April 25, 2024

Der Geniestreich des Anthony Miles

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre wurde die Schachwelt vom amtierenden Weltmeister Anatoli Karpov aus der Sowjetunion beherrscht. Während er mit den weißen Steinen seine Gegner nach Belieben dominierte, willigte er als Nachziehender schon mal gerne ins Remis ein.

Leidtragender dieser Feststellung war unter anderem der britische Großmeister Anthony Miles, der in den Jahren 1977 und 1978 sieben Mal mit Karpov die Klingen kreuzte, davon sechs Mal mit den schwarzen Steinen. Während die einzige Partie, in der Miles die weißen Steine führte, mit einem Remis endete, war die Bilanz mit den schwarzen Steinen ernüchternd, ein Remis und 5 Niederlagen.

Auch bei der Mannschafts-Europameisterschaft in Skara, zu Beginn des Jahres 1980, war Miles das Farb-Glück nicht hold. Erneut musste er mit den schwarzen Steinen, am Spitzenbrett der englischen Mannschaft, gegen den besten Spieler der Welt antreten, doch diesmal hatte er sich etwas Besonderes ausgedacht.

Entgegen der gängigen Lehrmeinung spielte Miles eine Eröffnung, die man einem Meisterspieler bis dahin nicht zugetraut hätte. Der Zug 1.e4 wurde mit 1… a6 und die logische Zentrumserwiderung 2.d4 mit 2… b5 beantwortet. Man kann annehmen, dass sich Miles für diese Zugfolge nur deshalb entschieden hat, um damit das überlegene Wissen des Weltmeisters in der Eröffnungstheorie umgehen zu können.

Äußerlich blieb Anatoli Karpov zwar gelassen, dennoch dürfte er von diesen Zügen überrascht gewesen sein, insbesondere von der Tatsache, dass Miles die übliche Zentrumstrategie ignorierte und sich traute, ihm eine Zugfolge vorzusetzen, von der man jedem Schach-Schüler abrät.

Ich wünsche viel Spaß beim Studium der Partie.