April 18, 2024

Kurse via Skype statt Frontalunterricht: auch die Schweizer Schachschulen gingen online

Markus Angst– Nicht nur Schachturniere werden wegen der Corona-Krise derzeit ausschliesslich online ausgetragen. Auch private Schweizer Schachschulen haben von Frontal- auf Online-Unterricht umgestellt. Und machen damit – wie eine Umfrage bei den wichtigsten professionellen Anbietern unseres Landes zeigt – nicht nur ganz neue, sondern auch durchwegs positive Erfahrungen.

Die Schweizer Schachschulen (Bild: Die Schulschachprofis) trotzen der Corona-Krise und entdecken mit dem Online-Unterricht neue Möglichkeiten.

Sämtliche Schweizer Schachschulen stellten ihr Unterrichtsprogramm sofort nach der vom Bundesrat am 13. März verordneten schweizweiten Schliessung der Schulen um. Weil sich dieser Entscheid abgezeichnet hatte, konnten sich die Schachschulen entsprechend vorbereiten. «Wir hatten die Eltern bereits vorinformiert, was geschehen wird, falls die Schulen geschlossen werden», sagt beispielsweise Markus Regez von der gleichnamigen Schachschule.

Annette Waaijenberg, Präsidentin der ChessMates Zugerland, wird das Umstellungs-Wochenende Mitte März gleich in doppeltem Sinne nachhaltig in Erinnerung behalten. Sie feierte damals nämlich just ihren 40. Geburtstag. Doch statt eine grosse Party mit Familie und Freunden zu machen (was wegen der Corona-Krise ja ohnehin nicht mehr zu empfehlen war), waren die Aufgleisung der neuen Unterrichtsform, die Erstellung von Online-Formularen, die Aktualisierung der Homepage und ein Rund-Mail an alle Eltern angesagt. Zudem galt es, rechtzeitig die Organisation des gemeinsam mit Markus Regez im April durchgeführten Ferien-Onlinekurses an die Hand zu nehmen. «Dieser runde Geburtstag wird mir deshalb in besonderer Erinnerung bleiben», schmunzelt Annette Waaijenberg.

Nicht für alle Schachschulen bedeutete die Umstellung Neuland. So führt der Verein Die Schulschachprofis seit vergangenem September regelmässig Schachturniere mit Live-Kommentierung im Internet durch. «Deshalb fiel es uns leicht, auf Online zu switchen, und wir konnten unseren Mitgliedern bereits am Abend des 13. März unser erstes Online-Angebot präsentieren», sagt Peter Hug, CEO von Die Schulschachprofis.

Zahlreiche Online-Aktivitäten auch in der Romandie

Auch für die Ecole d’Echecs de la Broye (EEB) waren Online-Kurse nichts Neues. «Wir boten schon vor der Corona-Krise individuelle Trainings und solche für kleine Gruppen (für die besonders starken und motivierten Jugendlichen) online an», sagt David Monnier.

Die grosse Mehrheit der Jugendlichen nimmt zwar laut dem EEB-Direktor nicht an Online-Kursen teil. «Ihre Trainer haben sie aber eingeladen, regelmässig die Aufgaben in ihren Schachheften zu lösen, so dass wir das (Schach-)Schuljahr programmgemäss beenden können.»

Dazu motiviert die EEB ihre Mitglieder, ebenso wie diejenigen des Schachclubs Payerne, zur regelmässigen Teilnahme an den zahlreichen Online-Turnieren über die Plattform www.lichess.org – seien sie klubintern, vom Schweizerischen Schachbund oder von der Fédération Française des Echecs, die auch Mannschafts- und Simultanturniere im Programm hat, angeboten.

Gilles Miralles, Direktor der Ecole d’Echecs Genève, hat als Folge der Corona-Krise auf www.chess.com gar einen Klub, der schon über 100 Mitglieder und eine eigene Website hat, lanciert: https://www.chess.com/club/le-club-dechecs-de-gilles-miralles. «Deren Mitglieder sind eingeladen, an Online-Turnieren oder Simultanveranstaltungen teilnehmen. Zudem poste ich über www.chess.com mehrmals täglich Kurse für jede Spielstärke auf meinem Blog https://www.chess.com/blog/oursemare», sagt der der seit vielen Jahren für den Club d’Echecs de Genève spielende französische Grossmeister.

Weil die Genfer (Jugend-)Schachszene mit mehreren Klubs sowie Kursen für Schüler und Erwachsene äusserst aktiv ist, ist Gilles Mirallès’ Angebot für jedermann offen. «Das ermöglicht einen vielfältigen Erfahrungsaustausch und fördert interessante soziale Bindungen.»

Auch die dritte grosse (und zugleich jüngste) Schachschule in der Romandie, die Ecole Garde du Roi und die mit ihr assoziierte Chess School Prunescu, hat wegen des Corona-Virus sofort das Modul gewechselt und auf Modem-Modus geswitcht. «Wir haben sofort nach Inkrafttreten des Lockdowns unsere Kurse online weitergeführt. Da wir dieses Szenario erwartet hatten, konnten wir schnell Plan B umsetzen», sagt Direktor Claudiu Prunescu, dessen Schachschule am 11. bis 13. September in Prangins das erste Qualifikationsturnier für die Schweizer Meisterschaft U10/U12/U14/U16 2021 organisieren wird.

Claudiu Prunescu persönlich fiel die Umstellung deshalb besonders leicht, «weil ich schon Erfahrung mit Online-Unterricht hatte.» Was aber nicht heisst, dass der aus Rumänien stammende und seit mehreren Jahren in der Schweiz spielende FIDE-Meister jeden Tag etwas Neues lernt. «Wir entdecken immer wieder neue, spielerische Methoden, um unser Kursprogramm online weiterzuführen und stellen mit grosser Genugtuung fest, dass unsere Schüler diese Veränderungen ausnahmslos mögen.»

Die Klientel ist kaum kleiner geworden

Die gleiche Erfahrung macht auch Silverio De Marchi, Leiter der grössten Tessiner Schachschule, der Scuola Scacchi Collegio Papio. Sie stellte ebenfalls umgehend auf Online-Kurse um, nachdem sie zuvor auf Unterricht via Internet verzichtet hatte. Doch Silverio De Marchi findet nun, «dass es einfacher ist, die Kurse online statt real durchzuführen.» Grosse Freude bereitet ihm, dass seine Klientel wegen der Corona-Krise kaum kleiner geworden ist. «90 Prozent sind auch online dabei.»

Die Schüler der Scuola Scacchi Collegio Papio bekommen erst Arbeitsunterlagen über Taktik, Strategie oder Endspiele als Vorbereitung zum Studieren. Danach erhalten sie eine wichtige Partie aus der Schachgeschichte, zu der dann einige Fragen gestellt werden. Richtige und gut formulierte Antworten geben Punkte, die von Lektion zu Lektion zusammengezählt werden. Dabei bekommen Fortgeschrittene gegenüber Anfängern bei korrekten Antworten eine tiefere Bewertung. «Diese wettkampfartige Art des Unterrichts spornt all unsere Schüler zum aktiven Mitmachen an, weil sie einen Preis gewinnen können», betont Silverio De Marchi.

90 Prozent beträgt die Umsteiger-Quote auch bei Chess4Kids. Roberto Schenker, Filialleiter Horgen, erachtet Online-Kurse «nicht als schwieriger, sondern es ist eine andere Art des Unterrichtens. In der Online-Form ist die Struktur sehr wichtig, da die ganze Gruppe immer gemeinsam vorwärts geht. In der Schachschule kann man einfacher auf individuelle Wünsche eingehen und Kinder parallel an verschiedenen Arbeitsstationen beschäftigen.»

Laut Roberto Schenker haben die Kursteilnehmer – «unsere Jüngste ist dreieinhalb Jahre alt, und das geht mit der Unterstützung ihrer Eltern prima» – mehrheitlich positiv auf die Umstellung reagiert. «Online kann man sehr effizient und intensiv arbeiten. Einige Kinder haben gemerkt, dass sie sich so sogar länger konzentrieren und sehr viel Schach lernen können. Andere haben (wieder) neu Motivation gefunden und nehmen sogar täglich teil. Die vielen Online-Turniere werden auch rege besucht und zeigen einmal mehr, dass Schach als Sport über ein enormes integratives Potenzial verfügt.»

Wenn Senioren Skype kennenlernen…

Auch bei der Schachschule Markus Regez hält sich der Aderlass bei den Jugendlichen von Frontal zu Online im Rahmen. «Rund 80 Prozent der Kinder machen bei den Internet-Trainings mit, bei den Erwachsenen und bei den Senioren sind es zwischen 40 und 50 Prozent», sagt Markus Regez.

A propos Senioren: Markus Regez zeigt sich begeistert von zwei Herren in seinem Kurs, «die es technisch auch im hohen Alter noch draufhaben. Der eine wurde Ende März 90 Jahre alt, der andere ist nur unwesentlich jünger. Sie haben in kürzester Zeit gelernt, für das Online-Training Skype zu bedienen und spielen nun neben der Unterrichtsstunde online gegeneinander. Über diese Art von sozialem Kontakt freuen sich die beiden sehr.»

Die Tücken der Technik

Die Schachschule Markus Regez bot zwar schon vor der Corona-Krise Online-Kurse an, jedoch keine Gruppenkurse, sondern ausschliesslich Privattrainings. Seine Trainer waren deshalb bereits geübt in Online-Privattrainings. «Es gab somit neben dem organisatorischen Aufwand noch ein paar technische Dinge zu lernen in Bezug auf Gruppenkurse.» Konkret stellten sich Markus Regez und seinem Team folgende Fragen: Wie kann man einen Online-Kurs für vier bis sechs Kinder mit Skype durchführen? Wie kommen die Kinder neben dem Lösen gestellter Aufgaben und der gemeinsamen Analyse von Partien auch zum Schachspielen?

«Wir haben es so gelöst, dass die Lektionen meist ohne Schachspielen ablaufen und wir dafür für unsere Schüler jeden Tag ein Turnier auf Lichess organisieren.» Wobei laut Annette Waaijenberg für einige ihrer ChessMates-Schützlinge die Technik durchaus auch ihre Tücken hatte: «Es war eine Herausforderung, bis alle ihre Skype- und Lichess-Accounts erstellt hatten.» Eine Erfahrung, die auch Gilles Miralles gemacht hat: «Besonders bei den ganz Jungen und bei den Senioren haben bezüglich Technikkompetenz nicht alle das gleiche Niveau.»

Sicherheitsaspekte beachten

Eine Herausforderung ist es laut Peter Hug, bei dessen Schulschachprofis 95 Prozent die Umstellung mitmachten, auch, «die jüngeren Kinder fürs Online-Training zu motivieren. Das ist nicht immer leicht, denn das reale Training ist ja die grosse Stärke von professionellen Schachklubs wie Die Schulschachprofis.» Peter Hug weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in diesem Jahr 15 von 16 Finalteilnehmern der Schweizer Meisterschaft U10 von Schachschulen stammen.

«Online-Kurse gab es zwar schon lange», so Peter Hug, « jedoch eher für die Elite-Spieler. Nun aber wurde wegen der Krise gleich das ganze Breitenschach ins Boot geholt. Wir von DSSP sehen den Erstkontakt mit Schach grundsätzlich aber immer noch im Live-Unterricht.» Eine Ansicht, die auch Claudiu Prunescu teilt: «Grundsätzlich bevorzuge ich die Face-to-Face-Variante.»

Für Peter Hug stellt sich nicht zuletzt auch die wichtige Frage nach der Sicherheit der Schweizer Schachkinder bei Online-Turnieren im Internet: «Spielt man in einer beliebigen Arena mit oder spielt man in der geschützten (mit Passwort) und überwachten Arena des eigenen Schachclubs mit?»

Durch den Techniksprung erhalten laut dem DSSP-Präsident nun alle jungen Schachspieler(innen) und deren Eltern einen direkten Zugang zu irgendwelchen Trainern. «Das gefährliche dabei ist, dass man diese Trainer nicht mal persönlich kennt. Zum Glück sind die Eltern meist schlau genug, um ein Privattrainings-Angebot zwischen 5 und 30 Euro oder Dollar pro Stunde nicht anzunehmen. Schliesslich steigt man ja auch nicht in das Auto eines Fremden…»

Online-Unterricht bietet neue Chancen

Werden diese Vorsichtsmassnahmen ergriffen, sehen die Schweizer Schachschulen auch nach der Corona-Krise ein Potenzial in Online-Kursen. «Sie haben durchaus auch einige Vorteile», bilanziert Markus Regez nach ein paar Wochen Erfahrung. «Erstens sind einige Kinder konzentrierter bei der Sache, weil das Online-Training bei einigen neue Motivation ausgelöst hat. Zweitens werden die gespielten Partien sofort erfasst, ohne dass die Kinder oder die Erwachsenen die Züge notieren müssen. Und drittens können die Trainer und Schüler von zu Hause aus arbeiten. Wir werden uns deshalb überlegen, auch nach der Corona-Krise Online-Gruppenkurse anzubieten – vor allem für Schüler(innen), die weiter entfernt wohnen.»

Ein Aspekt, den auch Roberto Schenker unterstreicht: «Es können Kinder an Kursen teilnehmen, die sonst aus zeitlichen und/oder geografischen Gründen nicht in die Schachschule kommen könnten.»

A propos weiter entfernt: Die ChessMates Zugerland, bei denen es Privattrainings schon früher online gab, Gruppenkurse jedoch nicht, bekamen plötzlich Anfragen von «fremden» Kindern. So von einem Mädchen aus dem Tessin, das danach prompt beim Training eingestiegen ist. «Dass Kinder aus allen Regionen mitmachen können, ist natürlich ein Vorteil von Online-Unterricht», sagt Annette Waaijenberg. «Wir werden deshalb weiterhin Online-Gruppenkurse anbieten – zumal wir schon Anfragen haben.»

Die schweizweite oder gar weltweite Vernetzung erachtet auch Peter Hug, dessen Verein Die Schulschachprofis schon seit Januar 2018 Online-Kurse anbietet und auf diesem Gebiet zu den Pionieren in der Schweiz gehört, als grossen Vorteil. «Wir machen uns bei DSSP deshalb Gedanken, wie wir diesen willkommenen Techniksprung für die bessere Förderung der Schachtalente nutzen kann.»

Online hat eine internationale Komponente

Gilles Miralles betont insbesondere die internationale Komponente der in jüngster Zeit gross in Mode gekommenen Online-Turniere. «Man hat die Möglichkeit, neue Spieler aus anderen Klubs kennenzulernen und Partien gegen Leute aus weit entfernten Ländern zu spielen.»

In diesem Zusammenhang erinnert Gilles Miralles als Directeur Technique der Association Internationale des Echecs Francophones daran, dass die AIDEF bis am 4. Mai auf www.lichess.org eine interessante Online-Turnierserie am Laufen hat. Deren Bestplatzierten winkt eine Teilnahme an der nächsten AIDEF-Meisterschaft Ende 2020/Anfang 2021 im tunesischen Ferienort Djerba (siehe auch http://www.swisschess.ch/forum-nachrichtenleser/grosses-internet-blitzturnier-organisiert-von-der-internationalen-vereinigung-des-franzoesischsprachigen-schachs-aidef.html).

Weil für den nahe bei Genf wohnenden französischen Grossmeister ausser Frage steht, «dass diese Krise weit entfernt von ihrem Ende ist, müssen wir die Online-Optionen unbedingt weiterentwickeln.»

Kernsätze der Schachschul-Leiter(innen)

Roberto Schenker (Filialleiter Horgen Chess4Kids): «In der Online-Form ist die Struktur sehr wichtig, da die ganze Gruppe immer gemeinsam vorwärts geht. In der Schachschule kann man einfacher auf individuelle Wünsche eingehen und Kinder parallel an verschiedenen Arbeitsstationen beschäftigen.»

Peter Hug (CEO Die Schulschachprofis): «Online-Kurse gab es zwar schon lange, jedoch eher für die Elite-Spieler. Nun aber wurde wegen der Krise gleich das ganze Breitenschach ins Boot geholt.»

Markus Regez (Schachschule Markus Regez): «Wir haben es so gelöst, dass die Online-Lektionen meist ohne Schachspielen ablaufen und wir dafür für unser Schüler jeden Tag ein Turnier auf Lichess organisieren.»

Annette Waaijenberg (Präsidentin ChessMates Zugerland): «Es war eine Herausforderung, bis alle ihre Skype- und Lichess-Accounts erstellt hatten.»

David Monnier (Direktor Ecole d’Echecs de la Broye): «Wir motivieren unsere Mitglieder zur regelmässigen Teilnahme an den zahlreichen Online-Turnieren über die Lichess-Plattform – seien sie klubintern, vom Schweizerischen Schachbund oder der Fédération Française des Echecs.»

Gilles Miralles (Direktor Ecole d’Echecs Genève): «Die Corona-Krise ist weit entfernt von ihrem Ende, deshalb müssen wir die Online-Optionen unbedingt weiterentwickeln.»

Claudiu Prunescu (Direktor Ecole Garde du Roi und Chess School Prunescu): «Wir entdecken immer wieder neue, spielerische Methoden, um unser Jahresprogramm online weiterzuführen und stellen mit grosser Genugtuung fest, dass unsere Schüler diese Veränderungen ausnahmslos lieben.»

Silverio De Marchi (Leiter Scuola Scacchi Collegio Papio): «Die wettkampfartige Art des Online-Unterrichts spornt all unsere Schüler zum aktiven Mitmachen an, weil sie einen Preis gewinnen können.»

Links zu den wichtigsten Schweizer Schachschulen

Chess4Kids: https://chess4kids.ch

Die Schulschachprofis: https://www.dssp.ch

Schachschule Markus Regez: https://www.schachschule-regez.ch

ChessMates Zugerland: http://chessmates.ch

Ecole d’échecs de la Broye: https://echecs-payerne.ch

Ecole d’échecs Genève: http://www.ecole-echecs-geneve.ch

Ecole La Garde du Roi: https://lagardeduroi.ch/fr/ecole/

Scuola Scacchi Collegio Papio: https://collegiopapio.ch/wp/