April 23, 2024

Schach 960 — das Spiel der Zukunft?!

Eine Betrachtung von FM Dirk Paulsen

Es gab mal deutlichere Anzeichen, dass sich dieses Spiel – gut „promoted“ – alsbald als vollwertiger Nachfolger des klassischen Schach einfinden könnte. Die Motive, sich damit zu beschäftigen,

FM Dirk Paulsen

wären recht vielfältig. Dann gab es doch eine ganze Weile – mit weniger „Promotion“ –, in welcher das Spiel fast zum Erliegen kam. Nun gibt es in letzter Zeit, wieder einige Anzeichen, dass es sich doch etablieren könnte und mehr Schachfreunde sich der Gemeinschaft anschließen könnten? Natürlich würde es immer dazu kommen, sofern die Weltspitze sich weiter „überreden“ lässt, es zu spielen – was dann den entsprechenden pekuniären Einsatz erfordert.

Als Hauptgrund der Werbung für diese Spielvariante könnte man das gerade  in Saint Louis stattfindende Turnier mit klassischen Regeln und klassischer Bedenkzeit anführen: selbst wenn die Partieanlagen durchaus vielversprechend sind, so muss man doch den Eindruck gewinnen, dass die Stellungen bereits bis tief ins Mittelspiel hinein zu Hause auf dem Analysebrett standen – vom Computer angeleitet – und sich fast immer zum völligen Gleichgewicht hinbewegen. Dies führt nicht nur erstens dazu, dass fast alle Partien remis enden, nein, es führt zweitens dazu, dass sich viele Schachfreunde gelangweilt abwenden aber auch drittens, dass man sich im Grunde sagt: „Wie lange soll es noch so weiter gehen, bis ALLES Heimanalyse ist und die Partie eigentlich zu Hause ausgetragen werden könnte und man sich direkt, zwecks Kraftersparnis, auf Remis einigt, ohne dieses Showelement für den längst sich eigentlich schon abwendenden aufrecht zu erhalten? Ich schaue mir das nicht mehr an. Das Spiel ist tot.“ Natürlich gibt es noch immer die Möglichkeit, die Bedenkzeit zu verkürzen und so mehr Fehler „zu erzwingen“. Aber es gibt auch einen anderen Weg, zumindest diese Form der Langeweile auf durchaus einige Sicht zu vertreiben: Schach 960. So genannt, wegen der 960 möglichen Ausgangsstellungen, welche allesamt spielbar sind, fast garantiert interssant, fast immer neu und somit fast gar nicht erforscht, nicht bis Zug 23, nicht bis Zug 11, nicht einmal bis Zug 4 und, tatsächlich, nicht einmal der erste Zug passte in irgendein garantiertes Schema „so muss man es machen“. Da ist eine ganz neue Vielfalt garantiert.

Bis hierher sozusagen eine Art „Vorwort“. Jede Menge mehr darüber zu erfahren mit folgenden Text, der sich über mehrere Teile ausdehnen soll.

http://www.schach-chroniken.net/cttc/archiv/2019/dsemc960/dsemc960_foto.htm

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[mks_accordion_item title=“Chess Tigers Team verteidigt den Deutschen Chess960-Meister“]

Frederik Stobbe bezwingt in der 7.Runde die lebende Schachlegende GM Vlasitimil Hort – IM Jonas Rosner holt den Einzel-Titel vor vier Großmeistern – Dr. Bergit Brendel holt den Frauen-Titel 
13.08.2019 – Wenn es in der letzten Runde eines Einzel- und Teamwettbewerbs um „Alles“ geht, dann ist der erfahrene Spieler meistens im Vorteil, aber der furchtlose und kompromisslose Jugendspieler hat auch mit gutem Konzept eine respektable Chance. Dies bewies bei der deutschen Chess960-Schnellschach Meisterschaft der junge Chess Tiger Frederik Stobbe in Diensten des SC Bad Soden gegen den legendären Großmeister Vlastimil Hort in der Schlussrunde. Ein sauber heraus gespielter Sieg mit Weiß. Der 75-jährige Chess Tiger Vlasimil Hort ist ein ausgewiesener Chess960-Liebhaber und hätte fast den Chess Tigers den „Team-Titel“ im Bruderkampf gekostet, wenn nicht FM Hartmut Metz in der letzten Runde dem neuen Deutschen Meister IM Jonas Rosner vom SK Ettlingen mit einem frühzeitigen Remisangebot, sowohl dem jungen IM den Titel im Chess960 bescherte, als auch den Chess Tigers und ihm selbst den Team-Titel absicherte. Turnierglück muss man manchmal auch gönnen können und gleichzeitig für sich selbst erzwingen! Die Chess Tigers mussten diesmal auf ihre Haupttrümpfe der letzten Jahre GM Klaus Bischoff, GM Artur Jussupow und dem neuen Schweizer Chess960-Meister IM Vincent Keymer aus Termingründen verzichten. Das hätte auch schief gehen können! Einen halben Punkt Vorsprung musste genügen, zumal Frederik Stobbe im falschen Team spielte – Aufstellungsfehler unsererseits. Quelle: Chess Tigers

und viele Bilder/Worte/Partien mehr …
Hompage Deutsche Chess960-chnellschach-Meisterschaft 2019 in Wiesbaden
Bericht von Hartmut Metz beim Partner ChessBase

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Jeder Schachspieler, ob Freund oder (bisher noch) Feind des Schach 960, sollte vermutlich dieses Eingeständnis machen: bei der ersten Begegnung mit dieser Spielform überkommen einen eher Zweifel und Skepsis. Was ist das denn für ein Blödsinn? Nein, so was mache ich nicht, spiele ich nicht, das bringt nichts.

Ob man beim zweiten Mal noch immer so reagiert ist zwar fraglich, aber für viele geht die Konsistenz der eigenen Persönlichkeit über die Neugierde hinaus? „Hab ich einmal gesagt – und dazu stehe ich. Nix für mich. Macht ihr mal!“ Es erinnert ein wenig an das alte Sprichwort, welches, wie die Meisten anderen auch, eine Menge Weisheit enthält: „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.“

Um nun vielleicht doch den einen oder anderen zu überreden, diese Skepsis über Bord zu werfen und unvoreingenommen/vorurteilsfrei an die Sache neu heranzugehen und ihr vielleicht die verdiente Chance einzuräumen: dazu sei dieser Beitrag hier verfasst und hoffentlich geeignet.

Unterteilt soll er sein in drei Kategorien: ein paar Gründe gesammelt für die Ablehnung, danach ein paar Pros und im dritten Teil noch ein paar Aspekte, welche weder hier noch dort Platz finden aber durchaus ihre Bewandtnis haben.

Bei jedem hereinschauenden Leser immer die Frage: ist er dem Spiel bereits zugeneigt, liest er es nur, um eine Bestätigung zu finden, liest er es, weil er sagt: „ja, da müsste es mehr von geben, mal schaun, was Paulsen darüber so sagt?“ Zurückerinnern mag er sich dennoch an die erste Begegnung mit dem Spiel und dem möglicherweise doch empfundenen Ablehnungsreflex. Sollte sich ein Neuling hierher „verirrt“ haben (die Hoffnung, dass es eine Vielzahl ist?!), dann ist es vermutlich so, dass er die Ablehnung der Spielvariante ebenfalls noch nicht abgelegt hat, aber diese rein intuitiv und unreflektiert geschah. Dieser oder jener müsste sich aber so oder so fragen: welchen der Gründe akzeptiere ich, der mich dazu bewogen hat, nicht unmittelbar auszurufen: „Eine neue Spielform. Hurra! Darauf habe ich schon immer gewartet! Her damit, ich bin schon jetzt Fan davon!“

Es ist wahrscheinlich, dass jeder einzelnen aufgeführte Punkt seinen Teil dazu beiträgt oder damals dazu beigetragen hat. Die Absicht wäre es, hier möglichst vollständig — aus eigens geführten Gesprächen, aus Reaktionen, aus gehörten Dialogen geschlossen — zu sein. Sollte jemand einen weiteren Grund entdecken, welchen er selbst für haupt ausschlaggebend hielte: herzlich willkommen, zur Übermittlung dürfte sich ein Weg finden?

Hier einmal grob aufgelistet, auf welche Punkte man so alles eingehen könnte:

Woher also die Ablehnung?

  • Die Rochade Problematik
  • Die Harmonie der klassischen Ausgangsstellung
  • Ein richtiger Schachspieler und 960? Kann er nicht!
  • Wozu habe ich die ganze Theorie gelernt?
  • Wie baut man ein Schachbrett auf?
  • Wie verbessert man sich? Klassisch gesehen: Theorie pauken. Im 960?
  • Die ungewohnte Vielfalt
  • Die Sorge, sich zu blamieren. Es gibt ein neues Motiv, man kennt es nicht – und übersieht eine einfache Taktik.
  • Eckläufer, Eckspringer
  • Wie fängt man an? Auslosung der Ausgangsstellung
  • Gibt es Spezialisten? Wie gewinnt man neue Spieler für das Spiel?

Der erste Teil über die Rochade verdient eine weitere Unterteilung und soll hier zuerst zum Thema gemacht werden, dabei einkalkulierend, dass sich die Anhängerschaft und Begeisterung so nicht zwingend schüren lässt. Dennoch:

  • Die Rochade Problematik

Tatsächlich hat es sich im Laufe der Jahre herausgestellt, dass diese Problematik erhalten bleibt und ziemlich erheblich ist. Die Rochaderegel ist auch die einzige, welche der vorbezeichnete sich abwendende als Grund gemeint haben könnte: ich kenne die Regeln nicht. Falls er dies irgendwie ernst gemeint haben sollte und sich für nicht lernfähig erklärt – aus Bequemlichkeit –, dann kann er sich nur auf diese Regel beziehen. Gehört hat jeder schon, dass es die Rochade gibt, aber wie und wann man sie zu machen hätte? Das entzieht sich der Kenntnis und bedeutet einen gewissen Aufwand, sich damit vertraut zu machen.

Man erlebt insofern häufiger bei Schach 960 Turnieren, dass der Turnierleiter vor dem Ereignis eine kleine Einführung gibt, wie man die Rochade auszuführen hätte und wann sie möglich wäre, dabei regelmäßig nicht nur ein paar Sonderfälle anführend, sondern häufig genug auch mehr Fragen als Antworten anbietend, indem die Teilnehmer nämlich untereinander beginnen, ein paar Sonderfälle zu diskutieren und bei den vielen Nachfragen der pünktliche Turnierstart in Frage gestellt ist.

Die Regel selbst ist tatsächlich nicht so einfach, zumindest nicht, wie sie sich darstellt. Dies soll in der Folge genauer erörtert werden, allerdings keineswegs dadurch in dem Versuch, noch mehr Menschen abzuschrecken („Paulsen widmet dem Thema allein schon drei Seiten. Wusst ich doch, dass ich das Spiel nicht mag und auch nie lernen möchte!“). Es ist selbst dem das Spiel länger betreibenden nicht so eingängig. Nicht etwa, weil er sie nicht fehlerfrei zitieren könnte. Nein, es liegt an einer Reihe von Detailfragen, welche einem vielleicht nicht auf den ersten Blick eingängig sind, welche aber, von Fall zu Fall, wieder und wieder an Relevanz gewinnen. Diese müssen einzeln aufgeführt werden.

Nur noch kurz angemerkt: jeder, der das Spiel aktiv betreibt und damit zugleich oder auch zusätzlich Werbung dafür macht, sollte sich darüber klar sein, dass es das ernsthafte Problem ist. Man sollte bitte nicht den Novizen für dumm oder unbeholfen erklären, wenn man sich diesem Problem annähert, sondern es als ernstes Problem anerkennen. Es ist vermutlich der Hauptgrund. Keiner möchte dumm dastehen und sich etwas erklären lassen müssen als „das ist total einfach, das geht so und danach steht es so. Was gibt es da nicht zu verstehen?“ Aber in Wahrheit versteht der Erläuterungsbedürftige noch immer rein gar nichts?

Man sollte im Gegenteil darauf aufmerksam machen, dass es kaum ein Turnier gibt, bei welchem es nicht etliche Fälle gibt, in denen die Teilnehmer sich erkundigen, wie die Rochade nun ginge. Und dies sein keineswegs immer nur die Neueinsteiger. Es betrifft jeden – den Autor mit eingeschlossen. Hier nun also die Auflistung der Probleme sowie am Ende ein Lösungsvorschlag, der eigentlich alles abdecken sollte und zugleich die Berührungsängste unbedingt zu überwinden helfen sollte.

a) Die Regel selbst

Im Bemühen, diesen Teil doch letztendlich möglichst einfach zu gestalten, die Regel so kurz wie möglich formuliert:

Die beiden möglichen Rochaden unterscheiden sich in c-Rochade und g-Rochade, einfach, weil die Begriffe „kurz“ oder „lang“ unzutreffend wären. König und Turm stehen NACH der Ausführung der Rochade genau, wie im klassischen Schach, bei der c-Rochade der König auf c, der Turm auf c, bei der g-Rochade der König auf g, der Turm auf f.

Sämtliche anderen Regeln bleiben erhalten: alle Felder müssen dazwischen frei sein, also weder eigene noch gegnerische Figuren dort stehen, der König darf nicht im Schach stehen und auch keines der von ihm zu überschreitenden sowie das Endfeld von einer gegnerischen Figur bedroht sein, keine der beiden Figuren darf sich zuvor bewegt haben.

b) Die Anzahl der möglichen Rochaden

Die Abzählung der möglichen Rochaden, die alle in ihrer Ausführung verschieden sind, ist dabei eines der kleineren Probleme. Oben abgebildet wäre die „erste“ mögliche, bei einer gewissen Abzähllogik (alle Figuren so weit nach links, wie möglich). Mit dieser Königsposition gibt es sechs mögliche Turmstellungen. Der Turm a1 ist fixiert, da laut Regel ein Turm links, einer rechts vom König zu stehen hat, der andere Turm hat sechs mögliche Positionen, von c1 bis h1.

Mit dem König auf c1 gibt es zwei Mal fünf Stellungen. Der linke Turm kann auf a oder b stehen, der rechte Turm auf d1 bis h1. Das ergibt zehn Positionen. Steht der König auf d1, hat der linke Turm drei Freiheiten – a1, b1, c1, der rechte vier – e1, f1, g1, h1. Das ergibt drei Mal vier gleich zwölf. Genau so sieht es ab e1 aus, nur umgekehrt.

Dementsprechend ergeben sich (6 + 10 + 12) * 2 = 28 * 2 = 56 mögliche Ausgangsstellungen, die alle voneinander verschieden sind und wo die Rochaden jeweils anders durchzuführen sind (das Problem der Handhabung als Beispiel). Denn: in all diesen 58 Stellungen gibt es zwei Rochaden, in der Summe also 112 verschiedene Arten einer Rochade, in Ausführung und Handhabung.

c) Die Handhabung der Figuren

Hier geht es allein um die Handhabung und Bewegung der Figuren. Die FIDE hat das Spiel aufgenommen in die Schachregeln, insofern wird hierzu exakt Stellung bezogen, wie die Rochade auszuführen ist. Dazu gleich etwas mehr.

Bei der Problematik „Handhabung der Figuren“ ist tatsächlich die verursachte Unbeholfenheit gemeint, da der Zug selbst einer ist, der (oft) zwei Figuren betrifft und welcher von daher – vergleichbar mit einer Bauernumwandlung, bei welcher es auch häufig zu Problemen kommt, auch im klassischen Schach – eine besondere Ausführungsart verlangt. Beim klassischen Schach – nur, um dies einmal deutlich gemacht zu haben – gibt es ZWEI verschiedenen Möglichkeiten der Ausführung und die Handhabung hier geht einem in Fleisch und Blut über. Also: hier sieht es eigentlich nie ungeschickt aus. Jeder hat es praktiziert und zwar x Mal – da ist der Bewegungsablauf flüssig.

Wie die FIDE sich dazu äußert und wie die Regeln genau heißen wird hier nicht recherchiert, also auch nicht aufgeführt. Klar ist nur, dass es hier einfach zu Problemen kommt.

Da hier nur von der Handhabung die Rede ist, welche tatsächlich ein ernstes Problem ist und welches bitte nicht zu ignorieren ist – eben auch nicht von jenen, die sich verwundern, dass das Spiel keine Verbreitung findet, obwohl sie selbst glühende Verehrer sind und einfach nicht nachwollziehen können, was andere davon abhält, soll dieses Beispiel zur Veranschaulichung dienen: man möge sich diese Stellung einfach mal auf einem Schachbrett aufbauen und dann versuchen, eine flüssige Rochadebewegung hinzubekommen. Es ist unmöglich. Oder eben: man müsste genau diese Stellung jahrelang „üben“, vielleicht sähe es dann irgendwann gut aus? Bitte einmal ausprobieren, man wird staunen, wie unbeholfen man selbst dabei ist.

Eine mögliche Folge dieser Unbeholfenheit ist die: man macht bereits bei der Ausführung einen Fehler. Irgendwie hapert es bei der Ausführung und es bleibt eine Stellung stehen, welche so gar nicht möglich ist. Der Gegner reklamiert, man hat verloren. Oder aber und vor allem: man fasst den Turm zuerst an und wäre nun verplichtet, einen Turmzug auszuführen. (für die Ungeduldigen: gleich mal bei dem Punkt „Lösungsvorschlag“ reinblättern). Vorkommen tut all dies ziuemlich regelmäßig und, wiederholt hier erwähnt, keineswegs nur von Neulingen.

d) Die Ausführung selbst

Die FIDE behandelt sicher nicht die Unbeholfenheit, welche jedoch durchaus eine abschreckende Wirkung erzielen kann: „ich weiß nicht, wie das Spiel geht und weiß auch nicht, wie ich die Rochade ausführen soll, selbst wenn ich es von der Regel her wüsste. Das sieht einfach krank aus und ich mache bestimmt irgendeinen Fehler“.

Die FIDE beschäftigt sich also allein damit, wie man sie auszuführen hätte, nicht damit, wie geschickt oder ungeschickt man sich dabei präsentiert. Nur ist auch dieser Teil der Ausführung selbst einen einzelnen Abschnitt wert. Wie auch immer die Regelvorschrift aussieht: im Laufe der Zeit erkennt man einfach die gewisse Problematik dabei, die hier im Einzelnen erläutert werden soll:

Die Unterscheidung ist diese: wann zieht NUR der König, wann zieht NUR der Turm, wann ziehen beide und wie hätten sie es zu tun, zwecks Eindeutigkeit?

Sollte der König auf c1 oder g1 stehen, dann müsste man diesen im Grunde gar nicht bewegen. Da man jedoch eine Figur, welche man nicht ziehen möchte auch nicht anfassen möchte, wäre es logisch, zuerst beziehungsweise NUR den Turm anzufassen. Bei solidem Studium der Regeln wird man feststellen – und sich bisher vermutlich auch daran gehalten haben, man selbst sowie dürfte man es vom Gegner erwarten – dass man eine berührte Figur auch ziehen muss. Insofern sollte es einen nicht verwundern, wenn der Gegner nun auf einen Turmzug besteht. Und den Turm über den König zu ziehen ist KEIN LEGALER Turmzug. Insofern auch hier: entweder Regelverstoß und Partieverlust oder aber: bitte mache einen Turmzug, dann spielen wir weiter.

Die Lösung (der FIDE), nur aus Zitaten geschlossen : man möge bitte den König ZUERST berühren,, ihn vielleicht ein klein bisschen von c1 oder g1 nach hinten ziehen – somit deutlich machend, dass man einen Königszug macht, was die Rochade laut Regel ist — , dann den Turm über das freigewordene Feld c1 oder g1 hinwegschieben auf sein Zielfeld, im Anschluss den König wieder zurückschieben auf sein Ausgansfeld.

So weit, so gut und auch schlüssig. Nur: erleben tut man das sehr selten. Dennoch wäre es eine sinnvolle Lösung und sie sollte auch von Liebhabern des Spiels bitte so beherzigt werden. Es dient einfach dazu, Missverständnisse zu vermeiden (weiterhin der Verweis auf „Lösuingsvorschlag“).

Nun betrachte man bitte diese Ausgangslage: sofern man nun die Rochade ausführen möchte, müsste man den König ziehen. Und zwar den Königszug König d1 nach c1. Sollte man nun im zweiten Schritt den Versuch unternehmen, den Turm von b1 nach d1 zu ziehen, so könnte man die folgende böse kleine Überraschung erleben, indem der Gegner sagt: „Nein, dein Zug war bereits abgeschlossen. Du hast dich für den Zug König d1 nach c1 entschieden, nun darfst du nicht zusätzlich noch einen Turmzug machen. Der Zug ist illegal. Entweder, wir spielen weiter nach dem Zug König d1 nach c1, ohne den Turmzug, oder du hast verloren.“

Tatsächlich müsste man die beiden Züge König d1 nach c1 und c-Rochade beide für möglich halten und beide, den Umständen und Absichten entsprechend, auch ihre Berechtigung einräumen. Umgekehrt könnte der Gegner also nicht etwa verlangen „nun hast du den König von d1 nach c1 gestellt, welchem eindeutig die Rochadeabsicht zugrunde lag, nun beende bitte deinen Zug und stelle auch deinen Turm nach d1!“

Was wäre hier die Lösung, für die Regelfüchse? Nun, man müsste auch hier den König nicht etwa von d1 nach c1 ziehen – was bereits ein vollständiger Zug wäre und somit als solcher verlangt werden könnte, da die Ausführung eines gültigen und möglichen Zuges abgeschlossen ist und somit für Missverständnisse sorgen könnte, sondern man sollte ihn von d1 nach c0 ziehen (ihn also leicht außerhalb des Brettes, und zwar unterhalb von c1) platzieren, den Turm dann über dem König und über das noch immer freie Feld c1 bewegen, diesen auf d1 abstellen, und dann den König vorwärts von c0 auf c1 stellen. Absolut einwandfrei und sozusagen „regelkonform“, ohne jegliches Missverständnispotenzial.

All dies soll nur weiterhin an den Punkt f. heranführen. Es gibt eine einfache Möglichkeit, all dieser Probleme recht einfach Herr zu werden.

e) Unter welchen Umständen darf man rochieren?

Die Antwort hier ist ebenfalls kein bisschen trivial. Man stellt dies jedoch erst nach einer Weile fest.

Nur um direkt mal mit einem Beispiel aus der Praxis anzufangen:

In einer derartigen Stellung hatte sogar Weltmeister Magnus Carlsen mal eine Figur ins Geschäft gesteckt, in der Absicht, den Turm b8 dauerhaft vom Spiel auszuschließen (hier geht es nicht um die konkrete Stellung, nur um die Rochadeproblematik). Tatsächlich gewann er eine Art „Glanzpartie“ mit diesem Opfer. Der Schwarze konnte das Spiel OHNE den Turm b8 nicht dauerhaft verteidigen und verlor (erinnert sich jemand und/oder findet die Partie raus?).

Nur hatten beide Spieler „übersehen“, dass es absolut keinen Regelparagraphen gibt, welcher dem Zug schwarze c-Rochade die Legalität verweigert. Weder steht der König im Schach noch überschreitet er ein von einer gegnerischen Figur bedrohtes Feld noch landet er im Schach noch hatte in dem Fall eine der Beiden Figuren bisher gezogen.

Da es BEIDE Supergroßmeister während der Partie nicht merkten, darf man es getrost als „durchaus ernstes Problem“ anerkennen. Die c-Rochade ist hier möglich und Schwarz hätte ziemlich locker seine Mehrfigur verwerten können. Im Grunde ist davon auszugehen, dass Maguns Carlsen nach dem Zug c-Rochade zwar kurz den Kopf geschüttelt hätte, aber dennoch sofort die Sinnlosigkeit der Fortführund des Kampfes eingesehen und aufgegeben hätte. Die Sinnesverwirrung fand dadurch statt, dass die c-Rochade „klassisch“ niemals möglich ist, wenn eine Schwerfigur auf der d-Linie platziert ist und diese Linie (vollständig) geöffnet ist.

Ein sehr, sehr wichtiges weiteres Problem – genau: nur Probleme, warum also dieses überaus komplizierte Spiel je in Angriff nehmen? – ist dieses: im klassischen Schach stehen Turm und König immer am Anfang auf e1 und h1 oder auf e1 und a1. Sollte eine dieser beiden Figuren NICHT auf einem dieser Felder stehen, so denkt man gar nicht erst daran, ob man nun Rochade machen könnte.

Im Schach 960 müsste man sich bei jeder Platzierung der beiden Figuren (insgesamt sind es sogar DREI Figuren; zwei Türme, ein König) auf der Grundreihe fragen: „Kann ich noch rochieren?“ Denn: falls der König beispielsweise auf f1 steht, so ist keineswegs sicher, dass er dort von Anfang an stand. Man müsste also zunächst klären: „Habe ich den König vielleicht schon mal gezogen? Hmmm. Weiß nicht so genau.“ Genau so kann dies jede Turmstellung betreffen, so lange es die Grundreihe ist.

Dies bringt keineswegs nur ein bisschen Verwirrung. Man fühlt sich irgendwie dauerhaft „uncomfortable“, weil irgendwie durchgehend das Damoklesschwert über einem schwebt: „Vielleicht mache ich gleich einen unmöglichen Zug und verliere die Partie auf diese dumme Art?“ Es sei denn, man hat das Rochaderecht bereits genutzt. Ab diesem Moment geht es einem richtig gut.

Man stellt aber fest, dass gerade im Schach 960 viel seltener rochiert wird?! Irgendwie verschieben es die Spieler oftmals auf lange Zeit.

Ein Teil dieses Problems dürfte übrigens darin bestehen, dass einem zwar die Stellung NACH der Rochade vertraut wäre, nur die Stellung DAVOR lässt einen nicht klar erkennen, ob diese oder jene nun sinnvoll wäre. Denn: hier überwiegt das Problem, dass man die Imaginationskraft aus dem klassischen Schach locker aufbringt, da es ständig so vorkommt und immer gleich ist. Im Schach 960 gibt es so viele verschiedene Stellungen, die einen kein klares Muster erkennen lassen. Gelegentlich sind es auch besonders lange Züge, welche irgenwie eine viel größere Veränderung der Stellung bedeuten und man hätte irgendwie eine anwachsende Sorge, dabei entweder etwas falsch zu machen oder etwas zu übersehen.

Selbst wenn der Leser jetzt schon den Kopf schüttelt: noch immer sind nur ein paar der Punkte angesprochen. Man wird kursioserweise bei jedem neuen Turnier feststellen, dass irgendein Fall auftaucht, den man so noch nicht erlebt hat. Die Abschreckung dieses Textes sollte sich aber in Grenzen halten sofern man nun endlich auf den folgenden Punkt schaut:

f) Ein Lösungsvorschlag

Dieser Lösungsvorschlag ist tatsächlich sehr ernst gemeint und sollte eigentlich sämtliche Probleme auf einen Schlag erledigt haben. Vorausgeschickt sei erneut, dass sich auch der erfahrene 960-Spieler bitte der Problematik unterwerfen möge und sie als das ernste Problem anerkennen. Die Praxis zeigt nämlich bisher, dass die meisten dauerhaften Betreiber des Spiels so dazu äußern, einem jeden Neueinsteiger gegenüber: „Die Rochade ist ganz einfach. Du musst nur…“ Dies ist NICHT der Fall. Besser wäre es, er sagte so, dabei den Vorschlag zur Lösung gleich einarbeitend: „Die Rochade ist wirklich eine schwierige Angelegenheit. Deshalb kannst du auch durch einen unmöglichen Zug bei der Ausführung der Rochade niemals eine Partie verlieren.“

Dies wäre bereits die ultimative Lösung. Sofern man eine Rochade machen möchte und irgendwie dabei in Schwierigkeiten gerät: man kann nicht verlieren dadurch. Der Gegner wäre da, zur Hilfestellung, auch die Nachbarbretter oder der Schiedsrichter.

Allgemein war auch schon in der Frühzeit des Spiels häufig zu hören: „Ich mache die Rochade“, was sich die Spieler gegenseitig ansagten. Das ist durchaus sinnvoll und sollte ebenfalls einfach in die Praxis augenommen werden. Man darf ohnehin bereits gewisse Worte sagen am Brett wie „ich biete Remis“ oder „ich möchte weiter spielen“ bei Ablehnung oder auch „ich gebe auf“ oder „ich nehme an“, wenn man sich auf den Remisvorschlag einlässt. „Turnierruhe“ mag zwar wünschenswert sein und in letzter Zeit zunehmend bedeutsam, aber es gibt und gab schon immer diese Ausnahmen, zu denen auch gehört „ich reklamiere Remis“ oder „Schiedsrichter“, welchen man so herbeirufen möchte.

Aufnehmen könnte man in das Repertoire: „Darf ich rochieren?“ und „wie müsste ich rochieren?“ oder „Schiedsrichter, bitte die Rochademöglichkeiten prüfen“ oder eben auch das vorgenannte „ich mache die Rochade“.

Falls man Gegner oder Schiedsrichter dazu befragen wollte, ob die Rochade möglich wäre oder welche noch möglich wäre, so könnte dieser die Ausgangsstellung vergleichen – die aufgezeichnet sein müsste –, woran er dann schon einmal feststellt, ob eine der Figuren bereits SICHER schon mal gezogen hat (der Fall, dass sie gezogen hat, aber nun doch wieder auf dem Ausgangsfeld steht ist für den Schiedsrichter – allerdings damit dem klassischen Schach gleich – bei Schnell- oder Blitzpartien NICHT zu ermitteln). Ansonsten wäre die Anleitung „ja, sie ist möglich“ oder „g-Rochade möglich, c-Rochade nicht mehr“ sogar inklusive einer Ausführungsanleitung – König nach c8, Turm nach d8 zum Beispiel – denkbar.

Die Idee wäre natürlich die, dass sich doch die Gemeinschaft erhören ließe? Vielleicht überwindet auf diese Art jemand die ersten Berührungsängste? „Es ist schon anerkannt schwierig, aber wir sind alle da, dir dabei zu helfen.“

Auch aus der eigenen Praxis soll nur so viel angemerkt werden: es gibt bei jedem Turnier falsche Ausführungen von Rochaden und dadurch teils abrupt beendete Partien, da nämlich erneut jemand die Rochade nicht richtg gemacht hat (auf eine der zahlreichen genannten und teils auch ungenannten Möglichkeiten). Und denkbar auch, dass man allein dadurch bereits eine Vielzahl von Interessenten auf Lebzeiten verloren hat? Man hat sich „blamiert“ und eine Partie so blöd verloren, warum noch einmal spielen? Mich seid ihr los.

  • Die Harmonie der klassischen Ausgangsstellung
  • Ein richtiger Schachspieler und 960? Kann er nicht!

„Was ist das denn? Das ist doch kein richtiges Schach! Nein, so einen Blödsinn spiele ich nicht. Wir spielen hier richtiges Schach und nicht so eine Abart. Das ist Quatsch, das ist Blödsinn, weg damit, bleib mir fern.“

Einen Beweggrund, von dieser Haltung abzurücken hätte man nur, wenn es eine Art von Leidensdruck gäbe, wenn man eine Unzufriedenheit bei der Ausübung des Spiels empfände, ein innerer Widerstand sich aufgebaut hätte, das Schachspiel, in der klassischen Form, einen langweilen würde. Nichts davon erfüllt. Warum also? Physikalisch nennt man das Prinzip das „Massenträgheitsprinzip“.

Es kommt aber durchaus hinzu, dass man einfach behauptet, die Regeln nicht zu kennen. Das genügt dann schon, um sich unmittelbar abzuwenden.

  • Wozu habe ich die ganze Theorie gelernt?
  • Wie baut man ein Schachbrett auf?
  • Wie verbessert man sich? Klassisch gesehen: Theorie pauken. Im 960?
  • Die ungewohnte Vielfalt
  • Die Sorge, sich zu blamieren. Es gibt ein neues Motiv, man kennt es nicht – und übersieht eine einfache Taktik.
  • Eckläufer, Eckspringer
  • Wie fängt man an? Auslosung der Ausgangsstellung
  • Gibt es Spezialisten? Wie gewinnt man neue Spieler für das Spiel?

Historie der Chess Classic in Frankfurt und Mainz