ist.»
Rüffel vom Trainer
Die betroffenen Accounts wurden daraufhin von Lichess gesperrt. Unter bestimmten Bedingungen können die Betroffenen danach neue Accounts erstellen. Bei Jugendlichen haben ihnen laut Lars Balzer zusätzlich Trainer, die gar keine Freude daran hatten, ins Gewissen geredet. «Sanktionen in der Swiss Team Battle über die Lichess-Massnahmen hinaus waren nie nötig, da die Cheater die Turniere nie entscheidend beeinflusst haben. Überlegungen zu einem Strafenkatalog gab/gibt es zwar, aber das zu Ende zu denken, war bisher nicht notwendig.»
Lars Balzer erinnert auch daran, «dass die Swiss Team Battle ein Spass ist – es gibt weder Geld noch Titel zu gewinnen. Vermutlich gibt es andere Turniere, bei denen es sich für so manchen eher lohnen könnte, zu cheaten.»
Kein einziger Fall bei den Schweizer Schach Senioren
Der Spassfaktor ist auch für Anton Brugger, dessen Schweizer Schach Senioren während der Corona-Pandemie regelmässig Langzeit-, Rapid- und Blitzturniere auf Lichess anboten und auch heute noch durchführen, der Hauptgrund, weshalb Cheating in den Senioren-Online-Events ein sehr unbedeutendes Problem ist. «Wir wollen einfach nur möglichst gut Schach spielen, Freude daran haben und wenn möglich auch gewinnen. Die Kameradschaft ist für uns sehr wichtig. Bei uns gehts schliesslich nicht um Geld.»
Zwar kam laut Anton Brugger der eine oder andere Verdacht auf. «Aber klar erwiesene Fälle sind keine aufgetreten, und kein einziger Spieler der Schweizer Schach Senioren wurde jemals von Lichess gesperrt.»
Die bekanntesten aufgedeckten Cheating-Fälle im Schach
• Der lettisch-tschechische Grossmeister Igors Rausis wurde 2019 in Strassburg mit dem Handy auf der Toilette erwischt. Er wurde für sechs Jahre gesperrt, und der GM-Titel wurde ihm aberkannt.
• Der georgische Grossmeister Gajos Nigalidse versteckte 2015 in Dubai ebenfalls ein Smartphone auf dem WC. Er wurde für drei Jahre gesperrt und ging ebenfalls seines GM-Titels verlustig.
• Auch beim österreichischen FIDE-Meister Marc Morgunov war bei der Jugend-Europameisterschaft 2016 in Riga ein Handy auf der Toilette das corpus delicti. Morgunov, der zum Zeitpunkt seines Turnierausschlusses die Kategorie U14 anführte, wurde mit Rücksicht auf sein jugendliches Alter nur für sechs Monate gesperrt.
• Der indische Amateurspieler Umakant Sharma, der seine ELO-Zahl innerhalb von anderthalb Jahren von 1930 auf 2484 steigerte, baute unter seiner Mütze einen Bluetooth-Empfänger ein. Er bekam eine zehnjährige Sperre.
• Beim SSB-Online-Programm während des Lockdowns wurde 2020 im ersten Blitz-Event der Turniersieger, ein ELO-schwacher Schweizer Nachwuchsspieler, bei einer Nachprüfung seiner Partien von Lichess als Betrüger entlarvt. Er wurde disqualifiziert und von der Online-Plattform verbannt. Auf weitere Sanktionen verzichtete der SSB ebenso wie im «Fall Morgunov» wegen seines jugendlichen Alters.
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